Sparverhalten der Deutschen
In der Süddeutschen Zeitung vom 11.07.2014 (Autor Jan Willmroth) wurde eine Studie zitiert, die zu folgendem Ergebnis kam:
„Die weltweiten Finanzmärkte seien für kleine Investoren angesichts einer stark wachsenden Anzahl neuer Produkte und Dienstleistungen immer leichter erreichbar, schreiben die US-Ökonominnen Annamaria Lusardi und Olivia Mitchell in einer Metastudie über den aktuellen Stand der Forschung. Die These: Komplexere Märkte erfordern immer mehr Anlegerwissen – um Risiken einschätzen zu können und ihre Renditechancen zu erhöhen. Das klappt aber nicht…
Das sind einfache Zusammenhänge, für die niemand spezielles Wirtschaftswissen braucht. Doch die Ergebnisse sind in vielen Industrieländern ernüchternd. Nur etwa jeder zweite Deutsche beantwortet alle drei [Test-]Fragen korrekt…
Doch ausgerechnet Jüngeren fehlt außer der Lernbereitschaft auch die Kreativität beim Sparen. Die langfristige Entwicklung sei geradezu alarmierend, schreibt etwa das Deutsche Aktieninstitut. Seit dem Crash nach der Jahrtausendwende haben fast vier Millionen Menschen der Börse den Rücken gekehrt, vor allem jüngere Anleger. „
Auch ich sehe ein Problem darin, dass vielen Bürgern die einfachsten Grundlagen für den Vermögensaufbau fehlt. Eine große Schuld sehe ich hier aber bei Banken und Finanzdienstleister, zum Teil sogar auch der Presse …
Denn es besteht eine Tendenz, Finanzangelegenheiten – ich möchte mich mal so ausdrücken – zu mystifizieren.
Nehmen wir einmal an, ein Anleger geht zu seinem Bankberater und will Geld in Aktien anlegen. Typischerweise wird der Berater sinngemäß sagen: „Da müssen Sie unbedingt in einen Aktienfonds investieren, der von einem Top-Fondsmanager betreut wird. Solche Manager beschäftigen sich tagein tagaus damit wie das Fondsvermögen am besten anzulegen ist. Sie verfügen über viele Leute im Research, kennen sich mit den Finanzmärkten aus, etc. All das können Sie nicht …“
Den Anlegern wird suggeriert, dass Geldanlage etwas sehr Komplexes, sehr Schwieriges ist. Vielleicht vergleichbar der Ingenieurs-Leistung eines Brückenbaus. Da gibt es Chart-Analyse mit wunderlichen Indikatoren, Fundamentalanalyse, KGVs, Ebits, etc. Alles sehr mathematisch und schwer verständlich.
Als Laie bekommt man schnell den Eindruck: „Da gibt es ein (geheimes) Wissen, zu dem ich keinen Zugang habe. Und deswegen brauche ich einen Fondsmanager oder einen Anlageberater, der all dies weiß und kann.“
Mein Eindruck ist, dass sich auf diese Weise bemerkenswert viele Finanz-Laien hinters Licht führen lassen und glauben, dass Vermögensaufbau viel zu kompliziert ist, um es alleine zu versuchen.
Die Wahrheit ist aber, dass Geldanlage eigentlich etwas sehr Einfaches ist. Bzw. dass das angebliche Spezialwissen der meisten Finanzexperten keinen Pfifferling wert ist. Nachfolgend ein paar einfache Richtlinien:
- Als Allererstes sollte man sich Klarheit über seine Anlageziele verschaffen, am besten im Sinne eines Vermögensziels („ich brauche 1 Mio Euro bis zum Jahr 2025“). Daraus ergibt sich die Zielrendite, die man benötigt, um sein Vermögensziel zu erreichen.
