Heike Faller: Wie ich einmal versuchte, reich zu werden.

j0439488Ich habe eben das Buch der Journalistin Heike Faller gelesen: „Wie ich versuchte reich zu werden – Mein Jahr unter Spekulanten.“ Ich finde das Buch sehr gut, spannend und kurzweilig geschrieben. Teilweise fiel es mir schwer, das Lesen zu unterbrechen. 

Die Journalistin Heike Faller beschließt Anfang 2008, sozusagen im Selbstversuch, ein Jahr lang zu spekulieren, zu zocken, sich der kapitalistischen Gier hinzugeben, was das Zeug hält.  Erklärtes Ziel: in 12 Monaten das Anfangskapital von 10.000 Euro zu verdoppeln.

Dieser Zeitraum vom April 2008 bis April 2009 fällt zufälligerweise genau in die heiße Phase der Finanzkrise. Fallers Lernkurve in dieser Zeit ist extrem steil. Und das macht das Buch so interessant. Denn sie beginnt mit (aus meiner Sicht) sehr naiven Vorstellungen und endet mit vernünftigen und soliden Erkenntnissen. Ich kenne Menschen, die ein halbes Leben gebraucht haben, um zu denselben Einsichten zu kommen.


Vorgeschichte

Eigentlich komplett uninteressiert, was Geldanlagethemen betrifft, lernt Heike Faller in 2002 zwei oberpfälzische Anlageberater kennen, die sie fasziniert. Die Anlageberater schwören zu einem Zeitpunkt auf Gold und Rohstoffe, als das noch sehr außenseiterisch war. Heute ist diese Anlageform mehr als in Mode gekommen. An jeder Ecke hört man irgendwen seine Theorien zum edlen Metall verkünden.

Sie legt Geld so an, wie es ihr die beiden „Bayern“ empfehlen, und so macht sie ihre ersten positiven Erfahrungen mit der Kunst der Geldvermehrung. Der Goldpreis explodierte von 2002 bis 2008 von 380 USD pro Feinunze bis über 1000. 

Die Spekulation beginnt

Mit diesen Vorerfahrungen startete Faller ihr Spekulationsjahr. Ihr Selbstvertrauen war groß, hatte sie doch bereits einmal einen richtigen Riecher gehabt.

Dank ihrer bayrischen Anlageberater schien die Welt der Geldanlage sehr klar zu sein:

  • Aufgrund einer falschen Geldpolitik (vor allem der amerikanischen Fed), steigt und steigt die Geldmenge.
  • Dies führt notwendigerweise (so die „Bayern“) zu einem Kollaps des Finanzsystems, insbesondere zu einer Hyperinflation. Eine Währungsreform gilt als wahrscheinlich.
  • Daher sind Sachwerte das einzige, was einen retten kann, allem voran Gold. Denn Gold, so die „Bayern“, war schon immer DIE Währung, die wirklich werthaltig ist und auf die sich alle besinnen, wenn alles rundum zusammenbricht.

Dieses klare Weltbild schien ihr anfangs unumstößlich. Ihre bayrischen Berater vertraten es sehr wortreich mit vielen Argumenten und konnten es mit zahlreichen Charts und Verweise auf sog. „Superzyklen“ untermauern.

Und immerhin war sie ja da, die von ihnen lange vorher prognostizierte Finanzkrise. Dementsprechend musste es eine Kleinigkeit sein, so glaubte Faller anfangs, ihr Geld zu verdoppeln. Einfach auf Gold setzen und der Rest müsste eigentlich von alleine laufen.

Faller hatte nur zwei Probleme. Erstens verhielt sich im April 2008 der Goldpreis auf eine Weise, die sie nicht verstand. Zweitens war das Ziel, den Einsatz zu verdoppeln doch sehr hoch gesteckt.

