Formalitäten ohne Ende

Viele Anleger wissen nicht, mit welchen enormen – gesetzlich vorgeschriebenen – Formalitäten Finanzdienstleistungen verbunden sind. Das gilt vor allem für die Anlageberatung und für die Vermögensverwaltung (gem. § 1 KWG). Die Absicht des Gesetzgebers ist natürlich, den Anlegerschutz zu verbessern. In der Praxis – so jedenfalls meine Erfahrung – fühlen sich viele Anleger überfordert durch die überbordende Bürokratie. So mancher Kunde hat mich schon gefragt, ob ich denn verrückt sei, ihn mit all diesen Dokumenten zu belasten. Dann muss ich sagen, dass das nicht an mir liegt, sondern an den gesetzlichen Vorschriften …

Die Formalitäten beginnen bereits vor dem ersten Kundengespräch. Denn der Vermögensverwalter oder Anlageberater muss möglichst vorher dem Anleger bestimmte Informationen zukommen lassen. Das sind (gemäß § 31 Abs. 3 WpHG) folgende Dokumente:

  • eine Unternehmensbroschüre des Unternehmens (umfasst bei mir 13 Seiten)
  • die Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren (Die Version des Bank-Verlags umfasst etwa 150 Seiten, meine Zusammenfassung umfasst 12 Seiten)
  • die sogenannte Conflict of Interests Policy (bei mir 2 Seiten)
  • die sogenannte Best of Execution-Policy (bei mir eine Seite).

Also schon vor dem ersten Gespräch mit dem Vermögensverwalter oder Anlageberater müssen dem Neukunden Dokumente ausgehändigt werden, die über hundert Seiten umfassen können. Wer bitteschön will das alles lesen? Ich händige das natürlich, so wie es der Gesetzgeber will, vorher brav aus. Aber meine Erfahrung ist, dass kaum ein Neukunde auch nur die Hälfte davon liest.

Während des Gesprächs muss der Anlageberater ein Protokoll führen, das er nach dem Beratungsgespräch dem Kunden übergeben muss (gemäß § 34 Abs. 2a WpHG). Was genau protokolliert werden soll, wird übrigens auch vom Gesetzgeber geregelt.

Bevor der Finanzdienstleister dem Kunden ein konkretes Wertpapier empfehlen darf, muss der sogenannte WpHG-Fragebogen ausgefüllt werden. Auch was hier gefragt werden soll, hat der Gesetzgeber vorgeschrieben (§31 Abs. 4 WpHG):

  • den Schulabschluss des Kunden
  • Berufsausbildung und evtl. Studium des Kunden
  • Vermögensverhältnisse des Kunden
  • Einkommensverhältnisse
  • Anlageziele bzw. wesentliche Anliegen des Kunden für die Geldanlage
  • die Risikoneigung
  • Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden mit Finanzinstrumenten und Finanzdienstleistungen.

Bei einigen dieser Fragen kann man sich wirklich fragen, warum deren Beantwortung wichtig für die Anlageberatung ist. Will der Gesetzgeber beispielsweise, dass jemand mit Hauptschulabschluss anders beraten wird als jemand der studiert hat?

Auch bei den Fragen nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen stoße ich sehr häufig bei Anlegern auf Unverständnis. Warum muss ich das alles wissen? Die Antwort lautet: in erster Linie, weil es der Gesetzgeber so vorschreibt. Denn der Gesetzgeber meint, dass ich nur auf der Basis eines solch umfassenden Wissens beurteilen kann, ob ein bestimmtes Wertpapier für den Kunden geeignet ist oder nicht.

Überhaupt die sogenannte Geeignetheitsprüfung. Hat ein Kunde beispielsweise angegeben, dass er keine Kenntnisse oder Erfahrungen mit Aktien hat, dann darf ein Anlageberater diesem Kunden keine Aktien oder Aktienfonds empfehlen.

Das wäre in etwa so, als dürfte ein KFZ-Mechaniker nur dann am Fahrzeug eines Kunden reparieren, wenn der Kunde vorher angegeben hat, dass er genügend Kenntnisse und Erfahrungen im KFZ-Bereich hat.

Das ist doch irgendwie paradox. Als Laie gehe ich doch genau deswegen zu einem Profi, weil ich selbst keine Ahnung von der Materie hat. Nur im Finanzbereich fordert der Gesetzgeber, dass ein Profi nur das machen darf, wovon der Kunde selbst schon hinreichende Kenntnisse hat.

Ok, der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass man einen Kunden vorher entsprechendes Aufklärungsmaterial übergeben kann, um eventuell fehlende Kenntnisse aufzubessern. Ein Kunde also, der angegeben hat, weder Kenntnisse noch Erfahrungen mit Aktien zu haben, zu diesem Thema aber von mir beraten werden möchte, dem muss ich vorher noch eine „Risikoaufklärung zu Aktien-Investments“ unterschreiben lassen. Wieder ein Dokument mehr …

Nicht zu vergessen, dass Kunden seit dem 1.07.2011 ein sogenanntes Produktinformationsblatt ausgehändigt werden muss (gemäß § 31 Abs. 3a WpHG und § 5a WpDVerOV). Auch hier darf der Kunde wieder lesen.

Hier noch einmal eine kleine Zusammenfassung, welche Dokumente in der Regel bei einer simplen Anlageberatung laut gesetzlicher Vorschriften übergeben werden müssen:

  1. Unternehmensbroschüre
  2. Basisinformationen
  3. Conflict of Interest-Policy
  4. Best Execution Policy
  5. WpHG-Fragebogen
  6. Beratungsprotokoll
  7. Risikoaufklärung zu bestimmten Anlageformen im Allgemeinen
  8. Produktinformationsblatt.

Mir soll es recht sein, wenn es den Anlegerschutz verbessert. Tut es das wirklich?

 

 

 

 

 

 

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