In meinem letzten Beitrag habe ich von einem Vermögensverwalter berichtet, der meinte, fast auf den Tag genau vorhersehen zu können, wann China die Kapitalmärkte ins Chaos stürzen würde. Hier der Link dazu: Dr. Andreas Beck : So stürzt China die Märkte ins Chaos. Und zwar waren die US-Geheimdienste dabei, die Ursache für die Corona-Pandemie genauer zu beleuchten, wobei bereits klar war, dass China ein besonderes Augenmerk erfahren würde. Der Vermögensverwalter rechnete damit, dass mit der Veröffentlichung des Abschlussberichtes China wirtschaftlich stark unter Druck geraten würde und so die gesamten Märkte in Turbulenzen stürzen würde.

Der Abschlussbericht wurde inzwischen veröffentlicht und wie erwartet sehen die Amerikaner eine große Schuld bei China. Der Vermögensverwalter hatte also recht, was diesen Teil betrifft. Er hatte aber nicht recht mit seiner Prognose, dass dies zu einem Crash an den Kapitalmärkten führen würde.

In dem oben zitierten Video spricht der Vermögensverwalter von konkreten Maßnahmen, um sein Geld vor dem vermeintlichen China-Crash zu schützen. Möglicherweise haben diese Maßnahmen den Kunden dieses Vermögensverwalters nicht groß geschadet. Dennoch bleibt die Tatsache, dass Maßnahmen empfohlen bzw. ergriffen wurden, um ein Finanz-Ereignis abzufedern, das a) als sehr wahrscheinlich verkündet wurde, aber b) faktisch nicht eingetreten ist.

Das ist die traurige Situation fast aller Prognosen, die sich auf künftige Entwicklungen an den Kapitalmärkten beziehen. Meistens sind sie falsch (mehr als 50% der Fälle!). Ferner nützen sie nicht, sondern schaden eher.

Daher ist mein dringender Rat: Man sollte tunlichst auf Prognosen im Geldanlagebereich verzichten. Das ist besser für die Anleger. Eines ist aber auch klar. Wer behauptet, durch seine Analysen ein Wissen über die Zukunft zu besitzen, das man zur Generierung von Gewinnen bzw. zur Vermeidung von Verlusten nutzen kann, stellt sich selbst als Experte dar. Und als solch vermeintlicher Experte betreibt man Marketing für die eigene Dienstleistung (Was ist das oben zitierte Video nicht anderes als eine Marketing-Aktion?).

Letztlich finde ich es aber besser, wenn man klar, offen und ehrlich zu dem steht, was man wirklich wissen und tun kann. Ganz im Sinne des guten alten Sokrates: Ich weiß, dass ich nicht weiß. Auch er entlarvte mit dieser Weisheit die vielen angeblichen Experten, die sich im antiken Athen tummelten. Leute, die vorgaben, etwas zu wissen, es aber tatsächlich nicht taten.

Und genau so ist es (leider) auch im heutigen Finanz- und Geldanlagebereich. Wo man hinsieht angebliche Experten, die ein Wissen vorgaukeln, das nicht da ist. Sollen sie doch bitte zugeben, dass sie eigentlich kein Wissen haben! Vielleicht fängt man auf diese Weise weniger Kunden, aber es ist zumindest ehrlich.

Welchen Nutzen kann man überhaupt als Finanzdienstleister seinen Kunden bringen? Jedenfalls nicht den, mittels Prognosen richtige Anlageentscheidungen zu treffen. Stattdessen gibt es wichtige Punkte, bei denen ein Vermögensverwalter oder Anlageberater sehr hilfreich sein kann.

Beispielsweise wird permanent unterschätzt, wie wichtig eine gute strategische Gesamtausrichtung des Portfolios ist. Viele Privatanleger würfeln sich sozusagen ihr Wertpapierdepot zusammen. Da wird mal dies gekauft, mal jenes. Ohne klare Linie. Es fängt zumeist schon damit an, dass sich viele Anleger kaum Gedanken über ihre Anlageziele machen. Das ist exakt das, wobei ein guter Finanzdienstleister hilft. Was genau will der Anleger erreichen? Welches Vermögen muss er bis wann erreicht haben, um eine gewünschte Verbesserung seiner Altersbezüge zu erreichen? Bzw. um überhaupt finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen?

Und wenn man sein Anlageziel kennt, wie legt man am besten an, um es zu verwirklichen? Auf was ist hierbei zu achten? Welche besonderen Risiken und Gefahren gibt es?

Schließlich gibt es eines, was meiner Meinung nach einer der Hauptaufgaben eines guten Vermögensverwalters ist: Dem Anleger irrationale Ängste und Sorgen zu nehmen, damit er konsequent die festgelegte Anlagestrategie umsetzt. Hier erinnere ich an März/April 2020. Viele Anleger haben auf dem Höhepunkt des Corona-Crashs die Nerven verloren. In dieser Zeit war es für mich sehr wichtig, meinen Kunden zuzureden, damit sie diese schwierige Zeit ohne Verluste durchstehen konnten. Manch einer war willens, zu Tiefstkursen alles zu verkaufen. Heute danken mir genau diese Anleger, dass ich sie davon abgebracht habe. So etwas ist faktisch hundert mal mehr wert als Prognosen, die doch fast immer zu Fehlentscheidungen führen.

 

Ich habe letztens einen Video-Beitrag auf YouTube angesehen, in dem ein Vermögensverwalter zum Thema China interviewt wird. Der Vermögensverwalter sagt meiner Meinung nach ein paar richtige Dinge, im Großen und Ganzen aber bewerte ich seine Aussagen kritisch.

Großer China-Crash im August?

Der Vermögensverwalter sagt, aus meiner Sicht richtig, dass man einen Crash am Aktienmarkt naturgemäß nicht vorhersehen kann. Er weist, auch das völlig zurecht, darauf hin, dass es ein weitverbreiteter Fehler ist, von Vergangenheitsdaten auf künftige Kursentwicklungen zu schließen. Fast in jeder Bankberatung wird so vorgegangen und darin besteht auch der Kern von Fonds-Ratings. Immer und immer wieder wird so argumentiert: Dieses Wertpapier, dieser Fonds, diese Branche, diese Region hat in den letzten Jahren gut abgeschnitten, – also wird es so auch weitergehen.

Der Vermögensverwalter beschreibt, wie auch das typische Risikomanagement von Wertpapierportfolios genau so vorgeht: Vergangenheitsdaten werden auf die Zukunft projiziert. Naja, und das kann zu keinen vernünftigen Ergebnissen führen. Gerade Crashs zeichnen sich dadurch aus, dass sie jedes Mal aus den vorgehenden Vergangenheitsdaten alles andere als ablesbar waren.

Da dieser Vermögensverwalter (richtig) sagt, dass man Risikomanagement nicht anhand von Vergangenheitsdaten korrekt machen kann, plädiert er für synthetische Stresstests. Damit meint er, dass man ein mögliches oder als wahrscheinlich eingeschätztes Szenario simuliert, sowie alle wahrscheinlichen Konsequenzen daraus für den Kapitalmarkt.

Der Vermögensverwalter gibt dafür ein konkretes, aktuelles Beispiel. Er glaubt, dass es ein Stressereignis gibt, das schon heute absehbar ist und sich bereits jetzt langsam ankündigt. Joe Biden hat ja den US-Geheimdienst damit beauftragt, bis August 2021 herauszufinden, inwiefern China eine Hauptschuld an der Corona-Krise hat. Die Frage ist, ob den chinesischen Behörden schon recht frühzeitig bekannt war, dass sich im Land ein neuartiger Virus verbreiten würde, und ob die Chinesen das bewusst verschleiern wollten. In diesem Fall hätte die Weltgemeinschaft möglicherweise viel früher und besser darauf reagieren können, so dass es nicht zu einer Pandemie solchen Ausmaßes gekommen wäre.