So kam sie auf Optionsscheine. Ein Finanzinstrument, mit dem fast jeder Privatanleger seine Erfahrungen macht, wenn er/sie schnell reich werden will. Man ist sich ja sehr sicher, was die Kursentwicklung einer bestimmten Anlageform betrifft: Warum dann nicht gleich mit einem Hebel darauf wetten?

Die oberpfälzer Finanzgurus raten ihr zu einer Goldmine. In ihrem (zu diesem Zeitpunkt noch starken) Vertrauen zu ihnen erhöht sie das Chance-Risiko-Verhältnis und kauft für ein Viertel ihres Vermögens einen Optionsschein auf die empfohlene Goldminenaktie. Im Laufe der 12 Monate verliert sie damit viel Geld.

Auch Optionsscheine auf Gold erwirbt sie. Da aber der Goldpreis – trotz Finanzkrise – sich nicht ganz so entwickelt, wie erwartet, wird sie nervös und verkauft einen wieder mit Verlust.

Auf ihrer Suche nach schnellen hohen Gewinnen beschäftigt sich Faller mit dem Kunstmarkt, dem Glücksspiel, irakischen Aktien, der Spekulationslegende George Soros und vielem mehr.

Vergangenheitsdaten sind Schall und Rauch

Inzwischen hat sie gelernt, dass das Geschäft der Geldanlage viel schwieriger ist als ursprünglich gedacht. Vor allem die anfängliche Sicherheit ist verschwunden (S. 126):

„Noch vor weniger Wochen hatte ich geglaubt, den Markt zu verstehen. Aber je besser ich ihn kennenlernte, desto mehr neigte ich zu der Einschätzung, dass er ein Monster war, in dessen Verhalten die Menschen nun seit hundert Jahren eine Vorhersehbarkeit entdecken wollten, die es vielleicht nicht gab.

Die erlösenden Worte fand ich schließlich bei den Verhaltensökonomen. Sie machen darauf aufmerksam, dass der Mensch dafür geschaffen ist, überall Sinn zu erkennen, auch wenn da gar keiner ist. Und so sieht er Gesichter in Wolken und findet, wie einst ein kranker Buchhalter in Kalifornien [Elliot] Muster in Zickzackkurven. Das ist hilfreich, wenn man in der Steinzeit überleben muss, aber an der Börse führt es einen womöglich nur in die Irre.“

Bereits etwas früher im Buch beschreibt sie den beliebten Fehler, in Finanzdingen von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen (S. 71):

„[Mit Bezug auf die Tulpenspekulation im Holland des 17. Jahrhunderts:] Warum aber kommen Menschen überhaupt auf die Idee, dass eine Tulpenzwielbel so wertvoll sein könnte wie ein Haus? Weil es in dem Moment, in dem ein Markt in seine spekulative Phase eingetreten ist, nicht mehr um den Wert der Dinge geht, sondern nur noch um ihren Preis, dessen jüngste Steigerungsraten in die Zukunft hochgerechnet werden … Die Vergangenheit einer Anlage lässt keine Schlüsse auf ihre Zukunft zu …“

Kapitalmarktprognosen sind schwierig, vielleicht sogar unmöglich

Schließlich erkennt sie, wie schlecht es um die Prognostizierbarkeit der Finanzmärkte bestellt ist (S. 181):

„Wenn man drei Physiker bittet, das Ergebnis eines Versuchs vorherzusagen, hat man gute Chancen, dass alle drei dasselbe sagen. Bei Volkswirtlern ist das nicht so. Wenn man dieselbe Frage verschiedenen Leuten stellt, wird jeder etwas völlig anderes sagen… Am Anfang wunderte mich die Ratlosigkeit – ist es nicht der Sinn einer Wissenschaft, Prognosen zu treffen, die dann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten?

