Ist Inflation eine Gefahr?
Im Euro-Raum hatten wir in 2009 eine extrem niedrige Inflationsrate. Zeitweise hatten wir sogar deflationäre Tendenzen. (Siehe diesen SZ-Artikel) Also das genaue Gegenteil einer Inflation. Dennoch hört und liest man ständig davon, dass eine große Inflation, vielleicht sogar eine Hyperinflation droht. In der Presse kann man Artikel lesen, wie man sich gegen Inflationschützen kann. Und Heerscharen von Anlageberatern bieten freudig ihre Dienste an, um den Inflations-verängstigten Anleger gegen das Schreckgespenst der Geldentwertung zu schützen.
Was ist von all dem zu halten?
Erwartete und unerwartete Risiken
Die größte Gefahr sowohl für die Weltwirtschaft als auch für die Geldanlage ist das Unerwartete. Und die Natur des Unerwarteten ist, dass es heute keiner kennt, sonst wäre es ja nicht unerwartet.
Gefahren, die jeder erwartet, sind keine wirklichen Gefahren. Daher macht mir das Thema Inflation keine großen Sorgen, denn davon reden ja derzeit genug Leute. Eine Inflation wird also von vielen Menschen erwartet. Käme sie dann tatsächlich, wäre das nicht wirklich überraschend. Ähnliches gilt für die Staatsschulden.
Zum Thema Inflation möchte ich noch folgendes sagen. Inflation innerhalb eines gewissen Rahmens ist eher positiv als negativ. Stagnierende Preise bzw. Deflation: das ist das eigentliche Gift für die Wirtschaft. In der Volkswirtschaftslehre lernt man die Phillips-Kurve (nach einem Artikel aus dem Jahre 1954 des australischen Ökonom A.W. Phillips). Danach sinkt die Arbeitslosigkeit bei steigender Inflation, und umgekehrt.
Inflation und Hyperinflation
Eine Hyperinflation ist natürlich nicht mehr gut. Aber eine Hyperinflation ist nicht so einfach erklärbar. Insbesondere nicht mit dem Schema „Aus A folgt B“, etwa „Aus hohen Staatsschulden folgt (notwendigerweise) eine Hyperinflation“. Schöne wär es, wenn die Welt so einfach wäre. In seinem Buch „animal spirits: Wie die Wirtschaft wirklich funktioniert“ geht Robert Shiller ein wenig auf diesen Zusammenhang ein.
Nehmen wir die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Ich berufe mich im folgenden auf das Buch „Der Aufstieg des Geldes“ von Niall Fergusson. Darin steht auf S. 92 f.:
„Rechnet man die gesamten Staatschulden der kriegsführenden Großmächte im Ersten Weltkrieg zusammen, stellt man fest, dass Großbritannien wesentlich mehr als Deutschland … ausgegeben hat und dass die Staatsschulden Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten, in Dollar ausgedrückt, zwischen 1914 und 1918 erheblich stärker anstiegen als diejenigen Deutschlands. … Warum also erlebte ausgerechnet Deutschland eine Hyperinflation? [und nicht etwa Frankreich und Großbritannien?]
…
Im Grunde war die deutsche Hyperinflation eine [politische] Fehlkalkulation [von deutschen Politikern in den 1920er-Jahren] …
Inflation ist ein monetäres Phänomen … Hyperinflatin indes ist immer und überall ein politisches Phänomen in dem Sinne, dass sie ohne einen grundlegenden Fehler in der Wirtschaftspolitik eines Landes nicht entstehen kann.“
Und hier sind wir genau am entscheidenden Punkt. Man kann viel über Politik diskutieren, aber solch grundlegenden Fehler in der Wirtschaftspolitik, die evtl. zu einer Hyperinflation führen, werden – meiner Meinung nach – weder in Deutschland noch in den USA derzeit gemacht. Die aktuelle Erhöhung der Staatsverschuldung für sich alleine, wie gesagt, ist noch kein Argument.
Inflation – OK, vielleicht. Aber Hyperinflation wie im Deutschland 1923 – nein, daran glaube ich nicht. Da ist, wenn man mich fragt, viel Hysterie und Angstmache dahinter, bar jeglicher Grundlage. Man sollte sich auch einfach einmal überlegen, wer an einer solchen Angstmache profitiert. Und das sind nicht wenige.