Der Vermögensverwalter meint: Falls bis Ende August 2021 im Abschlussbericht des US-Geheimdienst „das Falsche“ drinsteht, dann wird es wahrscheinlich große Turbulenzen an den Märkten geben. Hier unterscheidet jetzt der Vermögensverwalter, je nachdem, ob es a) nur vorübergehenden heftigen Kursschwankungen kommt, ober ob b) echte Substanzverluste entstehen werden. Der Fall a) ist nicht so kritisch. Hier braucht der Anleger einfach Geduld, um die Zeit auszusitzen, bis sich wieder alles beruhigt hat.

Problematischer ist der Fall b). Das heißt, wenn eine Anlageklasse nach einer Krise sich über längere Zeit nicht mehr erholt. Der Vermögensverwalter nennt als Beispiel die Finanzwerte in Folge der Finanzkrise ab 2008.

Der Vermögensverwalter befürchtet, dass es nach einem China-Crash im Anschluss an den Abschlussbericht des US-Geheimdienstes im August, zu einen echten Substanzverlust chinesischer Unternehmen kommen wird. Darauf aufbauend stellt er sich ein Stresstest-Szenario vor, um zu sehen, wie stark das Wertpapier-Portfolio von einem solchen Rückschlag betroffen sein wird.

Nun liegt der Anteil chinesischer Aktien in üblichen Weltindizes etwa bei 5%. Das ist nicht besonders viel, und bei einem solchen Anteil im Portfolio hätte eine langfristige Abwertung chinesischer Aktien eine eher kleine Auswirkung. Der Vermögensverwalter hebt aber hervor, dass viele Anleger deutlich stärker in China investiert sind, und zwar genau aus dem oben genannten Grund: China ist in den letzten Jahren gut gelaufen, und so lässt man sich fehlerhafterweise dazu verleiten, auch künftig in China hohe Renditen zu erwarten. Offenbar würden solche Portfolios mit hoher China-Gewichtung durch den von ihm vermuteten Crash ab August 2021 stärker betroffen sein.

Der Vermögensverwalter rät dazu, sein Portfolio daraufhin zu überprüfen, wie es von dem vermuteten China-Crash in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Ganz konkret rät er zu folgendem:

  • China-Exposure reduzieren;
  • Etwa 2,5 % Gold mit ins Portfolio aufnehmen.

Crashs kündigen sich nicht an

Ich habe eine ganze Reihe von Kritikpunkten an dem, was dieser Vermögensverwalter sagt. Als erstes halte ich es für unglaubhaft, dass sich ein Crash schleichend ankündigt. Das erscheint uns nur – im Nachhinein – so. Es liegt im Wesen eines Crashs, dass er vollkommen unerwartet kommt. Hat er sich aber ereignet, dann glaubt man, dass es schon vorher Anzeichen gegeben hätte, die man nur richtig hätte interpretieren müssen. Das ist aber ein Umdeuten der Fakten im Nachhinein. Nun wird gerne so argumentiert: Ja, es gab doch ein paar (sehr schlaue) Analysten, die den Crash tatsächlich vorhergesagt haben, also muss es doch Anzeichen dafür vorher gegeben haben.

Aber dieses Argument ist ungefähr so: Man lässt 10.000 Leute raten, welche Ergebnisse ich erziele, wenn ich drei Mal hintereinander eine Münze werfe. Von der Wahrscheinlichkeitstheorie weiß man, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird mindestens einen unter den 10.000 geben, der die Folge richtig vorhersagen wird, z.B. Wapp-Wapp-Zahl. Das heißt aber nicht, dass diese Person hellseherische oder besonders gute analytische Fähigkeiten hat, sie hatte einfach nur Glück.

Dass sich jetzt bereits ein China-Crash im August sozusagen ankündigt, wie der Vermögensverwalter meint, werte ich als eine krasse Selbstüberschätzung der eigenen analytischen Fähigkeiten. Und letztlich ist eine solche Selbstüberschätzung sogar gefährlich. Denn wenn man aufgrund eines prognostizierten Ereignisses jetzt bestimmte Portfolio-Umschichtungen vornimmt, dann ist das ein hochgradiges Glücksspiel. Mit solider Geldanlage hat das nichts zu tun.

Ich erinnere (nur um ein Beispiel unter vielen zu nehmen) an den Sommer 2020. Die erste Corona-Welle war abgeflaut. Viele sagten aber schon die zweite Corona-Welle für den Herbst voraus, und meinten, dass es dann wieder zu heftigen Börsenturbulenzen kommen müsste. Tatsächlich lag es damals förmlich in der Luft, dass die Corona-Pandemie noch nicht ausgestanden war. Damals kündigte sich tatsächlich ein neuer Corona-Crash regelrecht an. Nur ist er eben nicht eingetreten. Wer damals im Sommer beispielsweise massiv aus Aktien in Cash oder Anleihen umgeschichtet hätte, weil man ja einen weiteren Corona-Crash förmlich „riechen“ konnte, der hätte sehr viel Geld verloren.

Es ist eben ein Irrtum zu glauben, dass sich Crashs irgendwie ankündigen würden oder dass es Vorzeichen dafür gibt, die man nur verstehen können muss. Und faktisch kostet dieser Irrtum den Anlegern regelmäßig viel Geld.

Konsequenzen werden falsch gezogen

Und selbst wenn (zufälligerweise) im August tatsächlich aufgrund des China-Abschlussreports des US-Geheimdienstes die Börse in Turbulenzen geraten wird, wer sagt denn dass das dann genau so vonstatten geht, wie der Vermögensverwalter meint? Er versucht sich ja dadurch zu schützen, dass er Chinesische Investments abbaut und Gold-Positionen ausweitet. Möglicherweise kommt es aber ganz anders. Möglicherweise fallen chinesische Werte zwar kurzfristig, erholen sich dann aber wieder schnell; möglicherweise fällt Gold sogar und amerikanische oder europäische Aktien fallen stärker als die chinesischen.

Also selbst, wenn der Vermögensverwalter recht hat, dann ist immer noch die Frage, ob er die richtigen Investitionsschlüsse aus seiner korrekten Prognose zieht. Auch das kommt bemerkenswert häufig vor. Ich kannte einmal jemanden, der im Vorfeld eine Presse-Konferenz von Siemens fest davon überzeugt war, dass der Siemens-Vorstand negative Neuigkeiten verkünden würde und er deckte sich deswegen vorher mit Siemens-Putoptionen ein, um an der fallenden Siemens-Aktie Geld zu verdienen. Tatsächlich räumte der Siemens-Vorstand damals eine schlechte Geschäftsentwicklung ein, aber was machte der Siemens-Kurs? Er stieg.

Der Ökonom John Maynard Keynes war sich sicher, dass Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg in eine große Inflation schlittern würde und er wettete mit seinen Investments entsprechend. Wir wissen, dass Keynes recht hatte, und dennoch hat er – trotz seiner richtigen Prognose – fast all sein Geld verloren.

Die Unterscheidung von vorübergehenden und dauerhaften Wertverlusten ist sinnlos

Der Vermögensverwalter meinte ja, dass es ein Unterschied sei, ob Aktien nur kurzfristige Wertschwankungen hätten oder einen dauerhaften Substanzwertverlust hinnehmen müssten. Auch das kann man ausschließlich im Nachhinein erkennen. In Crash-Situationen gehen viele Anleger davon aus, dass etwas geschehen ist, dass man bestimmte Aktien dauerhaft niedriger bewerten muss. Genau deswegen entsteht ja der Crash. Würden die meisten wissen, dass es nur vorübergehende Wertschwankungen sind, dann würden die Anleger ja nicht bei einem Minus von 30 Prozent und mehr verkaufen. Der Crash tritt auf, weil eine Mehrheit von Anlegern von einem dauerhaften Substanzwertverlust ausgeht.

Insofern ist die Unterscheidung des Vermögensverwalters einfach erst einmal unsinnig. Sie ist immer nur und ausschließlich nach einigen Jahren in der Retroperspektive erkennbar, nicht aber in der Crash-Situation selbst. Das ist eine Illusion.

