Finanzkrise Teil 8: Eigenkapitalquoten

CB023356Die Notenbankchefs und Bankenaufseher von 27 Nationen haben sich diese Tage auf neue Eingenkapitalregeln für Banken im Grundsatz geeinigt. Näheres dazu in folgenden Beiträgen:

Aus heutiger Sicht ist klar, dass die sehr geringen Eigenkapitalquoten von teilweise unter 2% mitverantwortlich für die Bankenkrise waren, die ihren Höhepunkt ziemlich genau vor einem Jahr erreichte. Ferner hatten die Kapitalregeln für Banken in ihrer bisherigen Form eine krisenverstärkende Wirkung …

Bis 1988 galten in Europa jeweils nationale Kapitalregeln für Banken. Sowohl in Deutschland als auch in Amerika mussten Banken eine Eigenkapitalquote von mindestens 4% haben. Das bdeutete immerhin: Eine Bank durfte bis zu 96% ihrer Vermögenswerte fremdfinanzieren. Die meisten deutschen Banken hatten damals eine Eigenkapitalquote von 5% bis 6%.  

Basel I und die Definition des „Kernkapitals“

Dann wurden 1988 die Kapitalregeln international festgelegt durch das sogenannte Basel-I-System.

Mit Basel I wurde die sogenannte Kernkapitalquote definiert. Dabei wird jeder Vermögenswert, den eine Bank auf ihrer Aktivseite hat, mit einem Risikogewicht zwischen 0 und 1 versehen. Der Wert 0 bedeutet gar kein Risiko und gilt beispielsweise für Staatsanleihen. Der Wert 1 steht für ein hohes Risiko. Ein Kredit, den die Bank einer anderen Bank gibt, muss nach Basel I zum Beispiel mit 0,2 gewichtet werden.

Jeder Vermögenswert multipliziert mit dem entsprechenden Risikogewicht wird „Risikoposition“ genannt. Die Summe der Risikopositionen ist in der Regel niedriger als die Summe aller (ungewichteten) Vermögenswerte.

Die Kernkapitalquote ist nun: Eigenkapital / Summe der Risikopositionen. Die Basel-I-Regeln legten fest, dass die Kernkapitalquote jeder Bank mindestens 4% betragen muss.

Durch diese komplizierte Regelung konnte es sein, dass eine Bank diese Anforderung an die Kernkapitalquote einhielt, die tatsächliche Eigenkapitalquote aber stark unterhalb dieser 4%-Marke lag.  Hier ein paar Beispiele für das Geschäftsjahr 2007 [Sinn, Kasino-Kapitalismus S. 160]:

  • Deutsche Bank. Bilanzielle EK-Quote = 1,9%
  • Dresdner Bank. Bilanzielle EK-Quote = 2,5%
  • Commerzbank. Bilanzielle EK-Quote = 2,6%
  • HypoVereinsbank. Bilanzielle EK-Quote = 5,7%
  • Hypo Real Estage. Bilanzielle EK-Quote = 1,5%
  • UBS. Bilanzielle EK-Quote = 1,9%

Die EK-Quoten in 2007 nach Regionen im Mittel

  • Deutsches Bankensystem: 4,0%
  • Banken im Euro-Raum: 6,7%
  • US-Banken: 10,5%

Wie die Eigenkapitalregeln die Krise verstärkten

Heute ist klar, dass diese geringe Eigenkapitalausstattung Banken sehr anfällig für Krisen macht. Dass wir in den letzten Monaten kurz vor einem weltweiten Bankenkollaps standen, hängt sicherlich mit diesen extrem niedrigen Eigenkapitalquoten zusammen. Daher halte ich es für absolut richtig, wenn die Bankenaufseher hier nachbessern. Dieselbe Meinung vertritt auch Prof. Sinn in seinem Buch „Kasino-Kapitalismus“ oder der US-Ökonom Robert Shiller (Siehe beispielsweise sein Interview in der SZ).

Ferner hatten die Kapitalregeln ohne Zweifel letzten Herbst einen krisenverstärkenden Effekt.

Um das klar zu machen, nehmen wir eine Bank an, deren Kerkapitalquote gerade am unteren Limit ist. Nehmen wir an die Aktivseite steht mit 100 Mrd Euro in den Büchern, das Eigenkapital beträgt 4 Mrd Euro. Der Rest, also 96 Mrd Euro, ist für die Bank Fremdkapital: eingesammelt als Einlagen von Sparern, Krediten anderer Banken oder über Bankanleihen.

Nehmen wir an, dass auf der Aktivseite aufgrund der Krise Verluste in Höhe von 2 Mrd Euro entstehen. Damit ist die Summe der Aktiva auf 98 Mrd Euro gesunken. Das ist ein Verlust von 2% bezogen auf die ursprüngliche Bilanzsumme. Man müste also meinen: nichts dramatisches.

Das Eigenkapital berechnet sich als Differenz zwischen Aktiva und Fremdkapital. Da das Fremdkapital wertmäßig nach wie vor bei 96 Mrd Euro liegt, ist das Eigenkapital von 4 Mrd Euro auf 2 Mrd Euro (=98-96) gesunken. Das Eigenkapital hat sich also halbiert. Das ist allerdings durchaus dramatisch.

Was aber noch dramatischer ist, ist, dass die Eigenkapitalquote jetzt bei ca. 2% liegt (= 2/98) und somit deutlich unter der gesetzlich vorgeschreibenen Marke.

