Benoit Mandelbrot über Kapitalmarktrenditen (Teil 2)

In meinem letzten Beitrag bin ich bereits auf Benoit Mandelbrot und sein Buch „Fraktale und Finanzen: Märkte zwischen Risiko, Rendite und Ruin“ eingegangen. Der berühmte Mathematiker Mandelbrot hat sich intensiv mit Kapitalmarktdaten beschäftigt und kommt zu dem eindeutigen Ergebnis: Kapitalmarktrenditen können nicht normalverteilt sein. (Link dorthin)

Nachfolgend noch ein weiteres Zitat aus diesem Buch …

Mandelbrot beschäftigt sich auf S. 145 mit Devisen. Immerhin gibt es für den Wechselkurs britisches Pfund zu niederländischen Gulden eine Datenreihe, die bis 1609 zurückreicht. Die Weschelkursänderungen kann man nach ihren Häufigkeiten sortieren und dann eine Gauß’sche Glockenkurve darüberlegen. Mandelbrot stellt einen solchen Chart auf S. 146 dar:

Benoit Mandelbrot schreibt hierzu:

„Hier sind vier Jahrhunderte der Geschichte und der Turbulenzen festgehalten (nach DeVries 2002)… Diese Daten von 1609 bis 2002 entsprechen nicht der Standard-Verteilungskurve: Es gibt zu viele sehr kleine und sehr große Preisänderungen – also zu wenige Punkte dazwischen.“

Mandelbrot schreibt weiter (ab S. 149 ff.)

„Die Beweise gegen die Annahme innerhalb des Standadrsmodells wiegen so schwer, dass man nicht mehr vernünftig dafür eintreten kann, sie völlig zu ignorieren. Nachdem ich vor 40 Jahren eine Schlacht zu diesem Thema begonnen habe, erkennen die Ökonomen mittlerweile an, dass dei Kurse sich nicht an die Glockenkurve halten …

Dennoch folgt bei vielen, nachdem sie diese Punkte eingeräumt haben, anschließend der Kommentar. Na und? Unabhängigkeit und Normalverteilung sind, so sagen sie, lediglich Annahmen, die uns helfen, die Mathematik der modernen Finanztheorie zu vereinfachen. Nur die Ergebnisse zählen…“

Und weiter ab Seite 154:

„Warum aber lehren die meisten Wirtschaftswissenschaftler, wenn so viele Gegenbeweise vorliegen, weiterhin die orthodoxen Finanzmodelle, und warum halten viele Finanziers sie in Ehren? Wenn es um die Astronomie ginge, wäre die Debatte längst zu Ende. Angenommen, Observatorien fänden plötzlich einen neuen Planeten, wo der Standardtheorie zufolge keiner sein sollte. Und dann noch einen und noch einen und so weiter. Astronomen würden die Daten, nachdem sie ihre Instrumente überprüft haben, nicht ignorieren …

Und die Hohenpriester der modernen Finanztheorie halten das Ziel weiterhin im Auge. Bei jeder gemeldeten Anomalie wird eine ‚Reparatur‘ vorgenommen, damit alles wieder stimmt …

Solche Ad-hoc-Reparaturen sind jedoch mittelaterlich. Sie umgehen widersprechende Belege, anstatt auf ihnen aufzubauen und sie zu erklären. Die Reparaturen ähneln den zahllosen Nachbesserungen, die die Verteidiger der alten ptolemäischen Kosmologie vornahmen, um neue, nervtötende astronomische Beobachtungen einzupassen … Es bedrufte der vereinten Bemühungen von Brahe, Kpoernikus, Galilei und Kepler, bis ein einfacheres Modell entworfen werden konnte…

Also wieder die Frage: Warum bleibt die alte Ordnung bestehen? Aus Gewohnheit und Bequemlichkeit. Unter dem Strich ist die Mathematik einfach und kann so hergerichtet werden, dass sie eindrucksvoll aussieht … Wirtscahftshochshulen in aller Welt lehren sie weiterhin. Sie haben Tausende von Finanzangestellen, Tausende von Analgeberatern ausgebildet. Wie die meisten dieser Absolventen aus anschließenden Erfahrungen lernen mussten, funktionier es in Wahrheit nicht wie angekündigt …“

 Sehr gut ist auch, was Benoit Mandbrot ganz am Anfang auf Seite 26 ff.  schreibt:

„… Tatsächlich hätte es so etwas wie den 28. August 1998 nach herkömmlichem Wissen einfach nicht geben dürfen. Den Standardmodellen der Finanzindustrie zufolge war eine solche Ereignisfolge derart unwahrscheinlich, dass sie unmöglich schien. Nach den Standartheorien, wie man sie in den Wirtschaftsschulen aller Welt lehrt, wäre die Chance für jenen  abschließenden Absturz am 31. August auf eins zu 20 Millionen geschätzt worden – selbst wenn man 100.000 Jahre lang täglich an der Börse handeln würde, sollte man ein solches Ereignis kein einziges Mal erleben…

… Auf den Finanzmärkten gescheiht das scheinbar Unwahrscheinliche ständig….

… Während des vergangenen Jahrhunderts entwarfen [die Finanztheoretiker] einen komplizierten mathematischen Apparat zur Bewertung von Risiken. In den siebziger Jahren wurde er von der Wall Street in Bausch und Bogen übernommen … Doch die finanziellen Erschütterungen und Turbulenzen der achtziger und neunziger Jahre haben sowohl unter den Finanziers als auch unter den Wirtschaftswissenschaftlern ein Umdenken erzwungen. Der schwarze Montag von 1987, die Wirtschaftskrise in Asien von 1997, der russische Sommer von 1998 und die Baisse von 2001 bis 2003 – viele merken nun, dass da offensichtlich etwa nicht stimmt.“

Und Mandelbrot schrieb all dies noch vor den Turbulenzen 2008 und 2009. Wer will angesichts dieser überwältigenden Datenlage wirklich noch ernsthaft daran glauben, dass das Standardmodell, von dem die moderne Finanztheorie ausgeht, mit der Wirktlichkeit übereinstimmt?

 

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