CB012841Kaum ein Thema bewegt die Gemüter mehr als das Thema Energie. Heute (18.05.09) habe ich einen Vortrag von Frau Dr. Karin Kneissl besucht. Sie ist eine anerkannte Expertin, publiziert regelmäßig zu Energiefragen und hat das Buch „Der Energiepoker“ geschrieben.

Als Vermögensberater und Fondsmanager interessiert mich natürlich vor allem eine Frage: Wohin wird sich der Ölpreis entwickeln? …

Zunächst fand ich heute abend die Ausführungen von Frau Kneissl interessant, wie sehr sich Analysten in der Vergangenheit bereits getäuscht haben. Letztes Jahr hat die Internationale Energieagentur (IEA) für 2009 einen täglichen Bedarf an Rohöl von über 83 Mio Barrel pro Tag prognostiziert. Tatsächlich liegen wir heute fast 30% darunter.

Und wer hätte im Juni 2008  gedacht, dass der Ölpreis innerhalb eines Jahres mehr als die Hälfte fallen würde, von 140 USD pro Barrel auf heute 58 USD?

Frau Kneissl sprach auch von der vollkommenen Unmöglichkeit, den Erdölpreis vorauszusagen. Etwa 50 Prozent der Analysten glauben an einen Anstieg, der Rest an einen Preisverfall.

Diese Aussage fand ich deswegen bemerkenswert. Denn Frau Kneissl sprach in ihrem Vortrag auch davon, dass anch einer Einschätzung der OPEC die nächste Ölkrise nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Gerade wegen des derzeitig stark gefallenen Ölpreises werden Investitionsprojekte zurückgestellt. Und wenn man heute nicht in die (sehr kapitalintensive) Exploration neuer Ölfelder oder in (ebenso kapitalintensive) neue Raffinerien investiert, dann kann man sich heute an fünf Fingern ausrechnen, dass es in ein paar Jahren zu einer Ölknappheit kommen wird.

Die letzte Raffinierie übrigens, die in den USA fertiggestellt worden ist, stammt aus dem Jahr 1979. So Frau Kneissl.

Aber klingt das nicht nach einem Widerspruch? Frau Kneissl sagt, dass der Erdölpreis nicht vorhersehbar ist. Auf der anderen Seite aber sei eine deutliche Reduzierung der Ölförderung sehr wahrscheinlich. Müsste man dann nicht davon ausgehen, dass, wenn Öl tatsächlich weniger gefördert wird, auch der Ölpreis entsprechend steigt?

Genau diese Frage stellte ich am Ende des Vortrags. Und die Antwort von Frau Kneissl war mehr als intelligent: Auch wenn man eine Ölknappheit richtig vorhersagt, kann das einen Ölpreisanstieg zur Folge haben, muss aber nicht.

Damit trifft Frau Kneissl exakt ins Schwarze. Auch meine Erfahrung als Geldanleger ist, dass man selbst mit richtigen Wirtschaftsprognosen viel Geld verlieren kann. Man kann beispielsweise vorhersagen, dass es bei der Firma X einen Gewinneinbruch geben wird, und dann trifft das tatsächlich ein. Und was macht der Aktienkurs der Firma X? – Er steigt.

Oder umgkehrt: man sagt sehr gute Unternehmenszahlen der Firma Y voraus, was sich tatsächlich als Wahrheit herausstellt. Und was passiert? – Die Aktien der Firma Y fallen.

Mit solchen Paradoxien ist man als Kapitalanleger ständig konfrontiert. Es ist einfach ein Fehler anzunehmen, dass der Kapitalmarkt nach einer simplen Wenn-Dann-Logik funktioniert. (Seltsam nur, dass das in den Börsennachrichten oft suggeriert wird.)

Ich habe in meinem letzten Blog-Beitrag John Maynard Keynes zitiert. Keynes selbst gibt ein Beispiel für eine korrekte Prognose, die ins finanzielle Desaster führte. Keynes sagte 1918, nach dem ersten Weltkrieg, voraus, dass es in Deutschland zu einer sehr starken Inflation kommen wird. Und darauf verwettete er ein kleines Vermögen. Und obwohl er recht hatte (1923 kam es in Deutschland zu einer Hyperinflation), verlor er dennoch einen Großteil dieses Vermögens. Warum? Weil die Inflation deutlich später kam, als er vermutet hatte, nämlich 5 Jahre zu spät. Daher übrigens auch sein Spruch: „Der Markt kann sich länger irrational verhalten, als man selbst zahlungsfähig bleibt.“

Was soll man aber dann tun, wenn man nichts prognostizieren kann?

