Corona-Krise: Sollte man Aktien verkaufen und abwarten?

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Wir haben im Laufe dieses Jahres einen Konjunkturrückgang um etwa 10% aufgrund von Corona. Das ist wirklich enorm. Wie es künftig weitergehen wird, kann niemand sagen. Es gibt Leute, die mit einer zweiten Infektionswelle rechnen und damit, dass dann noch einmal die Wirtschaft stark zurückgehen wird. Ja, das könnte passieren. Es könnte aber auch sein, dass bereits im Herbst erste Impfstoffe auf dem Markt sind und die Corona-Krise dann sozusagen vorbei ist.

Siehe z.B. den Beitrag aus dem ZDF heute journal: „Corona-Impfstoff bald verfügbar?

Es ist nur so: Die wirtschaftliche Entwicklung ist eine Sache, die Entwicklung an den Aktienmärkten ist eine andere Sache.

Trotz der Corona-bedingten Wirtschaftskrise sind die Aktienkurse seit April massiv gestiegen. Alleine der DAX ist seit seinem Tiefpunkt bis heute über 40 % gestiegen. Mit einem gut gestreutem ETF-Portfolio hat man in dieser Zeit ohne weiteres Renditen von 25% erzielen können. Interessant ist auch folgendes: Wer beispielsweise im Januar 2019 sein Geld in Aktien oder ein ETF-Portfolio investiert hat, hat bis heute, als auf Sicht von etwa 1,5 Jahren, ohne Weiteres eine Rendite von etwa 15 % erzielt – trotz Corona-Krise.

Eines muss auch klar sein. Aktieninvestments sind nie eine „sichere“ Geldanlage, sondern immer risikobehaftet. Starke Kursschwankungen sind für Aktieninvestments nicht die Ausnahme, sondern normal. Ich sehe auch nicht, dass Aktien derzeit „riskanter“ oder „weniger sicher“ sind als zu anderen Zeiten. Manchmal wird man – rein subjektiv – durch die aktuelle Kursentwicklung oder Wirtschaftssituation erschreckt, manchmal scheint alles ruhig zu sein.

Man könnte das vielleicht mit dem Meer vergleichen. Nur weil das Meer gerade ruhig ist, heißt es nicht, dass nicht in einer Stunde ein schwerer Sturm auf der See wütet. Oder umgekehrt: Wenn es gerade stürmisch ist auf See, heißt es nicht, dass sie sich nicht irgendwann wieder beruhigen wird. Das Meer ist für den Seefahrer immer gleichermaßen riskant und er darf sich nicht durch den äußeren Schein täuschen lassen.

Wer also in Aktien investiert begibt sich – um im Bild zu bleiben – auf hohe See. Und da besteht immer das Risiko, dass es mal stürmisch wird. Wer davor Angst hat, sollte von vornherein nicht zur See fahren. Andererseits sind die Renditen hier eben deutlich höher. Wer Sicherheit will, bekommt derzeit ungefähr 0,00 % Rendite. Wer mehr will, ist sofort im Risiko. Anders geht es leider nicht. Das macht aber nichts aus, wenn man einen langen Zeithorizont hat, um schwere Zeiten einfach aussitzen zu können. Netterweise kann man auch hier die Meer-Analogie verwenden. Je weiter die Küste weg ist, umso leichter kann man sich in einen Sturm im Boot einfach treiben lassen. Je näher die Küste ist, umso gefährlicher ist schwere See.

Ich denke, ich lasse das jetzt mal mit der Meer-Analogie.

Was in keinem Fall bei Aktien funktioniert sind Timing-Versuche. Also die Idee, bei schlechten Zeiten auszusteigen, abzuwarten und dann, wenn sich wieder alles „beruhigt“ hat, wieder einzusteigen. Das klappt wirklich überhaupt nicht. Ich habe z.B. einen Kunden, der am 4.3. (also etwa 2 Wochen bevor es mit Corona so richtig losging), das richtige Gespür hatte und mich anwies, all seine Fondsanteile zu verkaufen. Ab dem 18.3. kam der große Crash und dieser Anleger konnte sich freuen, dass er die vehemente Abwärtsbewegung nicht mitmachen musste. Er ist seitdem aber auch nicht wieder eingestiegen, und heute ist der Kurs etwa 1% höher im Vergleich zu seinen Verkaufkurs. Würde er heute wieder einsteigen, dann hätte er durch seine Aktion 1% Verlust gemacht. Er hatte zwar sozusagen das richtige Näschen, und dennoch hat ihm das Aussteigen bis heute nichts gebracht, bzw. hat ihm sogar Rendite gekostet.

Noch schlimmer erging es anderen Kunden von mir, die wirklich genau zum Tiefpunkt im März verkauft haben. Auch sie meinten, erst zu verkaufen, um dann später zu einem günstigeren Zeitpunkt („wenn sich alles beruhigt hat“) wieder einzusteigen. Diese Kunden liegen inzwischen  etwa 25% hinterher. Das heißt, wären sie einfach drin geblieben, hätten sie heute 25% mehr Vermögen. Was viel ist.

Ich kann nur davor warnen, gerade dann, wenn an der Börse die Panik ausgebrochen ist, zu verkaufen. Das geht so gut wie immer schief. Schlau ist, wer in einer solchen Situation auf der Käuferseite steht. Dazu gehören aber gute Nerven.

Und ich warne ganz inständig vor Timing-Versuchen. Ich besitze inzwischen 30 Jahre Praxis-Erfahrung an den Kapitalmärkten. Und ich habe es in 99,9% der Fälle erlebt, dass Anleger mit ihren Timing-Versuchen gescheitert sind. Ich weiß, dass man manchmal „so ein Gefühl“ hat, dass es eigentlich mit den Aktien nur nach unten gehen müsste. Und es erscheint dann als gute Idee, einfach mal zu verkaufen und abzuwarten. Sollte man tatsächlich recht haben, so kann man ja – so das Kalkül – zu niedrigeren Kursen wieder einsteigen.

Hier sind nun im Wesentlichen zwei Szenarien möglich.

a. Die Kurse steigen wider Erwarten. Dann wird der Anleger eine sehr schlechte Zeit haben und unter Umständen irgendwann später zu höheren Kursen wieder einsteigen. Oder gar nicht mehr.

b. Die Kurse fallen tatsächlich. Dann wird es aber für den Anleger sehr schwer sein, den richtigen Wiedereinstiegszeitpunkt zu finden. Und es ist sehr, sehr häufig so dass der beste Zeitpunkt verpasst wird, die Börse wieder dreht und schließlich die Kurse wieder höher sind als zum Verkaufzeitpunkt. Die psychische Belastung in dieser Zeit ist nicht zu unterschätzen.

Ich meine, dass es eine strategische Entscheidung ist. Entweder will man kein Risiko, dann sollte man ganz aus dem Aktienmarkt aussteigen und sich mit Tagesgeldrenditen begnügen. Das ist kann durchaus sinnvoll sein, wenn man zur Erreichung seiner Anlageziele keine hohen Renditen braucht. Oder man braucht eben hohe Renditen, dann sollte man aber in Aktien investiert bleiben egal was passiert. Und – bitte! bitte! bitte! – auf Timing-Versuche verzichten. Das klappt sowieso nicht.

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