Keynes empfiehlt, gegen den Strom zu schwimmen

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42-15559603John Maynard Keynes lebte von 1883 und 1946 und war einer der bedeutendsten Wirtschaftstheoretiker des zwanzigsten Jahrhunderts. Neben seinen theoretischen Überlegungen betätigte er sich auch aktiv als Kapitalanleger. Zu diesem Thema lieferte er eine Reihe netter Zitate. Eines davon ist folgendes: …

John Maynard Keynes: „Die Kapitalanlage ist der eine Bereich im Leben, wo Sieg, Sicherheit und Erfolg immer der Minderheit gehören und nicht der Mehrheit. Wenn Sie jemanden finden, der Ihnen zustimmt, sollten Sie Ihre Meinung ändern. Wenn ich den Vorstand meiner Versicherungsgesellschaft davon überzeugen kann, eine bestimmte Aktie zu kaufen, dann, so weiß ich aus Erfahrung, ist es an der Zeit sie zuverkaufen.“

Auch ich erlebe es in meiner Beratungspraxis ständig, dass das, was die Mehrheit gerade für unausweichlich hält, mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade nicht eintritt. Beispielsweise weiß ich noch sehr gut, dass Anfang 2008 jeder, mit dem ich über Geldanlage sprach, ganz genau „wusste“, dass der Ölpreis nur weiter steigen kann. Dass es gar nicht denkbar sei, dass der Ölpreis wieder fallen würde.

Damals sagte ich dann immer: „Interessant, dass Sie das wissen. Ich bin Geldanlage-Experte und ich weiß das nicht. Ich will nicht behaupten, dass der Ölpreis wieder fallen wird. Das weiß ich genauso wenig. Bitte bedenken Sie, dass es anders kommen könnte, als Sie jetzt zu wissen glauben. Wirklich klug ist, der die Grenzen seines Wissens kennt und entsprechend handelt.“

In bestimmt 80 Prozent der Fälle beharrten meine Gesprächspartner darauf, dass Sie zwar verstünden, was ich meine, dass aber die Sache mit dem Öl so glasklar ist, dass es hier keinen Zweifel geben könne. Inzwischen wurden sie eines Besseren belehrt.

Bemerkenswert ist jedoch, dass dieselben Menschen heute andere Dinge ganz genau „wissen“. Dass sie mit solch vermeintlichem Wissen vor nicht allzu langer Zeit bereits komplett falsch lagen, ist heute wunderbar vergessen. Und wenn ich heute sage, dass man es weder so noch so wissen kann, dann wird jetzt wie damals geantwortet: „Es gibt ganz klare Gründe und es ist nicht denkbar, dass es anders eintreten wird.“ – Ist es wirklich nicht denkbar?

 

Quelle der in diesem Beitrag verwendeten Bilder: http://office.microsoft.com/de-de/clipart

7 Kommentare
  1. M. L. Höfer
    M. L. Höfer sagte:

    Gute Geschichte. Das Zitat von Keynes erinnert mich an ein anderes, das ich mal in einer Wirtschaftszeitung las – leider die Quelle nicht gemerkt, aber die Aussage auch nach 2 Jahren nicht vergessen. Wenn ein Anlagethema so populär sei dass man schon in der Hausbank davon erzählt bekommt, seien die guten Gelegenheiten zum Einstieg im Grunde schon vorbei. Und das Risiko bei fallenden Kursen kräftig zu verlieren in den nächsten 1 – 2 Jahren groß.

    Ist unter dem Gesichtspunkt nicht die Quelle für die Qualität der Information entscheidend? Wonach orientieren Sie sich bei der Bewertung? Viele Grüße aus Baldham, München

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    • peterreins
      peterreins sagte:

      Ich glaube nicht, dass die Quelle den Unterschied macht. Es gibt Leute, die mal (zufällig) mit einer sehr ungewöhnlichen Prognose recht hatten. Daraufhin werden sie gefeiert nach dem Motto: „Die wussten etwas, was andere nicht wussten.“ Und bei der nächsten Prognose liegen sie dann dummerweise meilenweit daneben.

