Sinn und Unsinn von Garantieprodukten
Angesichts der Finanzkrise sind aktuelle Garantieprodukte wieder in Mode. In der heutigen Süddeutschen Zeitung wird Prof. Andreas Oehler zu diesen Anlageformen interviewt: „Das sind kastrierte Produkte“. Hier ein paar Zitate:
Oehler: Die Konstruktion ist ökonomisch widersinnig: Einerseits wollen Anleger am Aktienmarkt ein Risiko eingehen, andererseits suche sie Schutz vor genau diesem Risiko … Wenn ich als Anleger größere Renditechancen als auf dem Tagesgeldkonto wünsche, dann ist damit automatisch ein höheres Risiko verbunden. Das Risiko gleich wieder abzusichern ist sinnlos. …
SZ: Warum verkaufen sich die Produkte dennoch so gut?
Oehler: Klasse Werbung. Das Wort ‚Garantie‘ klingt gut und bedient wohl ein unterschwelliges Sicherheitsbedürfnis. Und wenn gleichzeitig noch mehr Rendite versprochen wird, fallen die Anleger darauf herein …
Damit hat Prof. Oehler tatsächlich das Wichtigste zum Thema Garantieprodukte gesagt:
- Wer 100%ige Sicherheit will, findet sie nur bei Tagesgeld oder kurz laufenden Staatsanleihen.
- Wer mehr Rendite will, als mit Tagesgeld oder Staatsanleihen möglich ist, muss unweigerlich ein Verlustrisiko eingehen. Anders geht es nicht.
- Viele Anleger träumen von der „eierlegenden Wollmilchsau“ bei der Geldanlage: absolute Sicherheit plus attraktive Renditen.
- Diesen Traum vieler Anleger machen sich die Banken mit bestimmten Produktemissionen und einer entsprechenden Werbung gerade in Krisenzeiten zu nutze. Diese Produkte machen vor allem einen reich: die emittierende Bank.
So allgemein ich diese vier Punkte eben formuliert habe, so möchte ich doch erwähnen, dass es druchaus „Garantie-Strategien“ gibt. Die einfachste funktioniert so:
Nehmen wir an, Herr A hat 100.000 Euro anzulegen. Und er will das Geld so anlegen, dass er diese 100.000 Euro in 10 Jahren garantiert wieder hat. Und zwar mit 100%iger Garantie. Andererseits wünscht er sich eine Rendite, die höher ist als derzeit mit Tagesgeld möglich ist. Die Tagesgeldzinsen liegen derzeit zwischen 1% und 2%.
Dazu könnte er zunächst für 80.000 Euro Null-Kupon-Anleihen (Zero-Bonds) kaufen, die in 10 Jahren endfällig sind. Die restlichen 20.000 Euro legt er hochspekulativ an.
Ich nehme einmal an, dass Herr A für seine Zero-Bonds eine Rendite von 2,5% bekommt. In 10 Jahren werden dann aus diesen 80.000 Euro (wegen des Zinseszinseffektes) 102.407 Euro.
Egal also, ob er die spekulativ angelegten 20.000 Euro komplett verliert oder nicht: Herr A wird am Ende garantiert etwas über 102.000 Euro haben. Die Kaptialgarantie ist also gegeben.
Wie sich diese Strategie für Herrn A unterm Strich rechnet, hängt am Ende von dem Ergebnis ab, das er mit seinen spekulativ angelegten 20.000 Euro erreichen wird. Hier eine tabellarische Aufstellung:
- Rendite der 20.000 Euro: -100% (Totalverlust) => 0,2% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: -50% => 1,2% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: 0% => 2,0% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: 5% pro Jahr => 3,0% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: 7% pro Jahr => 3,6% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: 10% pro Jahr => 4,4% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: 15% pro Jahr => 6,2% p.a.
- Rendite der 20.000 Euro: 20% pro Jahr => 8,5% p.a.
Man sieht daran, dass die spekulative Teilstrategie tatsächlich ein sehr gutes Ergebnis bringen muss, damit sich das Ganze für Herrn A unterm Strich lohnt.
Wählt man beispielsweise als spekulative Teilstrategie den Erwerb einen reinen Aktien-ETFs, und rechnet man für die nächsten 10 Jahre am Aktienmarkt mit einer durchschnittlichen Rendite von 7% p.a. (nach Steuern), dann ergibt sich gerade einmal eine Rendite von 3,6% p.a. für die Gesamtstrategie. Nicht gerade umwerfend.
Ein Zwischenfazit: Diese Strategie mit Kapitalgarantie rentiert sich nur, wenn man die spekulative Teilstrategie im günstigsten Fall eine wirklich exporbitant hohe Rendite erwarten lässt. Es sollte hier also nicht nur eine riskante, sondern eine hochspekulative Teilstrategie gewählt werden. Um so höher aber auch das Risiko, dass Herr A am Ende nur das garantierte Kaptial zurück erhält.
Ferner gibt es folgende Risiken:
- Inflationsrisiko: In 10 Jahren kann das garantierte Kapital real (d.h. um die Geldentwertung bereinigt) nur noch sehr wenig wert sein.
- Emittentenrisiko: Die Kapitalgarantie steht und fällt mit den Emittenten der Zero-Bonds. Sollte einer dieser Emittenten zahlungsunfähig werden, dann wackelt die ganze Konstruktion.
- Preisrisiko: Es besteht trotz der Kapitalgarantie noch das Risiko, dass diese Strategie schlechter abschneidet als Fest- oder Tagesgeld.
- Laufzeit: Der Anleger ist mit dieser Strategie über 10 Jahre gebunden. Die Kapitalgarantie gibt es nur zum Laufzeitende. Sollte der Anleger vorzeitig das Geld wieder benötigen, so ist ein Verlust nicht auszuschließen.
Ich bin der Meinung, dass viele Anleger, die Garantieprodukte erwerben, nicht wissen, worauf sie sich einlassen. Ich möchte Garantie-Strategien (wie die eben geschiderte) nicht prinzipiell schlecht heißen, gerade im Gegenteil: Sie können durchaus für bestimmte Anleger in bestimmten Situationen sinnvoll sein.
Ich glaube aber, dass die meisten Anleger derzeit Garantieproukte nicht aus einer strategischen Zielsetzung heraus erwerben, sondern aufgrund eines dumpfen Gefühls der Unsicherheit und Angst. Und wahrscheinlich, weil ihnen diese Produkte gut verkauft werden. Das sind allesamt sehr schlechte Gründe.
Weitere Links
- FTD: „Garantie mal starr, mal dynamisch„
- Handelsblatt: „Hedgefondszertifikate kommen aus der Mode„
- Handelsblatt: „Garantiezertifikate: Vollkaskoschutz mit Löchern„
- Wirtschaftswoche: „Garantiezertifikate„
Schon die Zielsetzung eines Garantieproduktes ist ja im Grunde irrational: Was nützt es mir, wenn ich in 20 Jahren den Nominalwert meines Kapitals erhalten habe? Durch die Inflation erleidet man letztlich doch einen Verlust – und der Kapitalerhalt ist nicht mehr als eine völlig willkürliche Festsetzung. Dass die „Garantie“ Anlegern aber ein gutes Gefühl gibt, ist nachzuvollziehen.