Auch hier gab Frau Kneissl eine kluge Antwort, indem sie einen Ausspruch von Winston Churchill aus dem Jahre 1911 zitierte: „Liberty lies in variety and in variety alone“ (zu deutsch: „Die Freiheit liegt in der Vielfalt und in der Vielfalt alleine.“)

Was heißt das für uns Kapitalanleger? Diversifikation. Diversifikation. Diversifikation. Vielfalt bedeutet Diversifikation. Nicht alles auf eine Karte setzen. Das ist die logische Konsequenz aus der Erkenntnis, dass wir heute nicht die Zukunft wissen können. Dass Prognosen unmöglich sind.

Ich möchte noch ergänzen: Der gößte Feind der Diversifikation sind Progosen, die man für unzweifelhaft sicher hält. Denn wenn sich jemand mit etwas absolut sicher ist, warum sollte er dann nicht alles auf diese eine Karte setzen? – Tatsächlich verhhält er sich sogar vollkommen rational, jedenfalls wenn es wirklich so ist, dass er er sich mit seiner Prognose 100%ig und unzweifelbar sicher sein kann. Genau das kann aber im Kapitalanlagebereich niemand. Deswegen sage ich immer wieder: Eine der größten Gefahren für einen Geldanleger besteht darin, wenn man sich zu selbstsicher ist., wennn man Dinge zu wissen glaubt, die man tatsächlich nicht wissen kann. Zu viel Selbstsicherheit führt gerade bei der Geldanlage so gut wie immer in die Katastrophe. (Daher, meine lieben Herren, verzeihen Sie mir bitte die Bemerkung, sind Frauen oft die besseren Geldanleger. So jedenfalls meine langjährige Erfahrung als Vermögensberater. Frauen sind häufig eher bereit zuzugeben, etwas nicht zu wissen.)

Und so wie im Kapitalanlagebereich Diversifiation der Schlüssel zum Erfolg ist, so sollte auch eine kluge nationale Energiepolitik nicht alles auf eine Karte setzen, sondern diversifizieren. Hierzu stellte Frau Kneissl fest, dass es keine einheitliche europäische Energiestrategie gibt. Irgendwie traurig, finde ich.

Wenn zufälligerweise jemand diesen Blog-Beitrag liest, der auch bei dem Vortrag anwesend war, freue ich mich auf Kommentare. Ich habe natürlich das ganze von meiner ganz subjektiven Warte und somit vielleicht etwas verzerrt oder verkürzt dargestellt.

Weitere Links zum Thema:

Quelle der in diesem Beitrag verwendeten Bilder: http://office.microsoft.com/de-de/clipart

2 Kommentare
  1. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Ernst Ulrich von Weizsäcker: „Energie muss teurer werden.“

    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/weizsaecker100.html

    http://www.nachhaltigkeit.org/200904151764/mensch-gesellschaft/interviews/energie-muss-teurer-werden

    http://www.zeit.de/2010/22/Interview-Weizsaecker?page=1

    Interessant sind die Kalenderdaten der Interviews: 10.07.2008, 25.04.2009, 31.05.2010
    – – – – – – – – –

    Je mehr der persönliche Wohlstand in einer Gesellschaft für zunehmend mehr Mitglieder wegbröckelt, desto rücksichtsloser werden gewöhnlich die Verteilungskämpfe in ihr.
    Das scheint mir das volkswirtschaftliche Problem.

    Antworten
  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Die Erklärung von Bern (Herausgeber):
    „Rohstoff: Das gefährlichste Geschäft der Schweiz“

    http://www.amazon.de/Rohstoff-Das-gef%C3%A4hrlichste-Gesch%C3%A4ft-Schweiz/dp/3905801507/ref=sr_1_1?
    s=books&ie=UTF8&qid=1316836648&sr=1-1

    —————————————–

    Das Geschäft mit Erdöl gilt als besonders hart. Da kann man schon einmal geschlaucht sein:

    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/rezzo-schlauch-plante-milliardendeals-mit-teldafax/4652446.html?p4652446=all

    Antworten

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