Die Bank hat in solch einer Situation drei Möglichkeiten:

  1. Sie verliert ihre Banklizenz. Oder:
  2. Sie muss neues Eigenkapital auftreiben (in unserem Fall mindestens 2 Mrd Euro). Oder:
  3. Sie stößt Vermögensgegenstände ab.

Die erste Möglichkeit ist natürlich für eine Bank indiskutabel. Die zweite Möglichkeit ist unter Umständen und gerade in Krisenzeiten schwer realisierbar. Noch am schnellsten, wenn sich der Staat entsprechend beteiligt. So geschehen beispielsweise in Großbritannien mit Northern Rock oder RBS.

Mit am leichtesten ist die dritte Möglichkeit umzusetzen. Die Bank schraubt dann ihre Aktivseite einfach so weit runter, damit die 2 Mrd Euro für die EK-Quote von 4% genügen. Nur was heißt das?

Das heißt, dass die Bank etwa die Hälfte ihrer Vermögensgegenstände liquidieren muss. Denn erst, wenn die Aktivseite bei einem Wert von 50 Mrd Euro ist, genügt ein Eigenkapital von 2 Mrd Euro, um die Quote von 4% zu gewährleisten (2/50 = 4%). Die Bank müsste als Vermögensgegenstände im Wert von 48 Mrd Euro versilbern.

Die fatale Konsequenz: Stehen die Märkte in einer Krise sowieso schon unter Druck, so stehen notgedrungen die Banken auch noch auf der Verkäuferseite, um ihre Eigenkapitalquoten zu schützen. Auf diese Weise wird der Abwärtsdruck und damit die Krise noch verstärkt.

Dieses Beispiel zeigt, dass nur ein geringfügiger Verlust (in unserem Fall nur -2%) bereits dramatische Folgen für eine Bank hat, sofern sie mit ihrer EK-Quote absolut am Limit agiert.

Die heftigen Kursabshläge, die wir vor etwa einem Jahr erlebten, hatten sicherlich auch mit diesem eben geschilderten Mechanismus zu tun.

Kreditklemme

Noch ein letzter Punkt. Banken haben auf ihrer Aktivseite Kredite an Unternehmen. Klar ist auch, dass eine Bank, die gerade darum kämpft, ihre EK-Quote wieder nach oben zu bekommen, sehr restriktiv bei der Vergabe von Krediten sein wird. Damit haben wir die in den Medien oft erwähnte Kreditklemme. Eine solche Kreditklemme hat unmittelbare Auswirkungen auf die realwirtschaftliche Entwicklung. Unternehmen können nicht mehr so investieren, wie sie es gerne wollten. Auch das ein krisen-verstärkender Effekt.

Links zu früheren Blog-Beiträgen zum Thema Finanzkrise:

3 Kommentare
  1. S.B.
    S.B. sagte:

    Hallo Herr Peterreins,

    ich bin Student und möchte Ihnen danken, dass Sie zusammenfassend mehrere Blogs über die Finanzkrise geschrieben haben, da wirklich eine ungemeine Überinformation herrscht ohne wirklich in den Kernpunkten informiert zu werden.
    Nun hätte ich eine Frage bezüglich der Eigenkapitalquote: Wenn nun die Aktive im Wert sinken auf 98 Mrd €, so sinkt auch auch das Eigenkapital um 2 Mrd €. Bis hierhin habe ich alles verstanden.
    Logisch ist auch, dass die Bank nun versuchen wird Vermögenswerte zu veräußern. Wieso fließen die Einnahmen dieser Veräußerungen allerdings nicht in das Eigenkapital? In Ihrer Rechnung bleibt es über den ganzen Zeitraum konstant.
    Eine weiter Frage die ich mir stelle: Inwiefern ist die Bilanz am Ende noch ausgeglichen? Wenn ich die Aktivseite auf 50 Mrd € reduziere, müsste die Bilanzsumme der Passivseite folglich auch nur noch 50 Mrd € betragen. Heißt das, dass die Einnahmen direkt in die Begleichung der Verbindlichkeiten fließen?

    Grüße

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Danke für Ihren Kommentar.

      Sei haben natürlich recht: Wenn ein unrealisierter Gewinn realisiert wird, dann erhöht das die Eigenkapitalquote. Umgekehrt kann es bei einem Verkauf aber auch zur Realisierung von Verlusten kommen, was die EK-Quote weiter belasten würde.

      Ich habe meine Rechnung dahingehend vereinfacht, als ich einfach von der Annahme ausgegangen bin, dass realisierte Gewinne und realisierte Verluste sich in etwa die Waage halten. Bei der Rechnung kam es mir ja vor allem darauf an, aufzuzeigen, wie dramatsich sich Verluste auf der Aktivseite auf die EK-Quote auswirken. Eine Berechnung, die die genauen realisierten Gewinne und Verluste berücksichtigt, wäre natürlich richtiger, erschwert aber möglicherweise das Verständnis dessen, worauf ich hinauswollte.

      Um Ihre zweite Frage zu beantworten. Ja, ich bin davon ausgegangen, dass auf der Passivseite die Verbindlichkeiten entsprechend reduziert werden.

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  1. […] die höhere Eigenkapitalquote für Banken geradewegs zur Kreditklemme? Dies wird sich erst im Laufe der zeigen. Bereits in diesem Jahr […]

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