Alles in allem suggeriert der Vermögensverwalter Dinge zu wissen, die man nicht wissen kann. Er will einem weiß machen, dass er a) als einiger der wenigen einen Crash schon jetzt drei Monate vorher erkennen kann. Er suggeriert b) zu wissen, wie man in dem prognostizierten Crash handeln soll, obwohl das heute keiner wissen kann. Und er glaubt wissen zu können, wann es sich bei einem Crash um nur vorübergehende Kursschwankungen handelt, die man einfach aussitzen kann, oder um einen dauerhaften Substanzwertverlust, obwohl das niemand wissen kann. Möglicherweise kann er Kunden gewinnen, indem er eine solche Schein-Expertise vorträgt, tatsächlich aber ist das eine der sichersten Methoden, um Kundengelder schlecht anzulegen.

Jedenfalls halte ich das geschilderte „synthetische Risikomanagement“ für nicht zielführend. Es kann schon sein, dass man auf diese Weise den einen oder anderen Glückstreffer haben wird, aber auf lange Sicht wird der Anleger so mit Sicherheit unterdurchschnittliche Renditen erzielen. Wie man meiner Meinung nach das Risiko managen sollte, werde ich in einen meiner nachfolgenden Beiträge darlegen.

Der Spiegel hat das Buch „Factfulness“ von Hans Rosling als Bestseller ausgezeichnet. Der Untertitel lautet: „Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“. Rosling zeigt, wie sich die große Mehrheit von uns systematisch ein falsches Bild von der Welt macht, sowohl bezogen auf wichtige vergangene Entwicklungen als auch bezogen auf all das, was Experten über unsere Zukunft wissen.

Einer der Gründe für unser verzerrtes Weltbild ist etwas, was Rosling „Instinkt der Negativität“ nennt. Um diesem Instinkt entgegenzutreten, rät er unter anderem folgendes (S. 94):

  • „Gute Nachrichten sind keine Nachrichten. Über gute Entwicklungen wird fast nie berichtet. Nachrichten sind gewöhnlich schlecht. Wenn Sie schlechte Nachrichten bekommen, fragen Sie sich, ob ähnlich positive Nachrichten Sie auch erreicht hätten.
  • Allmähliche Verbesserungen sind keine Nachricht. Wenn sich eine Entwicklungstendenz langsam und allmählich verbessert und dabei zeitweilige Rückschläge auftreten, werden Sie diese Rückschläge eher wahrnehmen als die allgemeine Verbesserung.“

Dies kann man eins zu eins auf Aktien übertragen. Einige Menschen sind skeptisch gegenüber dieser Anlageform, sie haben regelrecht Angst davor. Und warum? Weil man normalerweise die langsame Aufwärtstendenz an der Börse nicht mitbekommt. Die Kurse steigen langsam und allmählich. Und selbstverständlich ist es keine Nachricht, darüber zu berichten, dass beispielsweise innerhalb eines halben der DAX um 5% gestiegen ist.

Passiert hingegen etwas massiv Negatives, z.B. wenn der DAX in ein paar Tagen um 10% fällt, dann kann das jeder in den Schlagzeilen lesen. Die allgemeine Berichterstattung über das Börsengeschehen konzentriert sich definitiv auf Crash-Ereignisse, nicht aber auf die langsamen und allmählichen Wertsteigerungen.

Sieht man aber genauer hin, dann bringen die langen, unspektakulären Aufwärtsphasen deutliche mehr Rendite als durch einen einen darauffolgenden Crash wieder vernichtet wird. Ich gebe hier einmal die Wertentwicklung eines gemischten Investmentfonds wieder, der 17% in Anleihen investiert und den Rest in Aktien.

Aufgrund der Übergewichtung von Aktien hatte dieser Fonds im März 2021 infolge der Corona-Krise etwa 25% Kursverlust. Ja, das war ein starker Abwärtsschwung, und das nur innerhalb weniger Wochen. Selbstverständlich bekam auch die breite Öffentlichkeit diese Börsenturbulenzen mit, es wurde ja fleißig darüber berichtet. Ich kann mich noch an solche Aussagen erinnern, wie: „Es wird mindestens 5 Jahre dauern, bis dieser Verlust wieder wettgemacht sein wird.“

Wie lange hat es tatsächlich gedauert? Nicht einmal 6 Monate. Trotz des Crashs stand dieser Fonds am Ende des Jahres 2021 mit einem Plus von 3,4% da. Das wiederum ist natürlich keine Meldung wert. Auch nicht, dass wer Anfang 2019 in diesen Fonds eingestiegen ist bis heute fast +30% Rendite erzielt hat – und das (wie gesagt) trotz des Crashs.

Hier noch weitere Jahresrenditen dieses Wertpapiers:

  • 2013:+10,6%
  • 2014: +8,6%
  • 2015: +5,3%
  • 2017: +6,0%
  • 2018: -9,0%

Also: über Jahre hinweg schöne Anstiege. Und dann einmal ein größeres Minus. Und was bekommen die meisten Anleger mit? Naja, dass es Ende 2018 Börsenturbulenzen gab, was mal wieder als Beweis dafür angesehen wird, dass Aktien zu riskant sind und man besser die Finger von ihnen lassen sollte.

Das, was Hans Rosling, den Instinkt der Negativität nennt, hält viele Menschen davon ab, ihr Geld vernünftig anzulegen.

In der Süddeutschen Zeitung vom 20.08.2020 hat Harald Freiberger einen Artikel geschrieben mit dem Titel „Helden für einen Tag“. Darin geht es um Crash-Propheten wie beispielsweise Mark Friedrich/Matthias Weik, Max Otte oder Dirk Müller. Ich werde im Rahmen meiner Vermögensberatung immer wieder auf diese Autoren und deren Bücher angesprochen.

Sie führen in Ihren jeweiligen Werken Argumentationsketten aus, die plausibel klingen und zu dem (scheinbar) unausweichlichen Schluss kommen, dass ein nächster großer Börsencrash, vielleicht sogar der Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems unmittelbar bevorsteht.

Überhaupt habe ich den Eindruck, dass derzeit viele Menschen besonders anfällig sind für Weltuntergangsszenarien. Vielleicht ist das noch eine Spätfolge der Finanzkrise 2008/2009 gefolgt von der Euro-Krise 2010, dass viele Menschen dem Finanzsystem gegenüber skeptisch sind. Ich weiß jedenfalls gar nicht mehr, wie häufig ich nach einem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch von Währung, Börse, Banken, Staaten etc. angesprochen worden bin. Und zwar seit Jahren.

Die genannten Crash-Propheten nehmen diese vage allgemeine Stimmung offenbar auf, schüren sie vielleicht noch an – letztlich aber im Eigeninteresse. Zum Teil geht es darum, Bücher in hoher Auflage zu verkaufen. Andererseits managen Max Otte und Dirk Müller jeweils eigene Investmentfonds.

Klar. Wer den Leuten nach den Mund redet, verkauft sein Produkt gut. Manchmal ist aber genau jener ein guter Vermögensberater, der eine Gegenposition zur allgemein kursierenden Meinung vertritt. Das verkauft sich vielleicht schlechter, ist aber ehrlicher und ist auch mehr im Sinne der Anleger. So jedenfalls meine Meinung.

Nun ist der Corona-Crash vom März/April 2020 sicherlich durch keinerlei ökonomische Analyse vorher erkennbar gewesen. Dennoch passt diese Entwicklung natürlich gut ins Bild jener Crash-Propheten. Und selbstverständlich ist von Investmentfonds, die explizit gegen Crashs schützen sollen, zu erwarten, dass sie das dann auch tun, wenn es kracht.