      Meine Meinung ist, dass Kapitalmarktprognosen prinzipiell unsinnig sind – vollkommen egal, wer sie macht. Das ist etwa so, als würde man versuchen, vorherzussagen, ob es in genau einem Monat regnen wird oder nicht. Und nicht nur das, sondern als würde sich ein große Anzahl von Leuten aus diesen fraglichen Wettervorhersagen ein Hobby machen. Und jeder würde kluge Argumente anführen. Die einen sagen beispielsweise: „Es wird in genau einem Monat regnen, weil die fundamentalen Daten (heutige Großwetterlage, Lage der Tiefdruckgebiete, Winde etc.) dafür sprechen.“ Die anderen sagen: „Es wird nicht regnen, denn langfristige Chartanalysen haben gezeigt, dass immer wenn es so und so oft nicht geregnet hat, und außerdem die Regen-Charts die und die Gestalt haben, dann wird es in einem Monat nicht regnen.“ Jeder glaubt, kluge Gründe zu haben. Und wenn der eine recht hat, dann sagt er: „Siehst du, ich hatte die richtigen Gründe und ich wusste etwas, was die anderen nicht wussten.“ Er verkennt aber schlicht, dass sein Treffer nichts mit Wissen oder mit guten rationalen Gründen zu tun hatte, sondern mit Glück und Zufall. Vielleicht hat er sogar ein paar Mal hintereinander Glück, aber auch das ändert nichts an der traurigen Tatsache, dass er eigentlich gar nichts wusste. Null komma Null.

      Das Wetter wie die Börse sind chaotische Systeme, die man nicht monokausal erklären kann. Vielmehr gibt es hier so viele Faktoren und Unwägbarkeiten, dass langfristige Vorhersagen niemals funktionieren werden. Und, wie gesagt, dabei spielt die Quelle keine Rolle. Denn wir sind alle gleich dumm. Aber besonders dumm sind diejenigen, die sich einbilden schlau zu sein und sich stattdessen in 50 Prozent der Fälle lächerlich machen.

      Hier noch zum Abschluss ein Beispiel für Monokausalität: „Die Staatsverschuldung steigt dramatisch, also wird es Inflation geben.“ Sehr einleuchtend, aber halt monokausal. Und nur um nicht falsch verstanden zu werden: Ich leugne nicht, dass es nicht vielleicht zu einer hohen Inflation kommen wird. Ich leugen nur, dass wir das heute bereits als Tatsache handeln können. Vielleicht kommt es so, vielleicht kommt es aber auch ganz anders. Ich weiß nur eines ganz sicher: dass keiner von uns es heute weiß.

      Und jetzt kommt die große Gefahr. Denn je sicherer sich die große Masse mit einer Kapitalmarktprognose ist, umso eher sind viele Leute bereit einseitig darauf zu wetten. Große Teile des Vermögens werden dann so angelegt, dass in dem Falle, dass die Prognose richtig ist, sich ein guter Gewinn einstellt. Nur: sollte die Prognose nicht eintreten, dann passiert eine Katastrophe und der Anleger steht vor einem Scherbenhaufen. Und genau das passiert vielen Privatanlegern immer und immer wieder.

      Der eigentliche Fehler sind also nicht die Prognosen, sondern die einseitigen Wette (= mangelnde Diversifikation). Aber je sicherer man sich mit einer Prognose ist (und wenn die große, große Mehrheit sich ganz sicher ist, dann ist es schwer, sich dem zu entziehen), um so eher ist man zu einer einseitigen Prognose geneigt. Prognosen, an die die Masse glaubt, verführen zu einseitigen Prognosen. Und daher sind sie gefährlich.

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  2. M. L. Höfer
    M. L. Höfer sagte:

    Ok. Die Börse ist wie das Wetter ein chaotisches System, und interdependent. Verzeihen Sie mir meine grundsätzlichen Fragen, aber mein Interesse ist geweckt. Wenn nicht die Quelle der Informationen entscheidend ist, was dann? Selbst für ein klug diversifiziertes Portfolio werden Sie sicher Vorstellungen haben von der Entwicklung der … einzelnen Posten.

    Oder anders gefragt: Sind überhaupt seriöse Prognosen möglich und wenn ja warum und wo? Welchen Bezugsrahmen hat ein seriöser Vermögensberater?

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    • peterreins
      peterreins sagte:

      Klare Frage, klare Antwort: Nein, seriöse Prognosen sind nicht möglich. Punkt. Beim Wetter kann man immerhin den nächsten Tag, soweit ich weiß, mit einer Trefferquote von 70% vorhersagen. Bei der Börse ist es nicht einmal möglich, eine Prognose für die nächste Stunde anzustellen. Die Trefferquote liegt etwa bei 50% (also wie beim Münzwurf und damit rein zufällig).