Was man als Anleger tun soll
Denkt man recht darüber nach, so meine ich, bleibt einem kaum eine Alternative, als so vorzugehen: Man legt möglichst in alle relevanten Anlageformen nach ausgewogenen Quoten an (=> Diversifikation), geht niemals 100%ig in eine Anlageform, steigt aber auch bei keiner niemals ganz aus. Wenn aber eine Anlageform steigt, verkauft man tendenziell. Fällt eine Anlageform, kauft man tendenziell. So ein Vorgehen ist strikt antizyklisch und – so denke ich jedenfalls – sehr rational.
Und hier noch einmal zu den Leuten, die Angst vor einer Hyperinflation machen. Meistens raten sie zu einseitigen Anlageentscheidungen: Beispielsweise ganz raus aus Staatsanleihen, ganz rein in Gold oder zu 100% rein in Immobilien. Eine einseitige, unausgewogene Analgeentscheidung ist definitiv und ohne Frage unvernünftig.
Denn es kann ganz anders kommen als gedacht. Und damit wären wir wieder beim Unerwarteten.
Weitere Links zum Thema:
Vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Im aktuellen Finanztest (S. 24) steht zum Thema Inflation folgendes:
„Geschürt werden Inflationsängste auch dadurch, daß die EZB und die Fed viel Geld in die Finanzmärkte gepumpt haben, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Es war sogar schon vom „Anwerfen der Notenpresse“ die Rede. So mancher Anleger schließt daraus: Es gibt immer mehr Geld, die Zahl der Güter bleibt aber ungefähr gleich. Das könne nur zu einer Inflation führen.
„Das stimmt so nicht“, sagt Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). „Man muß zwischen Zentralbankgeld und dem Geld, das tatsächlich im Umlauf ist, unterscheiden. Nur das Zentralbankgeld hat sich stark erhöht.“
Die Geschäftsbanken können dieses Geld bei der EZB abrufen, um beispielsweise Kredite an Unternehmen zu vergeben.
„Vorraussetzung für eine Inflation ist aber, daß die für Waren und Dienstleistungen relevante Geldmenge übermäßig steigt. Und das ist nicht passiert“, sagt Oliver Holtemöller. „Die Sparer können davon ausgehen, daß die EZB das Zentralbankgeld wieder reduziert, sobald sich der Geldmarkt entspannt“.
Was bedeutet das?
Ich danke auch für Ihren Kommentar. Und ich bin exakt derselben Meinung wie Oliver Holtenmöller. Zu Ihrer Frage, was das bedeutet:
Viele glauben, dass es nur eine Institution gibt, die Geld schaffen kann, nämlich der Staat bzw. die Notenbank. Das stimmt aber nicht. In der Geldtheorie unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten der Geldmengen: M1, M2, M3 (und es geht noch weiter). Vielleicht schreibe ich darüber einmal einen eigenen Blog-Beitrag.
So viel vorab: Jede private Bank B kann, wenn sie will, Geld „schaffen“. Das geht ganz einfach: B muss nur einer anderen Person, nennen wir sie C, einen Kredit geben. Warum wird so Geld geschaffen?
Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Bank B ihre gesamten Finanzmittel ausschließlich dadurch hat, dass eine einzige Person A ihr 100.000 Euro als Einlage anvertraut hat. A ist rechtmäßiger Eigentümer dieses Geldes, legt sie aber auf ein Konto der Bank B, sagen wir, weil er hier 3% Zinsen bekommt. Die Bank B leiht die 100.000 Euro umgehend weiter an die Person C.
C kann die 100.000 Euro jetzt ausgeben oder sonst etwas damit machen. Das Geld ist also im Umlauf. Und – wie durch ein Wunder – ist daduch die Geldmenge um 100.000 Euro größer geworden. Hätte C nicht den Kredit von B bekommen, würden die 100.000 Euro immer noch quasi einfach herumliegen. Durch den Kredit an C sind neue flüssige Mittel in den Nicht-Bankensektor geflossen, und steht für Konsum oder Investitionen zur Verfügung. So wächst die Geldmenge.
