Finanzkrise Teil 2: Der Community Reinvestment Act von 1995

j0305894Im letzten Blog-Beitrag habe ich dargelegt, dass US-Hypotheken regressfrei sind. D.h. ein amerikanischer Immobilienkäufer haftet nur mit der gekauften Immobilie, nicht aber darüber hinaus mit seinem sonstigen Privatvermögen. Dies hat zur Folge, dass seine Ertragschancen mit der Immobilie um so höher sind, je weniger eigenes Kapital er einbringt bzw. je höher die Fremdkapitalquote ist. Im Extremfall einer 100%igen Fremdfinanzierung (oder höher), kann ein Amerikaner nur gewinnen, während die Bank ein erhöhtes Verlustrisiko eingeht.

Die Frage war dann: Warum lassen sich US-Banken überhaupt auf solche für sie offensichtlich schlechten Geschäfte ein?

Prof. Sinn antwortet, dass die US-Banken aus zwei Gründen mitmachten [S. 118]:

  1. Wegen des gesetzlichen Zwangs resultierend aus einer Gesetzesnovelle von 1995.
  2. Aufgrund der sog. Bloos-Regel: Da die Banken selbst nur ein Minimum an Eigenkapital einsetzen (2-8% der Bilanzsumme) haben sie eine künstliche Neigung, erhöhte Risiken einzugehen.

Ich gehe zunächst auf die erwähnte Gesetzesnovelle von 1995 ein …

Bis 1995 war bei amerikanischen Banken das sog. Red Lining üblich. Dabei umrandeten die Banker auf Stadtplänen ganze Viertel rot, um diese von der Kreditvergabe auszuschließen. Mit diesen Stadteilen hatten sie schon schlechte Erfahrungen gemacht, so dass sie es vorzogen hier keine Geschäfte zu machen.

Die Politik hatte nun Sorge, dass aufgrund dieser Praxis insbesondere die Viertel ärmerer Bevölkerungsschichten dem Verfall preisgegeben waren. Außerdem wurde das Red Lining als diskriminierend empfunden.

Der damalige US-Präsident Bill Clinton betrieb daher die Novelle eines Bundesgesetzes, des sog. Community Reinvestment Acts. 1995 trat diese Gesetzesnovelle in Kraft trat. Von nun an waren die Banken gesetzlich dazu gezwungen, das Red Lining aufzugeben. Die amerikanischen Kreditinstitute mussten die Bonitätsanforderungen, die normalerweise an eine Hypothekenvergabe geknüpft sind, lockern. Minder bemittelte Personen konnten sogar gerichtlich gegen Banken vorgehen, wenn ihnen Kredite ohne triftigen Grund verweigert wurden. Das geschah auch des öfteren.

Aus politischer Sicht war die Gesetzesnovelle ein voller Erfolg. Im Vergleich zu den Vorjahren stieg der Anteil der Haushalte mit Immobilienbesitz ab 1995 um 6%. Gerade innerhalb der ärmeren Bevölkerungsschichten, beispielsweise Afroamerikaner (+13%) und Hispanics (+18%) stieg die Anzahl der Hausbesitzer überdurchschnittlich an. [Sinn S. 122]

Die Banker nennen Kredite guter Schuldner den Prime-Markt. Kredite an Personen, die selbst über kaum Vermögen verfügen sowie nur wenig verdienen, nennt man den Subprime-Markt. Die Anzahl dieser Subprime-Kredite war lange Zeit unbedeutend, explodierte aber in den Jahren nach 1995 auf über 6 Mio. Rechnet man einmal (rein hypothetisch) mit einem subprime-Kredit von durchschnittlichen 50.000 USD, dann etnspricht dies einem Volumen von ganz grob geschätzten 300 Mrd. USD.