      Ein seriöser Vermögensberater berät so, dass Prognosen keine Rollen spielen. Das was für einen Kunden vor einem Jahr richtig war, ist (sofern sich die Vermögens-/Einkommenssituation und Anlageziele) auch heute noch richtig – ganz egal, was an der Börse geschehen ist. Ich werde vielleicht in einem meiner nächsten Blog-Beiträge mit einem Beispiel näher darauf eingehen.

      Was ich natürlich zugeben muss, ist, dass es grobe Minimalerwartungen gibt. Zum Beispiel glaube ich durchaus, dass Aktien langfristig mehr Rendite bringen werden als Fest-/Tagesgeld. Nur weiß ich, dass es auch zehnjährige Durststrecken geben kann.

      Und an dieser Stelle vielleicht noch wichtiger. Ich selbst als Berater muss diese Annahmen gar nicht machen. Diese Annahmen macht der Kunde. Also wenn ein Kunde beispielsweise überhaupt nicht daran glaubt, dass das mit Aktien noch mal was wird: OK, dann verzichten wir eben auf diese Anlageform.

      Ich als ganz normaler Mensch habe auch meine persönlichen Erwartungen und Annahmen. Diese Erwartungen und Annahmen halte ich aber nach Möglichkeit aus dem Beratungsgespräch heraus. Das ist meine Privatsache und mit diesen persönlichen Erwartungen und Annahmen liege ich genauso richtig oder falsch wie jeder andere Mensch auch. Dass ich ein Finanzexperte bin, hilft mir an dieser Stelle in keinster Weise.

      Dass ich ein (wirklicher) Finanzexperte bin, erkennt man aber eben daran, dass ich zwischen meiner persönlichen Meinung und dem, was gerade nach objektiven Kriterien geboten ist, unterscheiden kann.

      Zum Beispiel lege ich in meinen Fonds nach klar definierten, quantitativen Anlagerichtlinien an. Manchmal sagen die Richtlinien, dass ich das und das machen muss, mein Gefühl sagt aber das Gegenteil. Professionalität bedeutet hier, eben nicht auf sein Gefühl zu hören.

      So war mein Gefühl im März 2009 katastrophal schlecht. Und fast alle meiner Kollegen (die ich auch noch schätze) überschlugen sich mit Horrorszenarien. Mein Gefühl sagte: Raus, raus raus. Die Anlagerichtlinien im Global Strategy Fonds sagen aber: 71% Aktien. Also blieb ich mit genau 71% im Aktienmarkt investiert. Und seitdem sind die Märkte um mehr als 30 Prozent gestiegen. Also: Gott sei Dank, dass ich drinblieb.

      Auch das ein Beispiel dafür, dass es ratsam ist, gegen den Strom zu schwimmen.

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  3. Michal Broska
    Michal Broska sagte:

    Man wuerde fast sagen, dass Sie „Alternativinvestments“ anbieten, Herr Dr. Peterreins:) Paradoxerweise sind „Alternativfonds“ Mainstream, man denke an Biotech, Dotcom, Oeko, Energy, Subprime usw.

    Bezogen auf mein Heimatland (SK) ist die Logik der Prognosen, bzw. das Mainstream-denken quasi zur offiziellen Staatsdoktrin geworden. Die linke Regierung ueberzeugt uns in Staatsanleihen zu investieren, weil genau dieses Investment in der Krise hilft…dem Staat natuerlich, der Loecher im Haushalt hat. Sie regulieren die Versicherer in Richtung Sicherheit und weg von Aktien. 71% wäre ein Traum 🙁

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  4. Mex
    Mex sagte:

    Wann kommen denn zu dieser Ankündigung: Ein seriöser Vermögensberater berät so, dass Prognosen keine Rollen spielen. Das was für einen Kunden vor einem Jahr richtig war, ist (sofern sich die Vermögens-/Einkommenssituation und Anlageziele) auch heute noch richtig – ganz egal, was an der Börse geschehen ist. Ich werde vielleicht in einem meiner nächsten Blog-Beiträge mit einem Beispiel näher darauf eingehen.
    neue Blog Einträge?

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    • peterreins
      peterreins sagte:

      Danke, Mex, für die Erinnerung, ich werde meinen nächsten Blog-Beitrag zu diesem Thema schreiben.
      Mit freundlichen Grüßen, Peterreins

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