Factfulness bei der Geldanlage
Der Spiegel hat das Buch „Factfulness“ von Hans Rosling als Bestseller ausgezeichnet. Der Untertitel lautet: „Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“. Rosling zeigt, wie sich die große Mehrheit von uns systematisch ein falsches Bild von der Welt macht, sowohl bezogen auf wichtige vergangene Entwicklungen als auch bezogen auf all das, was Experten über unsere Zukunft wissen.
Einer der Gründe für unser verzerrtes Weltbild ist etwas, was Rosling „Instinkt der Negativität“ nennt. Um diesem Instinkt entgegenzutreten, rät er unter anderem folgendes (S. 94):
- „Gute Nachrichten sind keine Nachrichten. Über gute Entwicklungen wird fast nie berichtet. Nachrichten sind gewöhnlich schlecht. Wenn Sie schlechte Nachrichten bekommen, fragen Sie sich, ob ähnlich positive Nachrichten Sie auch erreicht hätten.
- Allmähliche Verbesserungen sind keine Nachricht. Wenn sich eine Entwicklungstendenz langsam und allmählich verbessert und dabei zeitweilige Rückschläge auftreten, werden Sie diese Rückschläge eher wahrnehmen als die allgemeine Verbesserung.“
Dies kann man eins zu eins auf Aktien übertragen. Einige Menschen sind skeptisch gegenüber dieser Anlageform, sie haben regelrecht Angst davor. Und warum? Weil man normalerweise die langsame Aufwärtstendenz an der Börse nicht mitbekommt. Die Kurse steigen langsam und allmählich. Und selbstverständlich ist es keine Nachricht, darüber zu berichten, dass beispielsweise innerhalb eines halben der DAX um 5% gestiegen ist.
Passiert hingegen etwas massiv Negatives, z.B. wenn der DAX in ein paar Tagen um 10% fällt, dann kann das jeder in den Schlagzeilen lesen. Die allgemeine Berichterstattung über das Börsengeschehen konzentriert sich definitiv auf Crash-Ereignisse, nicht aber auf die langsamen und allmählichen Wertsteigerungen.
Sieht man aber genauer hin, dann bringen die langen, unspektakulären Aufwärtsphasen deutliche mehr Rendite als durch einen einen darauffolgenden Crash wieder vernichtet wird. Ich gebe hier einmal die Wertentwicklung eines gemischten Investmentfonds wieder, der 17% in Anleihen investiert und den Rest in Aktien.
Aufgrund der Übergewichtung von Aktien hatte dieser Fonds im März 2021 infolge der Corona-Krise etwa 25% Kursverlust. Ja, das war ein starker Abwärtsschwung, und das nur innerhalb weniger Wochen. Selbstverständlich bekam auch die breite Öffentlichkeit diese Börsenturbulenzen mit, es wurde ja fleißig darüber berichtet. Ich kann mich noch an solche Aussagen erinnern, wie: „Es wird mindestens 5 Jahre dauern, bis dieser Verlust wieder wettgemacht sein wird.“
Wie lange hat es tatsächlich gedauert? Nicht einmal 6 Monate. Trotz des Crashs stand dieser Fonds am Ende des Jahres 2021 mit einem Plus von 3,4% da. Das wiederum ist natürlich keine Meldung wert. Auch nicht, dass wer Anfang 2019 in diesen Fonds eingestiegen ist bis heute fast +30% Rendite erzielt hat – und das (wie gesagt) trotz des Crashs.
Hier noch weitere Jahresrenditen dieses Wertpapiers:
- 2013:+10,6%
- 2014: +8,6%
- 2015: +5,3%
- 2017: +6,0%
- 2018: -9,0%
Also: über Jahre hinweg schöne Anstiege. Und dann einmal ein größeres Minus. Und was bekommen die meisten Anleger mit? Naja, dass es Ende 2018 Börsenturbulenzen gab, was mal wieder als Beweis dafür angesehen wird, dass Aktien zu riskant sind und man besser die Finger von ihnen lassen sollte.
Das, was Hans Rosling, den Instinkt der Negativität nennt, hält viele Menschen davon ab, ihr Geld vernünftig anzulegen.
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