Unangeschnallt und ohne Airbag zu rasen ist unvernünftig (Teil1)…
Ich möchte im folgenden beispielhaft darstellen, wie mein Beratungsansatz ist. Das Folgende ist frei erfunden, gibt aber typische Fragestellungen wieder.
Herr S. ist 45 Jahre alt, verdient gut und kommt zu mir, um sich sein Wertpapierdepot im Wert von 370.000 Euro von mir ansehen zu lassen. Er hat, wie so viele, in den letzten Monaten viel Geld verloren und ist sich jetzt unsicher, wie es weitergehen soll.
Er zeigt mir sein Depot, und er hat fast ausschließlich Aktienfonds….
Als erstes gehe ich ins Internet und überprüfe die Kostenstruktur der Aktienfonds, die Herr S. im Depot hat. Ziemlich schnell erkenne ich, dass seine Fonds eine durchschnittliche Kostenbelastung von etwa 1,8% pro Jahr haben.
Nachdem ich dies Herrn S. sage, will er mir das zunächst nicht glauben. Er bezieht sich auf den Berater, der ihm diese Fonds ins Depot gelegt hat. Und der hätte behauptet, so sagt er, dass außer dem Agio keine weiteren Kosten anfallen würden. Leider erlebe ich es immer wieder, dass Anleger sich nicht über die inneren Kosten ihrer Anlageprodukte im Klaren sind. Nicht wenige denken tatsächlich, dass außer dem Ausgabeaufschlag bei Investmentfonds keine weiteren Kosten anfallen.
Tatsächlich fallen eine ganze Latte an laufenden Kosten an, die vom Fondsvermögen direkt abgezwackt werden, unter anderem das Honorar fürs Fonds-Management. Nach einer Studie vom Herbst 2007 belaufen sich die gesamten laufenden Kosten eines durchschnittlichen in Deutschland zugelassenen Fonds auf 1,74%.
Wie wichtig die Kosten sind, sieht man an folgender Beispielrechnung. Nehmen wir an, die Fonds von Herrn S. werden in den nächsten 20 Jahren vor Kosten eine Rendite von 7% bringen, dann wird die Netto-Rendite für ihn 5,2% p.a. sein. Bei einer solchen Rendite werden aus den ursprünglichen 370.000 Euro am Ende 1.019.804 Euro.
Wenn seine Fonds nur 0,3% weniger kosten, dann wird er netto 5,5% Rendite erzielen. Bei dieser Rendite werden aus den 370.000 Euro nach 20 Jahren 1.079.570 Euro. Das sind über 59.000 Euro mehr als bei der ersten Variante!
Also bereits eine geringfügige Reduzierung der Kosten macht auf lange Sicht schon einen gewaltigen Unterschied. Könnten seine laufenden Kosten noch weiter auf 1,2% p.a. runtergefahren werden, dann wird er am Ende sogar über 120.000 Euro mehr haben.
Nach dieser Berechnung ist Herr S. dann doch erstaunt. Egal also, wie das Beratungsgespräch enden wird, er wird in jedem Fall in kostengünstigere Investmentfonds umschichten.
Im zweiten Schritt frage ich Herrn S., welche Anlageziele er verfolgt. Zunächst versteht er die Frage nicht. Er meint, er würde halt eine möglichst hohe Rendite anstreben und wäre auch entsprechend risikobereit. Ich frage weiter: Und wenn er maximale Renditen tatsächlich erreicht, was hat er davon? Wozu soll ihm sein Vermögen letztlich nutzen?
Typische Beispiele für Anlageziele sind: Liquiditätsreserve oder die Vorsorge fürs Alter. Nach etwas Nachdenken sagt Herr S. dass er letztlich mit 65 (also nach 20 Jahren) von seinem Vermögen leben will. Wir überlegen uns gemeinsam, welchen monatlichen Betrag er wohl im Alter brauchen wird. Da er dann noch andere Einnahmequellen haben wird (u.a. die gesetzliche Rente und eine Betriebsrente) denkt er, nach Inflationsausgleich etwa 2700 Euro pro Monat zu benötigen.
Damit habe ich sein eigentliches Anlageziel gefunden: Er will eine gute Rendite erreichen, um mit 65 einen Betrag von 2700 Euro monatlich entnehmen zu können. Da für ihn ein Kapitalverzehr akzeptabel ist, kann ich für ihn berechnen, dass ihm 750.000 Euro genügen können, um dieses Ziel zu erreichen.
Zur Erinnerung: Herr S. hat aktuell 370.000 Euro, die vollständig in risikoreiche Aktienfonds angelegt sind. Die Frage ist jetzt, welche Zielrendite Herr S. notwendig braucht, um 750.000 Euro im Alter von 65 Jahren zu erreichen. Die Antwort lautet, dass ihm eine Rendite von (nur) 3,6% p.a. genügt, damit nach 30 Jahren aus seinen jetzigen 370.000 Euro 750.000 Euro werden.
An dieser Stelle kann man sich fragen, warum Herr S. überhaupt so riskant angelegt hat. Um sein Anlageziel zu erreichen, hätte er durchaus sicherheitsorientierter anlegen können. Eine Zielrendite von 3,6% bekommt er derzeit zwar nicht mit Fest- oder Tagesgeld (insbesondere nicht nach Steuern), aber ein volles Aktienrisiko braucht er auch nicht.
Ich vergleiche die Geldanlage manchmal mit dem Autofahren. Wenn ich von München nach Nürnberg fahren muss, kann ich sehr schnell fahren, um es in einer Stunde zu schaffen. Und wenn ich einen sehr wichtigen Termin habe, den ich dringend erreichen muss, werde ich das vielleicht auch tun. Wer aber vollkommen ohne Grund „wie ein Henker“ fährt, also unnötigerweise riskant, ist einfach unvernünftig.
Wenn ich mir Depots von Anlegern ansehe, kommt mir das oft so vor, als würde jemand nicht nur versuchen, in Rekordzeit von A nach B zu kommen, sondern auch noch unangeschnallt und ohne Airbag.
(wird fortgesetzt)
Quelle der in diesem Beitrag verwendeten Bilder: http://office.microsoft.com/de-de/clipart
Der Ansatz gefällt mir. Nicht an die Gier eines Menschen zu apellieren, möglichst viel (potentielle) Rendite zu erwirtschaften, sondern realistische Ziele mit geringstmöglichem Risiko zu erreichen. Finde ich verantwortungsbewusst. Viele Grüße, Ludwig
Realistische Ziele sind vernünftig. Geld kann man ins Grab nicht nehmen und einen zweiten Magen haben wir auch nicht 🙂