Bis zum Jahr 2003 machten Hypothekenkredite an schlechte Schuldner unter 10% aller vergebenen Hypothekendarlehen aus, in 2004 stieg dieser Anteil explosionsartig auf knapp 25%, 2005 auf über 30% und 2006 auf etwa 34%. [Sinn S. 124]

An dieser Stelle will ich jedoch eine Kritik an Prof. Sinn vorwegnehmen. Es ist auffällig, dass die eigentliche Explosion des subprime-Marktes nicht unmittelbar in den Jahren nach 1995 stattfand, sondern erst ab 2004, also 9 Jahre nach der Gesetzesnovelle. Irgendetwas muss also in dieser Zeit noch dazu gekommen sein. Die Gesetzesnovelle alleine kann es nicht gewesen sein. Ich werde mir in späteren Blot-Beiträgen darüber noch einmal Gedanken machen.

Link zum ersten Teil: US-Hypotheken sind regressfrei.

6 Kommentare
  1. Robert Maehl
    Robert Maehl sagte:

    Zu ihrer Kritik:
    Im Jahre 2004 wurden die Fannie Mae und die Freddie Mac Bank dazu ermächtigt riskante Kredite zu vergeben, was ein Resultat der Präsidentenwahl diesen Jahres war, in der George Bush mit dem Slogan: ,,Jedem sein eigenes Haus“ warb, was gegen das von ihnen bereits genannte Redlining wirken sollte.
    Dieser Druck ( der übrigens 1999 schon einmal in nicht so intensivem Ausmaß von der Regierung Clinton ausgeübt wurde) wirkte besonders bei diesen Banken da sie als GSE’s gelten und war die Initialzündung der Eskalation der Subprime Krise. Dass die beiden Banken dazu bereit waren diese Kredite zu genehmigen erklärt sich aus dem Resultat der Risikokonsolidierung, nämlich der Verbriefung dieser Kredite.
    Hinweise zu diesem Thema finden sie auch in dem Buch
    ,,Der Amerikanische Virus“ von Rainer Hank 😉

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Der Titel des Buches ist: „Kasino Kapitalismus – Wie es zur Finanzkrise kam, und was jetzt zu tun ist“. Prof. Sinn ist gut darin, dass was geschehen ist zu analysieren und zu erklären. Wenn es aber um das „was jetzt zu tun ist“, liegt er – wenn ich es richtig beurteile – größtenteils falsch. Ganz besonders schlecht ist das Buch, wenn Prof. Sinn versucht künftige Entwicklungen vorherzusehen. Er hat beispielsweise für 2010 einen dramatischen wirtschaftlichen Einbruch vorhergesagt. Heute wissen wir, dass das Gegenteil passiert ist. Und die Staatsschuldenkrise (auch Euro-Krise), die ja dann ab Ende 2009 losging, hat er auch nicht kommen sehen.

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  2. Der Couponschneider
    Der Couponschneider sagte:

    Ein guter Artikel, wie auch die anderen zu diesem Thema. Ich hatte schon damals den Eindruck, dass Kommentare wie der Ihrige, sowie von Henkel und Prof. Sinn, Zeugnisse einsamer Rufer der Wahrheit sind. Bei der ganzen Berichterstattung kam es mir so vor, als wenn die Sache mit Immobilien und der Förderung der Immobilien durch den Staat völlig unter den Teppich gekehrt wurde. Man versteifte sich darauf, Zocker hätten die Welt in die Krise gestürzt, aber nicht Politiker, die soziale Wohltaten verteilen und Keynesianismus betreiben.

    Die Journalisten in Deutschland ist nunmal vornehmlich links, also wurde die Rolle des Staates schnell unter den Teppich gekehrt. Wir konnte Geschichtsfälschung live miterleben. Die Gehirnwäsche war sogar so erfolgreich, dass nach der Lehman-Pleite die S&K-Holding besonders erfolgreich mit ihrem Immobiliengeschäft wurde. Die konnten einfach auf die Börse verweisen, wie unsicher das doch alles sei und Betongold angeblich sehr sicher.

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  3. Christine Wölfinger
    Christine Wölfinger sagte:

    „Der damalige US-Präsident Bill Clinton betrieb daher die Novelle eines Bundesgesetzes, des sog. Community Reinvestment Acts. 1995 trat diese Gesetzesnovelle in Kraft trat.“ Welche Novelle?

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