Harald Freiberger schreibt in seinem Artikel:

„Der ‚Wertefonds‘ der Autoren Friedrich und Weik versucht, das Geld der Anleger vor dem prophezeiten Zusammenbruch des Geldsystems mit Sachwerten zu schützen. …  Da Edelmetalle im Corona-Crash ebenfalls litten, verlor der Wertefonds … von 19. Februar bis 23. März dieses Jahres 18,8 Prozent.“

Offenbar konnten Friedrich und Weik nicht wirklich vor dem Corona-Crash schützen. Allerdings hatten sie natürlich nicht Corona im Sinne, sondern den vermeintlichen Zusammenbruch des Geldsystems. Man könnte argumentieren, dass das ja zwei verschiedene Paar Stiefel seien.

Bezogen auf Max Otte schreibt Harald Freiberger:

„Ottes ‚Vermögensbildungsfonds‘ ist ein reiner Aktienfonds… Der Fonds verlor im Corona-Crash von 19. Februar bis 23. März 31,9 Prozent. Mittlerweile steht er noch mit 6,9 Prozent im Minus. Seit der Einführung im Juli 2013 stieg der Fonds um 41,1 Prozent im Wert – der Aktienindex MSCI AC World um 63,9 Prozent.“

Naja, was hier genau das Unterscheidungskriterium von anderen Aktienfonds sein soll, und warum der Fonds von Max Otte im Falle eines Crashs besonders gut sein soll, erschließt sich mir nicht.

Fehlt noch Dirk Müllers Fonds „Dirk Müller Premium Aktien“. Hierüber schreibt Harald Freiberger:

„Um den Fonds vor Kursverlusten zu schützen, geht Müllers Fonds Absicherungsgeschäfte ein. Diese Strategie ging im Corona-Crash auf. Der Fonds legte von 19. Februar bis 23. März, als die Börsen um 30 bis 40 Prozent einbrachen, im Wert um 5,4 Prozent zu. Die Absicherungsgeschäfte hatten die Kursverluste mehr als wettgemacht.“

Im Gegensatz zu Max Otte, Friedrich oder Weik, konnte Dirk Müller tatsächlich gegen deutliche Kursverluste schützen. Allerdings schreibt Freiberger weiter:

„Doch seine Strategie hat eine Kehrseite: Die Absicherungsgeschäfte kosten Rendite, wenn die Aktien steigen. So verlor Müllers Fonds seit 23. März 9,7 Prozent – obwohl der Aktienindex MSCI AC World in diesem Zeitraum um 44,4 Prozent zulegte. Müllers Strategie funktioniert zwar im Crash, aber nur dann – wie eine stehen gebliebene Uhr, die zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt. In der Erholungsphase nach dem Corona-Crash haben die Anleger, die ihm in Massen zugeströmt sind, viel Geld verloren.“

Exakt hier sehe ich auch das große Problem. Ich möchte nicht wissen, wie viele Anleger zunächst in der ersten Phase der Corona-Krise im März/April sehr viel Geld verloren haben, indem sie herkömmliche Aktienfonds verkauften, um sie in den Dirk Müller-Fonds umzuschichten. Danach ging das Verlieren aber gleich weiter. Denn obwohl die Aktien wieder zulegten, verlor der Dirk Müller deutlich an Wert.

Leider passiert das Anlegern immer und immer wieder, dass sie versuchen, einem bereits abgefahrenen Zug aufzuspringen. Der Dirk Müller-Fonds konnte wirklich in der ersten Crashphase nicht nur den Wert erhalten, sondern sogar Gewinne erzielen. Also, so meinen viele Anleger, ist es eine gute Idee schnell umzuschichten nach dem Motto: Einmal gut, immer gut. Und letztlich trafen sie damit eine Fehlentscheidung.

Wer kein Risiko will, ist letztlich mit Tagesgeld oder Staatsanleihen am besten beraten. Sobald man aber mehr Renditen haben möchte, ist man bereits im Risiko. Und Risiko bedeutet, dass auch einmal Verluste auftreten können. Wichtig dabei ist, nur „vernünftige“ Risiken einzugehen, indem man gut streut. Daher halte ich hier Aktien-ETFs letztlich für die beste Wahl. Und dann ist natürlich entscheidend, einen langen Anlagehorizont zu haben. Hat man diesen, dann kann man jede Kurskorrektur ohne weiteres einfach aussitzen. Und irgendwelche Absicherungsstrategien sind unnötig.

Wir haben im Laufe dieses Jahres einen Konjunkturrückgang um etwa 10% aufgrund von Corona. Das ist wirklich enorm. Wie es künftig weitergehen wird, kann niemand sagen. Es gibt Leute, die mit einer zweiten Infektionswelle rechnen und damit, dass dann noch einmal die Wirtschaft stark zurückgehen wird. Ja, das könnte passieren. Es könnte aber auch sein, dass bereits im Herbst erste Impfstoffe auf dem Markt sind und die Corona-Krise dann sozusagen vorbei ist.

Siehe z.B. den Beitrag aus dem ZDF heute journal: „Corona-Impfstoff bald verfügbar?

Es ist nur so: Die wirtschaftliche Entwicklung ist eine Sache, die Entwicklung an den Aktienmärkten ist eine andere Sache.

Trotz der Corona-bedingten Wirtschaftskrise sind die Aktienkurse seit April massiv gestiegen. Alleine der DAX ist seit seinem Tiefpunkt bis heute über 40 % gestiegen. Mit einem gut gestreutem ETF-Portfolio hat man in dieser Zeit ohne weiteres Renditen von 25% erzielen können. Interessant ist auch folgendes: Wer beispielsweise im Januar 2019 sein Geld in Aktien oder ein ETF-Portfolio investiert hat, hat bis heute, als auf Sicht von etwa 1,5 Jahren, ohne Weiteres eine Rendite von etwa 15 % erzielt – trotz Corona-Krise.

Eines muss auch klar sein. Aktieninvestments sind nie eine „sichere“ Geldanlage, sondern immer risikobehaftet. Starke Kursschwankungen sind für Aktieninvestments nicht die Ausnahme, sondern normal. Ich sehe auch nicht, dass Aktien derzeit „riskanter“ oder „weniger sicher“ sind als zu anderen Zeiten. Manchmal wird man – rein subjektiv – durch die aktuelle Kursentwicklung oder Wirtschaftssituation erschreckt, manchmal scheint alles ruhig zu sein.

Man könnte das vielleicht mit dem Meer vergleichen. Nur weil das Meer gerade ruhig ist, heißt es nicht, dass nicht in einer Stunde ein schwerer Sturm auf der See wütet. Oder umgekehrt: Wenn es gerade stürmisch ist auf See, heißt es nicht, dass sie sich nicht irgendwann wieder beruhigen wird. Das Meer ist für den Seefahrer immer gleichermaßen riskant und er darf sich nicht durch den äußeren Schein täuschen lassen.

Wer also in Aktien investiert begibt sich – um im Bild zu bleiben – auf hohe See. Und da besteht immer das Risiko, dass es mal stürmisch wird. Wer davor Angst hat, sollte von vornherein nicht zur See fahren. Andererseits sind die Renditen hier eben deutlich höher. Wer Sicherheit will, bekommt derzeit ungefähr 0,00 % Rendite. Wer mehr will, ist sofort im Risiko. Anders geht es leider nicht. Das macht aber nichts aus, wenn man einen langen Zeithorizont hat, um schwere Zeiten einfach aussitzen zu können. Netterweise kann man auch hier die Meer-Analogie verwenden. Je weiter die Küste weg ist, umso leichter kann man sich in einen Sturm im Boot einfach treiben lassen. Je näher die Küste ist, umso gefährlicher ist schwere See.

Ich denke, ich lasse das jetzt mal mit der Meer-Analogie.