Aber mit der Zeit begriff ich, das in der Volkswirtschaftslehre Ursache und Wirkung nicht gerade kausal zusammenhängen. Es ging eher zu wie in der Klimaforschung: Ändert sich ein Teil des komplexen Gesamtsystems, it es schwer vorauszusagen, wie sich das auf den Rest auswirkt. Als Anleger hilft dagegen tatsächlich nur eines: mit allem zu rechnen.“

Antizyklisch Investieren

Einer ihrer größten Gewinne machte Faller an der irakischen Aktienbörse. Sie investierte dort, obwohl der Irak als Krisengebiet für die allerwenigsten Anleger reizvoll erscheint. Hier sein Geld anzulegen bedarf einer hohen Überwindung. Am Ende war es die richtige Entscheidung. Auch das ein interessantes Lehrstück: Oft sind diejenigen Investments am lukrativsten, von denen die große Masse nicht im Traum auf die Idee kommt, dass es sich um eine gute Anlage handeln könnte.

Diversifikation

Während Heike Faller alles auf eine Karte bzw. auf ein paar wenige setzte, lernte sie im Laufe ihres Spekulationsjahr, wie wichtig die Risikostreuung ist. „Diversifikation ist das Wichtigste“ so ihre Erkenntnis auf S. 225.

Vorsicht bei zu viel Selbstvertrauen

Damit im Zusammenhang steht auch, dass sie lernte, solchen Beratern nicht mehr zu vertrauen, die sich ihrer Sache allzu sicher sind. Bei den oberpfälzer Anlageberatern, die sie anfangs so fasziniert hatten, war sie sich jetzt nicht mehr so sicher, ob sie nicht einfach eine Zeitlang nur Glück hatten.  

Wer sich zu sicher ist bei der Geldanlage, missachtet das elementare (und leider auch langweilige) Prinzip der Diversifikation. 

Kapitalismus nicht so schlecht

Sehr schön finde ich noch folgende Passage am Ende des Buches:

„Das Merkwürdigste ist, dass mir der Kapitalismus, als ich shließlich mitmachte, endlich sympathisch geworden ist … Die Spekulatnen (oder Investoren, wie sie sich selbst nennen würden) entsprachen nicht dem Feindbild, das viele von ihnen haben. Die, die ich kennengelernt habe, wirkten auf mich nicht weniger verantwortungwsvoll, nicht weniger kritisch oder nachdenklich als die Angestellten oder Freelancer, mit denen ich bisher zu tun hatte …“

Mein Fazit
Ein absolut schönes, lesenswertes Buch.

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3 Kommentare
  1. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Studie zu professionellen Börsenhändlern
    http://www.heise.de/tp/blogs/8/150520

    „Banken sollten bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter mehr Sorge auf deren Persönlichkeit verwenden.“
    – – – – – – – – – – – – –

    Handelsabteilungen von Banken verwenden meines Erachtens sehr viel Sorge auf die Persönlichkeit ihrer Börsenhändler.
    Allerdings gilt aus gesellschaftlicher Perspektive ihre große Sorgfalt negativen Eigenschaften und resultiert in einer Negativauswahl an Personal.
    Das Problem liegt nicht an einem Mangel an Sorgfalt, sondern an großer Sorgfalt hinsichtlich gesellschaftlich nachteiliger Auswahlkriterien.
    Durch bloße Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit in den Personalabteilungen bezüglich Persönlichkeitsmerkmalen hätte sich eine solch ausgeprägte und konzentrierte Selektion angestellter Berufsspekulanten in den Eigenhandelsabteilungen der Banken nicht ergeben.

    Viele Grüße
    TÜLAI

    Antworten
  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Hinweis auf eine Buchrezension:

    Colin Crouch: „Über das befremdliche Überleben des Neoliberalismus: Postdemokratie II“.

    Edition Suhrkamp
    Von Martin Hubert
    Schon nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank im September 2008 las der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch mit dem Buch „Postdemokratie“ dem Neoliberalismus die Leviten. Jetzt erklärt er, warum der Totgesagte eigentlich immer noch so erstaunlich lebendig ist.

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1587257/

    Antworten

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