Umgekehrt kann die Privatbank auch wieder Geld dem Nicht-Bankensektor entziehen, einfach indem sie ihre Kredite kündigt oder nicht mehr verlängert.
Das eigentliche Mittel, um Geld zu schaffen, sind also Kredite. In der landläufigen Vorstellung, wird immer davon geredet, dass Geld „gedruckt“ wird. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit Geld zu schaffen. Aber die leichteste Möglichkeit für die Notenbank besteht darin, den Geschäftsbanken mehr Kredit zu geben.
Und das ist genau der Punkt in der aktuellen Krise gewesen. Die privaten Geschäftsbanken haben, wenn man so will, Geld „vernichtet“, indem sie ihre Kredite an den Nicht-Bankensektor (Privatpersonen und Unternehmen). In der Presse wurde das als „Kreditklemme“ bezeichnet.
Um dieser Geldvernichtung der Geschäftsbanken entgegenzusteuern haben die Notenbanken Zentralbankgeld geschaffen. Viele Leute haben nur letzteres als Schaffung von Geld wahrgenommen. Daher der Glaube, die Geldmenge sei durch die Notenbanken extrem gesteigert worden. Das ist so einfach nicht richtig. Dei Notenbanken haben Geld geschaffen, um die „Geldvernichtung“ auf der anderen Seite auszugelichen. Die gesamte Geldmenge ist tendenziel nicht sehr gewachsen bzw. sogar gefallen. Daher geringe Inflation bzw. Deflation letztes Jahr.
Wie Geld geschaffen oder vernichtet wird, ist nicht so ohne Weiteres leicht zu verstehen. Interessanterweise hat kaum jemand die „Kreditklemme“ mit dem Vernichten von Geld (=Senkung der Geldmenge) in Verbindung gebracht. Auch dieses Nicht-Wissen ist Teil der aktuellen Hysterie zum Thema Inflation / Hyperinflation.
Mit „aktuellem Finanztest“ meinte ich die Ausgabe Feb. 2010.
Ich hätte noch eine Anregung für einen Blog-Beitrag von Ihnen, wo Sie doch oben von Geldvernichtung sprechen: Die Frage wird gern diskutiert, ob Geld vernichtet wird, wenn Aktienkurse fallen, oder ob das Geld nur aus den Aktien raus- und in andere Anlageformen reinwandert.
Vielen Dank für den informativen Beitrag!
Man könnte auch Sagen, bei Hyperinflation nicht in Gold oder Immobilien gehen, sondern möglichst viele Schulen machen. Aber ds nur am Rande.
Kunden die zu einem Vermögensberater kommen und Geld richtig anlegen wollen, denken sicherlich auch an die Inflation:
1. Wenn Deflation kommt: Für alle nicht gut, aber Geld wird von Jahr zu Jahr mehr Wert – also aus Kundensicht ok.
2. Moderate Inflation von 2%; sicherlich am besten für die Wirtschaft, wenn ca. 3% erwirtschaftet werden, dann Kaufkrafterhalt – aus Kudnensicht ok.
3. Hyperinflation, oder mit/ohne Währungsreform ist das einzige Was vermögenden Kunden gefährlich werden könnte, Wie darauf reagieren?
Was würden Sie einem Kunden raten, wenn dieser zu Ihnen kommen würde und sagt, ich habe 1 Mio Euro auf dem Girokonto und habe Angst vor einer Hyper-Inflation. Was kann ich mein Kapital am besten vor Inflation in den nächsten 40 Jahren schützen?
Würden Sie hier sagen: Man legt möglichst in alle relevanten Anlageformen nach ausgewogenen Quoten an (=> Diversifikation), geht niemals 100%ig in eine Anlageform, steigt aber auch bei keiner niemals ganz aus.; Sie meinen also z.B. Ihren Global Strategy Fond.
Können Sie vielleicht auch noch einen Satz zu Währungsreform ansprechen?