Was in keinem Fall bei Aktien funktioniert sind Timing-Versuche. Also die Idee, bei schlechten Zeiten auszusteigen, abzuwarten und dann, wenn sich wieder alles „beruhigt“ hat, wieder einzusteigen. Das klappt wirklich überhaupt nicht. Ich habe z.B. einen Kunden, der am 4.3. (also etwa 2 Wochen bevor es mit Corona so richtig losging), das richtige Gespür hatte und mich anwies, all seine Fondsanteile zu verkaufen. Ab dem 18.3. kam der große Crash und dieser Anleger konnte sich freuen, dass er die vehemente Abwärtsbewegung nicht mitmachen musste. Er ist seitdem aber auch nicht wieder eingestiegen, und heute ist der Kurs etwa 1% höher im Vergleich zu seinen Verkaufkurs. Würde er heute wieder einsteigen, dann hätte er durch seine Aktion 1% Verlust gemacht. Er hatte zwar sozusagen das richtige Näschen, und dennoch hat ihm das Aussteigen bis heute nichts gebracht, bzw. hat ihm sogar Rendite gekostet.

Noch schlimmer erging es anderen Kunden von mir, die wirklich genau zum Tiefpunkt im März verkauft haben. Auch sie meinten, erst zu verkaufen, um dann später zu einem günstigeren Zeitpunkt („wenn sich alles beruhigt hat“) wieder einzusteigen. Diese Kunden liegen inzwischen  etwa 25% hinterher. Das heißt, wären sie einfach drin geblieben, hätten sie heute 25% mehr Vermögen. Was viel ist.

Ich kann nur davor warnen, gerade dann, wenn an der Börse die Panik ausgebrochen ist, zu verkaufen. Das geht so gut wie immer schief. Schlau ist, wer in einer solchen Situation auf der Käuferseite steht. Dazu gehören aber gute Nerven.

Und ich warne ganz inständig vor Timing-Versuchen. Ich besitze inzwischen 30 Jahre Praxis-Erfahrung an den Kapitalmärkten. Und ich habe es in 99,9% der Fälle erlebt, dass Anleger mit ihren Timing-Versuchen gescheitert sind. Ich weiß, dass man manchmal „so ein Gefühl“ hat, dass es eigentlich mit den Aktien nur nach unten gehen müsste. Und es erscheint dann als gute Idee, einfach mal zu verkaufen und abzuwarten. Sollte man tatsächlich recht haben, so kann man ja – so das Kalkül – zu niedrigeren Kursen wieder einsteigen.

Hier sind nun im Wesentlichen zwei Szenarien möglich.

a. Die Kurse steigen wider Erwarten. Dann wird der Anleger eine sehr schlechte Zeit haben und unter Umständen irgendwann später zu höheren Kursen wieder einsteigen. Oder gar nicht mehr.

b. Die Kurse fallen tatsächlich. Dann wird es aber für den Anleger sehr schwer sein, den richtigen Wiedereinstiegszeitpunkt zu finden. Und es ist sehr, sehr häufig so dass der beste Zeitpunkt verpasst wird, die Börse wieder dreht und schließlich die Kurse wieder höher sind als zum Verkaufzeitpunkt. Die psychische Belastung in dieser Zeit ist nicht zu unterschätzen.

Ich meine, dass es eine strategische Entscheidung ist. Entweder will man kein Risiko, dann sollte man ganz aus dem Aktienmarkt aussteigen und sich mit Tagesgeldrenditen begnügen. Das ist kann durchaus sinnvoll sein, wenn man zur Erreichung seiner Anlageziele keine hohen Renditen braucht. Oder man braucht eben hohe Renditen, dann sollte man aber in Aktien investiert bleiben egal was passiert. Und – bitte! bitte! bitte! – auf Timing-Versuche verzichten. Das klappt sowieso nicht.

Seit einigen Wochen höre ich fast allen Anlegern und auch von einigen Vermögensberatern, mit denen ich spreche folgendes: Ja, die Aktienkurse steigen zwar gerade, aber wenn erst das volle Ausmaß der Corona-Krise klar wird, dann werden die Kurse wieder fallen. Nicht wenige rechnen mit einem regelrechten Crash, den sie dann für den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den Aktienmarkt nutzen möchten.

Vielleicht kommt dieser Crash ja auch, letztlich weiß ist es nicht und letztlich kann es niemand wissen. Tatsache aber ist, dass die Aktienkurse derzeit wider Erwarten der allermeisten steigen, steigen und steigen.

Und meine Erfahrung ist, je sicherer sich die große Mehrheit der Anleger und Vermögensberater mit einem bestimmten künftigen Szenario sind, umso wahrscheinlich ist es, dass es nicht eintritt.  In der Vergangenheit hatten wir das immer und immer wieder. Bemerkenswert häufig kann man die Mehrheitsmeinung als guten Konterindikator verwenden.

Die Frage ist natürlich, warum das so ist. Ich denke, dass Mehrheitsmeinungen nichts Überraschendes mehr haben. Wenn die meisten Anleger mit negativen Zahlen in der näheren Zukunft rechnen, dann ist es ja nicht mehr überraschend, wenn dann tatsächlich die Zahlen schlecht sind. Vielmehr hat man dann häufig den gegenteiligen Effekt, nach dem Motto: Ja, die Zahlen sind sehr negativ, aber nicht so schlimm wie gedacht. Ergo werden den Kurse steigen – trotz schlechter Nachrichten.

Schlechte Börsennachrichten, die jeder erwartet, werden in der Regel keine Kursverluste an den Aktienmärkten zur Folge haben. Das tun vor allem schlechte Zahlen, die überraschend und unerwartet kommen.

Genau in diese Richtung weist eine Meldung, die heute veröffentlicht wurde:

„Daimler verzeichnet im zweiten Quartal zwar einen Milliardenverlust – Analysten hatten min einem noch schwächeren Ergebnis gerechnet. Das sind erste Anzeichen einer Markterholung, selbst wenn es für Daimler noch viel zu tun gibt.“

Und prompt ist heute die Daimler-Aktie um fast 2% gestiegen. Das klingt ja zunächst paradox: Daimler meldet einen Milliardenverlust (Milliarden!). Und was macht die Aktie? Sie steigt. Und die Erklärung ist natürlich, dass die Mehrheit noch schlechtere Zahlen erwartet hat.

Wie gesagt. Nicht schlechte Nachrichten als solche beeinflusst das Börsengeschehen, sondern je nachdem, ob sie das Moment der Überraschung haben. Das ist vielleicht eine Erklärung dafür, warum die Mehrheitserwartung so häufig eben gerade nicht eintritt.

Übrigens ist es für einen Vermögensberater besonders schwer gegen den Strom zu schwimmen. Denn die meisten Finanzdienstleister wollen letztlich Finanzprodukte verkaufen. Man verkauft aber umso leichter, je mehr man auf der Linie des allgemeinen Trends liegt. Wenn beispielsweise gerade alle Gold toll finden (weil Gold vielleicht gerade ein, zwei Jahre an Wert gewonnen hat), dann tun sich Finanzberater leicht, irgendwelche „Gold-Fonds“ oder „Gold-Zertifikate oder sonst etwas, das irgendwie mit Gold zu tun hat, zu verkaufen. Man wird ja von den Anlegern regelrecht darauf angesprochen.

Eine Finanzdienstleister mit Rückgrat tut sich hier hingegen schwerer. Er müsste gerade vor Mehrheitsmeinungen warnen, im Interesse der Anleger. Das führt aber zu kontroversen Diskussionen zwischen Vermögensberater und potenziellem Kunde.

Der typische Bankberater hingegen preist immer gerade das an, was im Trend liegt. Und das hat langfristig eher unterdurchschnittliche Ergebnisse zur Folge und eher enttäuschte Anleger.

In Folgen der Corona-Krise will die EZB für 750 Mrd Euro Anleihen an den Kapitalmärkten kaufen, um so mehr Geld in Umlauf zu bringen (Siehe SZ-Beitrag). Für das Gesamtjahr 2020 rechnen Ökonomen mit einem wirtschaftlichen Rückgang um mehr als 6% in Deutschland (siehe Deutschlandfunk-Beitrag), was der größten Einbruch seit 1945 bedeuten würde.

