Investieren nach Marktlage?

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Manchmal höre ich von Anlegern: „In diesem Marktumfeld sollte man keine Aktien kaufen“ oder „Erst, wenn sich die Lage wieder entspannt hat, steige ich wieder in Aktien ein.“ Viele Menschen glauben an Timing, das heißt, dass es richtige und falsche Zeitpunkte gibt, um Aktien zu kaufen oder zu verkaufen.

Ich hingegen halte überhaupt nicht von Timing. Denn den richtigen Zeitpunkt erkennt man immer nur im Nachhinein, niemals in der Situation selbst oder im Vorhinein. Wenn man beispielsweise den Chart des DAX für die letzten 10 Jahre hat, dann kann man sehr gut Höchststände und Tiefpunkte erkennen. Anhand dieses Charts kann man sehr schön sehen, dass es sehr gut gewesen wäre, im August 2011 zu kaufen, im April 2015 zu verkaufen und wieder im März 2016 zu kaufen, etc. Man hätte immer zu den genau richtigen Zeitpunkten gekauft bzw. verkauft.

Es ist nur so: Im August 2011 war es alles andere als klar, dass die Börse wieder drehen würde und eine neue Hausse bevorstehen würde. Die meisten Anleger waren an diesem Zeitpunkt noch davon geschockt, dass der DAX von Mai bis August 2011 innerhalb von nur ein paar Monaten etwa um 25% gefallen ist. Wenn so etwas passiert, haben die meisten Menschen das Gefühl, dass der Kursverfall erst einmal ungebremst weitergeht. Und nur sehr wenige Anleger trauen sich, angesichts stark gefallener Kurse wieder mutig einzusteigen.

Und selbst die Tatsache, dass der DAX gefallen ist, ist ja für sich genommen noch kein Kaufsignal. Denn selbstverständlich können die Aktien immer noch weiter fallen.

Es ist einfach so. Wenn man in der konkreten Situation ist, weiß man schlicht nicht, ob die Aktienkurse in näherer Zukunft steigen oder fallen werden. Und dafür geben uns die jüngsten Kursentwicklungen keinerlei Anhaltpunkte. Auch wenn das Chartanalysten und andere angebliche „Experten“ immer wieder behaupten. Nein, wir müssen heute eine Anlageentscheidung treffen, und das basierend auf einem weitgehenden Nicht-Wissen über die nähere Zukunft.

Das Einzige was uns bleibt ist die Annahme, dass -langfristig- alles gut wird. Ich möchte mich einmal so salopp ausdrücken. Wenn man sich die vergangenen Marktentwicklungen ansieht, dann spricht viel dafür, dass man auf Sicht von 5-10 Jahren oder mehr, mit Aktien gute Renditen erzielen wird. Wenn man diese Annahme nicht teilt, naja, dann sollte man auch nicht in Aktien investieren.

Viel wichtiger als die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, ist folgende Frage:

  • Was sind meine Anlageziele beim Geldanlegen?

Hierzu vielleicht zwei kleine Geschichten.

Herr X ist ein vermögender Herr, der vor ein paar Jahren zu mir in die Vermögensberatung gekommen ist. Er hatte sein Geld in Immobilien und Aktien angelegt. Die Börsenkurse verfolgte er täglich und reagierte ständig auf die Marktsituation. Die Verwaltung seiner Immobilien nahm ihm auch viel Zeit und Kraft. Nach eigener Aussage war er unzufrieden mit seinen Ergebnissen, die er an der Börse erzielte und die Immobilienverwaltung machte ihm auch zunehmend keinen Spaß mehr. Daher kam er zu mir, damit ich ihm etwas Arbeit abnehmen könnte.

Bislang lag das Augenmerk von Herrn X darauf, möglichst hohe Renditen zu erzielen. Im Zuge der Vermögensberatung stellte sich heraus, dass er aber nur eine Rendite von 2% braucht, um ohne Weiteres gut von seinem Vermögen leben zu können. Auf dieser Basis konnten wir sein Vermögen so umstrukturieren, dass es erstens risikoärmer angelegt was und zweitens deutlich weniger Arbeit verursachte.

Ein anderes Beispiel ist Frau Y. Als sie zu mir in die Vermögensberatung kommt, ist sie 35 Jahre alt, hat 70.000 Euro und kann 300 Euro im Monat ansparen. Ihr Anlageziel ist, mit 65 ein Vermögen von 700.000 Euro zu haben. Angesichts der aktuellen Börsensituation war sie stark verunsichert und war sich unsicher, ob sie risikoreich in Aktien oder sicherheitsorientiert anlegen sollte.

Rein finanzmathematisch ist es nun so, dass Frau Y ihr Anlageziel nur erreichen kann, wenn sie eine Rendite von mindestens 6% nach Steuern und Kosten erzielen wird. Letztlich bleibt Frau Y nichts anderes übrig, als aktiennah zu investieren und entsprechende Risiken einzugehen. Denn macht sie es nicht, ist eines mit Sicherheit klar: dass sie ihr Anlageziel nicht erreichen wird. Für Frau Y kommt noch hinzu, dass sie ja einen Anlagehorizont von 30 Jahren hat, so dass sie etwaige Kursrückgänge gut aussitzen kann.

In beiden Beispielen, sowohl bei Herrn X als auch bei Frau Y, spielte die aktuelle Marktlage für eine vernünftige Anlageentscheidung überhaupt keine Rolle. Vielmehr waren die jeweiligen Anlageziele entscheidend. Und genau so sollte es sein.

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