- Die Regel ist: Je niedriger die Zielrendite, umso besser. Denn umso sicherheitsorientierter kann man sein Geld anlegen bzw. ansparen. Braucht man nur sehr geringe Renditen, so kann man beherzt auf Tagesgeld setzen (egal ob dabei nach Abzug der Inflation ein Verlust entsteht – man sollte sich hier nicht verrückt machen lassen).
- Auf der ganz sicheren Seite steht Festgeld/Tagesgeld. Auf der riskantesten Seite sind Aktien-ETFs. Um mittlere Renditen zu erhalten, kann man einen Teil in Tagesgeld, einen anderen Teil in ETFs anlegen.
- Wenn man ETFs einsetzen möchte, setzt man idealerweise das sogenanntes Re-Balancing ein (Die Ist-Quoten werden hin und wieder den Soll-Quoten angepasst).
- Keine Timing-Versuche unternehmen (geht ja doch schief). Vielmehr klar sich strategisch ausrichten und ohne zu Zögern das Geld anlegen.
Die einzige Berechtigung für eine Finanzdienstleistung sehe ich in folgendem:
a Wenn jemand nicht weiß, wie er die oben genannten Punkte umsetzen kann, dann kann ein Finanzdienstleister eine Art Coach sein, also Hilfestellung und Tipps geben für die eigenständige Umsetzung.
b. Manche Menschen macht es einfach keinen Spaß bzw. fühlen sich überfordert, sich um ihr Finanzangelegenheiten zu kümmern (obwohl sie es natürlich theoretisch alleine könnten). Oder es ist reine Bequemlichkeit. Der Finanzdienstleister nimmt dem Kunden dann einfach eine Arbeit ab, die man natürlich auch selbst machen könnte. Das ist vergleichbar mit vielen anderen Dienstleistungen. Beispielsweise kann natürlich jeder alleine seine Reifen wechseln, manche ziehen aber den Service durch eine Kfz-Werkstatt vor. Oder: Natürlich kann jeder seine Hemden selbst bügeln, manche nehmen aber gerne einen Bügel-Service in Anspruch.
Durch eine Solche Auffassung von Finanzdienstleistungen entmystifiziert man das Thema Finanzen und Vermögensaufbau. Für manche Anbieter ist das vielleicht ein Problem, weil sie sich den Nimbus des komplizierten und schwer verständlichen Geheimwissens teuer bezahlten lassen (ähnlich wie früher die Hohenpriester).
Und genau deswegen, so meine Meinung, ist es um das allgemeine Finanzwissen so schlecht bestellt. Weil viele sich über Jahre einreden haben lassen, dass es sich hier um ein nicht-verstehbares Mysterium handelt. Aber glaubt mir: das ist es nicht.
Zu Punkt 1 bleibt noch zu ergänzen: Bei einer Familie mit Kindern steht im Gegensatz zu Partnern ohne Kinder nur wenig Geld zur Anlage zur Verfügung. Die Familie mit Kindern muss sich klar werden, ob einer der Eltern auf der Karriereleiter aufsteigen will und dann mehr anzulegendes Kapital zur Verfügung stehen wird oder ob beide Eltern arbeiten, um sich z.B. eine Immobilie kaufen zu können. Vor dieser Entscheidung ist ein „Coach“ notwendig, der natürlich das volle Vertrauen der Familie haben muss.
Alle Anderen sollten zunächst das Buch von Daniel Kahnemann: „Schnelles Denken, langsames Denken lesen“ bevor sie sich mit der Welt der Finanzen auseinander setzen.
Du hast schon recht, oft wird einem vorgegaukelt, dass das ein schwer zu verstehendes Thema ist und daher alles von einem „Fachmann“ machen lassen sollte.
Wenn man sich etwas mit dem Thema beschäftigt, merkt man oft das es eigentlich gar nicht so schwer ist. Klar man sollte noch jemanden zur Rate ziehen der damit mehr Erfahrung hat, aber dann sollte man es mal alleine probieren.