Pessimistische Zukunftsaussichten wegen der Corona-Krise

Kein Wunder, dass sich Anleger derzeit düstere Zukunftsaussichten ausmalen. Nicht wenige halten mittelfristig eine höhere Inflation im Euro-Raum für wahrscheinlich. Und obwohl in den Wochen seit den Tiefständen am 18.3.2020 bis heute (4.5.) um etwa 24% wieder gestiegen sind, glauben einige an einen erneuten dramatischen Abschwung der Aktienkurse. Das Argument dafür ist: Jetzt im Moment ist der wirtschaftliche Schaden der Corona-Pandemie noch nicht genau bezifferbar, – sobald das aber klar ist, dann müssten die Börsen wieder stark fallen. 

Ohne Zweifel wird die EZB alles in ihrer Macht stehende tun, um die Krise abzufedern. Folgt daraus notwendigerweise, dass wir in nächster Zeit eine hohe Inflation zu erwarten haben?

Die Macht der EZB wird überschätzt

Wie so oft, wird der Einfluss der EZB auf das Geldmengenwachstum überschätzt. Die EZB kontrolliert nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Geldmenge, der große Rest der Geldmenge sind Kredite von Privatbanken an Unternehmen. Und eines ist ziemlich klar: Im Zuge der Krise werden Banken zurückhaltender mit der Kreditvergabe an Unternehmen sein. Wer gibt in der aktuellen Situation beispielsweise einem Hotel einen Kredit? Das heißt: Die Zeichen stehen derzeit eigentlich auf Rückgang der Geldmenge und somit sieht tendenziell alles eher nach einem Deflationsszenario aus.

Überhaupt bedeutet Wirtschaftskrise so gut wie immer Deflation und nicht Inflation. Dass das aktuell der Brennpunkt ist sieht man auch daran, dass die Aktien gefallen sind (Geld also mehr wert geworden ist) und auch der Immobilienmarkt scheint zurückzugehen (also auch hier wird man mehr Immobilie für sein Geld bekommen, Geld ist also wertvoller).

Die Mehrheit liegt meistens falsch

Selbstverständlich kann sich das alles ändern. Dass die Dinge aber so klar und einfach sind: Höhere Verschuldung der Staaten wegen der Corona-Krise, ALSO Inflation. Das ist wirklich viel, viel zu simpel. Ich weiß, dass das derzeit viele glauben. Aber ehrlich gesagt ist das ein weiteres Indiz dafür, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit genau nicht so kommen wird.

Es ist immer dasselbe. Beispielsweise waren sich im Januar 2019 wirklich alle Analysten einig und viele Privatanleger folgten dieser Einschätzung, dass 2019 ein sehr schwieriges Börsenjahr werden würde mit rückläufigen Aktienkursen. Wer damals entsprechend disponiert hat, hat die gigantischen Kursgewinne des Jahres 2019 nicht mitgemacht. Interessanterweise kippte die Stimmung der großen Mehrheit etwa ab Dezember 2019 ins Positive, gerade rechtzeitig, damit alle, die vorher die Kursgewinne nicht mitgemacht haben, jetzt ihr Geld mit der Corona Krise verlieren konnten.

Die große Mehrheit liegt bei Kapitalmarktprognosen so gut wie immer falsch. Man kann das direkt als Konterindikator verwenden. Aus meiner 30-jährigen Erfahrung an den Kapitalmärkten kenne ich dutzende Geschichten von Fehleinschätzungen.

Beispielsweise besuchte ich in 2007 eine Konferenz, bei der die Top-Volkswirte der deutschen Großbanken Vorträge hielten. Nicht einer sah die aufziehende Finanzkrise voraus. Kaum aber war sie da, überschlugen sie sich mit Negativprognosen für das Jahr 2009. Und was passierte? Das Jahr 2009 endete mit etwa 10% Plus.

Naja, ob der Aktienmarkt noch einmal in den Crash-Modus kommen wird, das kann natürlich niemand sagen. Jedenfalls niemand Seriöses. Klar ist nur folgendes:

Wenn man in Aktien investiert, dann sollte man das bitte nur tun, wenn man einen Anlagehorizont von mindestens 5 Jahren hat, am besten noch länger. Wenn man aber einen langfristigen Anlagehorizont hat, dann brauchen einen kurzfristige Marktbewegungen oder Crashs eigentlich gar nicht zu interessieren, weil man ja die Zeit hat, schlechte Zeiten auszusitzen. Hat man die Zeit aber nicht, so war es von Anfang an falsch in Aktien zu investieren.

Ein Kardinalfehler der meisten Menschen bei der Einschätzung der Börsenentwicklung besteht darin, dass immer und immer wieder einfache Kausalitäten angenommen werden. Nach dem Motto: Aus weiteren schlechten wirtschaftlichen Meldungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise FOLGT NOTWENDIGERWEISE ein weiterer Kursverfall.

So einfach funktioniert aber Börse nicht. Die Börse reagiert meist extrem negativ a) auf Unerwartetes und b) auf nicht klar definiertes Negatives. Corona ist inzwischen keine negative Überraschung mehr, man hat sich mehr oder weniger daran gewöhnt, daher wüsste ich nicht, wie hier ein neuer Crash kommen sollte. Es sei denn natürlich es geschieht in der nächsten Zeit etwas stark Negatives, mit dem bisher keiner gerechnet hat.

Aber im Moment sagen ja alle: Corona hat ganz schlimme wirtschaftliche Folgen. Ja, aber daran ist nichts Überraschendes mehr.

Was die Märkte wirklich erschreckt

Und das Schlimme im März war eben, dass eine Krise kam, keiner aber die negativen Folgend klar abschätzen konnte. Dann fällt die Börse. Sobald aber die Zahlen klar sind, und seien sie noch so negativ. Alleine dadurch dass es sich um konkrete Zahlen handelt und nicht mehr Mutmaßungen und dunkle Befürchtungen, wird es keinen allzu negative Wirkung auf die Märkte haben. Die Märkte „hassen“ Ungewissheit und Unklarheit. Gewissheit und Klarheit, selbst wenn sie sich auf negative Zahlen beziehen, haben meist steigende Kurse zur Folge.

Meiner Auffassung nach ist es ein Fehler, bei der Geldanlage ausschließlich auf Aktien bzw. Aktienfonds (oder natürlich Aktien-ETFs) zu setzen. Man erhält so ein nicht wirklich optimal strukturiertes Wertpapier-Portfolio. Und zwar optimal im Sinne eines guten Risiko-Rendite-Verhältnisses.

Viele Anleger verstehen nicht, wie wichtig eben dieses Risiko-Rendite-Verhältnis ist. Fast immer wird alleine auf die Rendite gesehen. Vergleicht ein Privatanleger zwei Fonds, dann geht es fast immer darum, welcher der beiden in einem bestimmten Zeitraum den höheren Wertzuwachs hatte.

Wie kurzsichtig diese Sichtweise ist, sieht man vielleicht an folgendem Extrembeispiel. Manchmal ist es gut, sich die Dinge anhand von Extremen klar zu machen. Nehmen wir einen Anleger A, der am 01.07.2005 ein Vermögen von insgesamt 100.000 Euro hat. Er überlegt sich, ob er dieses Geld in einen DAX-ETF gibt oder alles in die Adidas-Aktie. Da er sehr optimistisch ist, was die Adidas-Aktie betrifft, investiert er seine gesamten 100.000 Euro in diese eine Aktie. A hatte mit seiner Einschätzung recht und erzielte mit Adidas bis zum 31.12.2019 eine Rendite von 15,6% p.a. Aus seinen anfänglichen 100.000 Euro sind bis dahin 819.000 Euro geworden.

A ist deswegen der Überzeugung, dass es genau richtig war, alles auf diese eine Karte Adidas zu setzen, und auf eine Risikodiversifikation mittels eine DAX-ETFs zu verzichten. A verkennt aber, dass er schlicht Glück hatte. Auch wenn im Nachhinein alles gut gegangen ist, war es auch schon in 2005 falsch all sein Geld auf nur eine Aktie zu setzen. Das Totalverlustrisiko ist einfach viel zu hoch. Und ich denke, dass die allermeisten Anleger mir darin folgen, dass ein solche extrem einseitiges Investment ohne jegliche Risikostreuung unvernünftig ist.