Alleine die Angst vor irgendetwas, wäre mir noch zu wenig, um den Kunden gut beraten zu können. Viel wichtiger scheint mir zunächst die Frage, wass er denn mit sein 1 Mio Euro überhaupt will. Also die Frage nach den Anlagezielen. Das könnten beispielsweise sein:
* „ich will davon leben und brauche monatlich x Euro“
* „ich will das Geld jetzt so anlegen, damit ich in ein paar Jahren davon leben kann, und dazu benötige ich einen Mindestbetrag von y“
* „für mich dient das Geld nur als Liquiditätsreserve, ich habe andere Einkünfte, von denen ich ohne Weiteres leben kann.“
* oder ähnliches.
Je nachdem, wie die persönlichen Anlageziele aussehen, werde ich anders beraten. Und diese Anlageziele sind viel wichtiger als die Angst vor einer Hyperinflation. Die kommt zwar auch, aber erst an zweiter Stelle. Und bei den Anlagezielen ist der wichtigste Aspekt der Anlagehorizont. Der Anlagehorizont ist für mich z.B. auch wichtiger als die Risikoneigung des Kunden. Aber das ist jetzt ein anderes Thema.
Bei Ihrer Frage gehe ich jetzt einmal davon aus, dass der Kunde die 1 Mio Euro die nächsten 40 Jahre nicht zu seiner Verfügung braucht. An dieser Stelle würde ich den Kunden aber fragen, was er dann in 40 Jahren mit dem Geld machen will. Typischerweise kommt dann so eine Antwort wie: Dann (in 40 Jahren) will ich von dem Geld leben. es könnte aber auch sein, dass der Kunde einfach nur einen Substanz- bzw. Kaufkrafterhalt anstrebt. Bei letzterem spielt natürlich die Inflation eine Rolle, aber auch steuerliche Aspekte.
Wichtig für mich ist folgendes. Nach einer genauen Analyse des Anlageziels (und das ist wie gesagt weniger offensichtlich als viele meinen), kommt für mich am Ende eine Zielrendite heraus. Diese Zielrendite geht zunächst einfach von der aktuellen Inflationsrate aus. Also sagen wir, die aktuelle Inflationsrate ist 1% und die für den Kunden notwendige Zielrendite ist 3%. Dann könnte ich das auch so ausdrücken: Das eigentliche Zielrendite ist gleich Inflationsrate + 2%.
Wenn also die Inflation auf 5% steigt, dann sollte eine Rendite von 7% in dem betreffenden Zeitraum erzielt werden.
Um eine solche Zielrendite zu erreichen, mache ich schließlich einen Anlagevorschlag. Dabei berücksichtige ich:
* Immobilienvermögen: entweder in Form eigener Immobilien oder von Immobilienfonds
* bestehende Lebensversicherungsverträge
* Tagesgeld- oder Festgeldpositionen
* Wertpapiervermögen
* sonstige sog. alternative Anlageformen wie beispielsweise Hedgefonds, geschlossene Fonds oder Private Equity Fonds
* oder bei einem Unternehmer auch sein eigenes Unternehmen.
* etc.
Das Ganze muss ein ausgewogenes Ganzes ergeben. Dabei spielen meine Fonds nur im Bereich „Wertpapiervermögen“ eine Rolle.
So gut wie nie rate ich dazu, ausschließlich beispielsweise in meinen Global Strategy-Fonds zu investieren. In diesem Fonds berücksichtige ich zwar Aktien, Rohstoffe und Staatsanleihen, bewusst aber nicht Immobilien oder andere Anlageformen wie Hedgefonds oder Private Equity. Davon abgesehen, sollte der Global Strategy Fonds nur eingesetzt werden, wenn der Anleger wirklich einen Anlagehorizont von >10 Jahren hat. Viele wollen aber auch hier Wertpapiervermögen weniger langfristig angelegt wissen, dann kommen eher meine Total Return-Fonds in Frage.
Auf keinen Fall gibt es, denke ich, ein Patentrezept, wie jemand 1 Mio anlegen soll, um sich vor einer angenommenen Hyperinflation zu schützen. Viele andere Faktoren sollten noch zusätzlich berücksichtigt werden. Und meine Fonds sind immer nur Teile oder Bausteine eines wohl strukturierten und wohl durchdachten Ganzen.
Tolle Darstellung, schön gemacht und vielen Dank dafür.
Was natürlich interessant wäre ist der Zusammenhang mit Griechenland und Inflation, wie auch die Abgrenzung
Inflation zu Währungsreform.