Dass das so ist, sieht man auch an der jüngsten Entwicklung von Adidas. Nehmen wir an, A hätte seinem Freund Anfang 2020 empfohlen, auch alles auf Adidas zu setzen, dass hätte dieser Freund bis Ende März 2020 einen Verlust von -47% erlitten.

Rendite ist nicht alles. Das müsste eigentlich klar sein. Es kommt immer auch darauf an, mit welchem Risiko man eine bestimmte Rendite erzielt hat. Aus diesem Grunde halte ich eine Beimischung von Staatsanleihen-ETFs für sinnvoll. Man kann hier keine großen Renditen erwarten. In Crash-Zeiten hat man hier aber Sicherheit und eine Art Liquditätsreserve, – und zwar um nachkaufen zu können.

Wer nur Aktien-ETFs hat, ist in dramatischen Börsenzeiten normalerweise unfähig zu handeln. Hat man hingegen z.B. in Form von Renten-ETFs eine Reserve, dann kann man diese nutzen, um günstig neu einzusteigen.

Wie sinnvoll dies ist, zeigt das nachfolgende Rechenbeispiel. Nehmen wir einen Anleger B an, der seine 100.000 Euro so aufteilt: 50.000 Euro DAX-ETF, 50.000 Euro Renten-ETF. Nehmen wir nun eine Börsensituation an, in der der Index zunächst 20% fällt, während die Renten im Prinzip unverändert bleiben. Das DAX-ETF von B ist jetzt also nur noch 40.000 Euro wert und das Renten-ETF steht nach wie vor bei 50.000 Euro.

B beschließt nun, ein Rebalancing durchzuführen. Er hat mit einer Aktien-Renten-Quote von 50%/50% gestartet und hat jetzt aufgrund der Börsenlage eine Ist-Quote von 44,4%/55,6%. Um die ursprüngliche Quote wiederherzustellen verkauft er für 5000 Euro Renten-ETFs, um von diesem Betrag das DAX-ETF nachzukaufen.

Nach dem Rebalancing hat B also 45.000 Euro im DAX-ETF und 45.000 Euro im Renten-ETF.

Nehmen wir schließlich an, dass sich die Börsenlage wieder komplett normalisiert. D.h. der DAX ist wieder bei seinem anfänglichen Niveau. Das bedeutet, dass er 25% gestiegen ist (nicht 20%, sondern 25%, denn man rechne 100->80->100).

Die Aktienposition von B wird damit 56.250 Euro wert sein und der Renten-ETF nach wie vor unverändert bei 45.000 Euro. Insgesamt wird B somit, nach der Börsenerholung, ein Vermögen von 101.250 Euro haben. Das sind 1250 Euro mehr als am Anfang.

Das heißt: Obwohl der DAX nach dem Crash nur seinen ursprünglichen Wert wieder erreicht hat, hat B mittels des Rebalancing einen Gewinn von 1250 Euro gemacht. Hätte B all sein Geld nur in den DAX-ETF investiert, hätte er während des Crashs keine Liquidität zum Nachkaufen gehabt. Er hätte keine Rebalancing durchführen können, und wäre am Ende der Erholung einfach wieder bei +/- Null. Kein Gewinn, kein Verlust. Durch das Rebalancing konnte er aber einen Gewinn erzielen.

Meiner Meinung nach sorgt ein ausgewogenes Portfolio mit Rebalancing nicht nur zu einer besseren Risikostruktur. Es führt gerade auch in Krisensituationen zu klaren Zusatzerträgen – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass sich die Dinge irgendwann wieder normalisieren.

Aktuell durchleben wir sehr turbulente Börsenzeiten. Aufgrund der Angst vor dem Corona-Virus sind innerhalb weniger Tage die Aktienkurse zum Teil dramatisch gefallen. Viele Anleger sind ratlos.

Um die aktuellen Ereignisse zu relativieren, hilft es meiner Meinung nach, die historische Perspektive einzunehmen. Fakt ist, dass es in der Vergangenheit schon viele Finanzkrisen und Börsencrashs gegeben hat. Charles Kindleberger hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Manien, Paniken, Crashs“. Darin findet man eine Liste von Zitaten, die Zeitgenossen von Crashs gesagt haben:

  • 1825. Großbritannien: „Die Öffentlichkeit wurde von einer nie da gewesenen Panik erfasst“
  • 1837. USA: „Einer der zerstörerischsten Ausbrüche der Panik, die diese Nation je erlebt hat.“
  • 1847. Großbritannien: „Man kann mit gutem Gewissen behaupten, dass die City (London) seit dem Sturz Napoleons nicht mehr so aufgeregt war.“
  • 1857. Großbritannien: „Die Krise des Jahres 1857 war die schwerste, die England oder eine andere Nation je erlebt hat.“
  • 1857. Hamburg: „Eine so vollständige und klassische Panik hat Hamburg nie zuvor erlebt.“
  • 1866. Großbritannien: „Die Krise des Jahres 1866 war die schwerste der Neuzeit.“
  • 1873. Deutschland: „Die langwierigste Krise seit 56 Jahren.“
  • 1882. Frankreich: „Noch nie habe ich eine solche Katastrophe erlebt.“

Zwei Dinge sind bei dieser Liste bemerkenswert. Erstens handelt es sich um lauter Crashs, die heute die allermeisten Menschen nicht kennen. In der kollektiven Erinnerung haben wir den Crash von 1929, aber wer kennt schon die große Krise von 1857? Oder die Depressionsjahre in Deutschland in den 1870er Jahren?

Zweitens ist bemerkenswert, dass die jeweiligen Zeitgenossen immer die gerade durchlebte Krise für die schwerste hielten, die es überhaupt je gegeben hat. Ob 1825, 1837, 1847, 1857, etc.: Jedes Mal meinten die betroffenen Augenzeugen, dass es jetzt so schlimm sei, wie noch nie zuvor. Fast immer glaubten die Leute auch, dass es sich jeweils um eine so schwere Krise handeln würde, dass davon die weitere wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig gestört wäre.

Übrigens glaubte Karl Marx damals im Jahre 1857, dass die damalige Krise das Ende des Kapitalismus einläuten würde.

Sehr aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind auch die Titelseiten des SPEIGEL:

  • 21/1969: „Währungsverfall“
  • 25/1972: „Staatsbankrott?“
  • 49/1674: „Bleibt die Marktwirtschaft?“
  • 37/1980: „Die fetten Jahre sind vorbei!“
  • 51/1980: „Wie weich ist die DM?“
  • 15/1990: „Die Angst ums Geld“
  • 38/1992: „Der Absturz – Deutschland in der Krise“
  • 4/1993: „Wohlstand, ade!“
  • 42/1998: „Krise global!“

Auch hier wette ich, dass der Großteil der Deutschen heute nicht mehr weiß, was der SPIEGEL 1998 mit „Krise global“ meinte. Waren die 1990er-Jahre nicht die Jahre unglaublicher Aktiengewinne?

Der DAX stand Anfang 1998 beispielsweise bei etwa 5000 Punkten. Wer damals, sagen wir, 100.000 Euro in DAX-Werte investierte, der hätte bis heute (nach allen Crashs) einen Betrag von über 273.000 Euro, was einer Rendite von 4,9% p.a. entspricht. Und das trotz all der Krisen und Crashs, die wir zwischen 1998 und heute erlebt haben.

Hier noch einen sehr langfristigen Chart, der die Wertentwicklung von Aktien, Bonds und Gold von 1802-1992 darstellt (Quelle: „Stocks for the Long Run“ von Jeremy Siegel):

Das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Chart ist, dass man auf lange Sicht selbst den Crash von 1929 nur als keinen Zacken nach unten wahrnimmt.

Und damit kommen wir zum Kern des Problems. Es ist eine Tatsache, dass sich die Aktienmärkte über ein paar Jahre, ich möchte sagen, fast unmerklich gut entwickeln. In einer Aufwärtsphase laufen und laufen die Kurse und die meisten kriegen das gar nicht groß mit. Aber kaum fallen die Kurse, entsteht eine große allgemeine Aufregung, Panik und Angst.

Dramatische Abwärtsphasen sind viel mehr im Bewusstsein der Allgemeinheit als Aufwärtsphasen. Und dabei wird übersehen, dass in den Aufwärtsphasen in aller Regel mehr Rendite geschaffen wird, als hinterher in einer Crashphase wieder verloren geht. Die Kurse steigen beispielsweise erst einmal 30-40%. Aber sobald ein Kursrückgang von 10-20% kommt, ist das Wehklagen groß. Dabei muss man eine solche negative Phase nur aussitzen, damit meistens schneller als gedacht die entstandenen Verluste wieder aufgeholt sind.

Und eigentlich müsste es jedem Anleger klar sein. Irgendwann wird die Sache mit dem Corona-Virus vorbei sein und irgendwann werden die Kurse wieder steigen. Die Frage ist nur, geschieht dies in einer Woche, in einem Monat in sechs Monaten oder in einem Jahr. Die Annahme jedenfalls, dass Corona die Wirtschaft so schädigt, dass wir über sehr, sehr viele Jahre hinweg nur noch negative Kursentwicklungen sehen werden, ist extrem unwahrscheinlich.

Wenn das aber so ist, und man selbst ein langfristiger Anleger ist, dann besteht eigentlich keinerlei Anlass für Sorge. Ja vielleicht hat man jetzt im Moment Verluste, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird das irgendwann wieder überwunden sein. Und dieses „irgendwann“ verliert genau dann seinen Schrecken, wenn man sich selbst als langfristigen Anleger versteht.

Wer hingegen sein Geld auf einen kurzfristigen Zeitraum angelegt hat, ist bei Aktien sowieso falsch aufgehoben.

Ich bin ein großer Fan von ETFs. Zumal es eigentlich keinen Zweifel gibt, dass ein passives Vermögensmanagement mit ETFs dem herkömmlichen aktiven Management überlegen ist. In Fachkreisen und der Wissenschaft herrscht darüber jedenfalls Einigkeit. Hier nur ein Zitat von David Swensen  (dem langjährigen Vermögensverwalter des Yale-Stiftungsvermögens):

„Es existieren Daten, die eindeutig belegen, dass Anleger in aktiv gemanagten Investmentfonds so gut wie sicher enttäuscht werden … Es gibt keinen Zweifel, dass ein aktives Management vom Vermögenswerten keine zufriedenstellenden Ergebnisse für Privatanleger hervorbringt.“

Trotz dieses eindeutigen Befunds werden in der Presse immer wieder kritische Artikel zum Thema ETFs lanciert. Ein Kunde machte mich jüngst auf einen Artikel des WELT-Redakteurs Holger Zschäpitz aufmerksam mit dem Titel „Die Übermacht der Fünf gefährdet die Idee vom neuen Sparen„.

Hier ein paar Zitate aus diesem Artikel:

„Apple, Microsoft, Google, Amazon und Facebook nehmen in fast allen wichtigen Indexfonds eine dominante Stellung ein …

Und das ist vor allem für die Anleger problematisch… Während die Sparer überzeugt sind, in die globale Ökonomie zu investieren, nährt ihr Geld womöglich eine Technologie-Blase. Mehr noch: Ohne es zu wissen, gehen viele Anleger ein Klumpenrisiko ein…

… Bestes Beispiel ist der MSCI All Country World. Der Index wird gern für Sparpläne verwendet … Mit seinen 3050 Titeln gilt er al das Paradebeispiel für breite Streuung… Doch der Index ist weniger divers als angenommen. Big Tech steht für knapp zehn Prozent des MSCI ACWI … Noch gravierender ist das Klumpenrisiko beim ebenfalls beliebten MSCI World. Hier fließen 10,5 Prozent der Anlagesumme in Facebook, Apple, Amazon, Microsoft und Google.“

Der Journalist zitiert als Experten Louis-Vincent Gave vom Analysehaus GK Research. Auch er sieht ETFs kritisch und behauptet sagar, dass durch ETFs die „allgemeine Kapitalmarkttheorie außer Kraft“ gesetzt werden würde.

Dass aber Herr Gave ETFs nicht besonders mag, ist natürlich auf der Hand liegend. Als Dienstleister, der sein Geld mit Kapitalmarktanalysen und Research verdient, ist es nicht weiter erstaunlich, dass er ein Feind des passiven Investmentansatzes ist. Immerhin wäre er arbeitslos, wenn – hypothetisch gesehen – alle Anleger nur noch ETFs kaufen würden. Kein Wunder also, dass Herr Gave Ängste schürt. Schade nur, dass man sich als Journalist so offensichtlich missbrauchen lässt.

Es werden nämlich ganz allgemein gehaltene Befürchtungen und Ängste gestreut. Bis dato ist aber nicht ersichtlich, inwiefern Anleger durch die genannten angeblichen Marktverzerrungen tatsächlich geschädigt worden wären.

Eine ganz konkrete Tatsache hingegen ist es, dass Anleger bereits massenweise durch den Investmentansatz, für den solche Analysten wie Herr Gave steht, geschädigt worden sind. Aktives Management ist erstens in der Regel überteuert, und zweitens führt es langfristig fast immer zu enttäuschenden Ergebnissen. Und das seit Jahrzehnten gut belegbar.

Anleger werden ständig durch absurd teure Investmentfonds oder zu teure Vermögensverwaltungen um ihr Geld gebracht.  Dazu muss man keine allgemein gehaltene Ängste schüren. Das sind konkrete Schäden.

Und hier ein Zitat von David Swensen, dem langjährigen Vermögensverwalter des Yale-Stiftungsvermögens:

„Es existieren Daten, die eindeutig belegen, dass Anleger in aktiv gemanagten Investmentfonds so gut wie sicher enttäuscht werden … Es gibt keinen Zweifel, dass ein aktives Management vom Vermögenswerten keine zufriedenstellenden Ergebnisse für Privatanleger hervorbringt.“

Klar, dass Herr Gave seine Felle davonschwimmen sieht, da Anleger es immer mehr als gute Idee erkennen, kostengünstig in ETFs ihr Geld anzulegen. Wenn man Anleger über Geldanlage informieren will, wie es ja Holger Zschäpitz von der WELT vermutlich tun will, dann sollte man auch sagen, dass es eigentlich keine wirkliche Alternative zu ETFs gibt. Aktives Management kann es jedenfalls nicht sein.

Selbstverständlich meine auch ich, dass man bei ETFs wissen sollte, was man tut. Ich rate beispielsweise Anlegern auch davon ab, in ETFs auf den MSCI World oder den MSCI All Country World zu gehen. Hier hat man unter anderem regionale Gewichtungen, die man möglicherweise nicht unbedingt will.

Meine Empfehlung ist, ETFs für mindestens drei Assetklassen auszuwählen:

  •  Europäische Aktien (Stoxx Europe 600)
  •  Amerikanische Aktien (S&P 500)
  •  Schwellenländer Aktien (MSCI Em. Mkts).

Und noch besser ist es, wenn man noch folgende Assetklassen mit hinzunimmt:

  • Japanische Aktien (Nikkei 225)
  •  Staatsanleihen-ETFs

Nehmen wir beispielsweise an, man hat 30% seines Vermögens in einen S&P 500-ETF angelegt, und nehmen wir an dass die größten Unternehmen im S&P 500-Index 20% darin ausmachen. Dann ist der Gesamtanteil, den man selbst an diesen größten US-Unternehmen hat nicht größer als 6% (30% von 20%). Von einer dramatischen Übergewichtung kann man da beim besten Willen nicht mehr sprechen.

Aber selbst wenn ein Anleger all sein Geld in den einen ETF auf den MSCI World geben sollte (was ich selbst, wie gesagt, nicht empfehlen würde), dann ist das immer noch besser, als all sein Geld in teures, ineffizientes aktives Management zu geben.