Prof. Shiller über die Finanzkrise

Der renommierte Yale-Professor Robert Shiller galt immer als Kritiker des Finanzsystems. Insbesondere leugnete er das Dogma, dass die Finanzmärkte effizient seien. Stattdessen hat Prof. Shiller in seinem Buch Irrationaler Überschwang beschrieben, wie sich an den Kapitalmärkten Tendenzen selbst verstärken können. Im Sinne von Rückkoppelungseffekten: Weil die Aktien für ein paar Monate gestiegen sind, kaufen Anleger Aktien, so dass Aktien noch weiter steigen. Und umgekehrt: Weil Aktien eine Zeitlang gefallen sind, verkaufen Anleger Aktien, so dass die Kurse noch weiter fallen.

Darüber habe ich mehr geschrieben in meinem Artikel „Shillers Rückkoppelung lässt grüßen„.

In der Süddeutschen Zeitung wurde heute (25.01.2012) ein Interview mit Robert Shiller veröffentlicht. Darin spricht er u.a. über die Finanzkrise…

 „Shiller: Unsere Zivilisation ist auf Finanzinstitutionen aufgebaut. Das Finanzsystem ermöglicht es Menschen, ihre Ziele zu verfolgen. Es hat Schäden, und die sollten wir reparieren …

Shiller: Verglichen mit den Folgen eines Krieges war 2008 ein Kräuseln der Wellen. Sicher, viele Leute haben sehr gelitten. Aber das können wir künftig verhindern … Die Finanzkrise war aus historischer Sicht eine Delle. So etwas hat es in den vergangenen hundert Jahren immer wieder gegeben. Trotzdem hatten wir außerordentliches Wirtschaftswachstum. Ich wäre nicht so kritisch mit einem Finanzsystem, das dieses Wachstum ermöglicht hat.

SZ: Aber der Preis dafür, dass es bei der Delle blieb, war hoch. Die Staatsverschuldung explodierte und in Europa haben wir jetzt die Schuldenkrise.

Shiller: Die europäische Krise hat ihre Wurzeln in Grundzügen menschlichen Verhaltens. Politiker versprechen Dinge, die nicht bezahlbar sind. Menschen schwanken zwischen Überschwang und Angst. Deshalb kollabieren die Märkte gelegentlich. Die Verschuldung Griechenlands war ja vor der Krise hoch, aber tragbar. Dann bekamen die Anleger Angst vor einer Pleite, sie flohen aus griechischen Anleihen und trieben so die Zinsen in die Höhe Es wurde wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

SZ: Die Staatsschulden sind auch deshalb explodiert, weil Banken mit vielen Milliarden Dollar gerettet werden musten. Deshalb sind die Menschen ja so wütend auf die Wall Street.

Shiller: Solche Rettungsaktionen sind gelegentlich unvermeidbar. Es kommt darauf an, dass auch die einfachen Leute in einer Krise gerettet werden. Das ist möglich und es gibt Vorschläge dazu …

Shiller: … Ich will im Übrigen die systemischen Risiken gar nicht kleinreden, ich warne nur davor, Finanzinstitute als böse zu verdammen. Wenn ein Flugzeug verunglückt, sind dann die Fluggesellschaften böse? Gehen wir dann zurück zu Pferden als Transportmittel? Nein, wir holen Ingenieure, um das Problem zu lösen. Das scheint offensichtlich, ist es aber nicht. Die Leute moralisieren einfach.

… Aber es gibt viele sinnvolle [Finanz-]Innovationen. Die Verbriefung von Hypotheken zum Beispiel oder die Credit Debt Obligations (CDOs). sie ermöglichen es, Kreidte zu bündeln und in einzelne Tranche, je nach Risiko aufzuteilen.

SZ: Diese Innovation hat die Finanzkrise mit verursacht.

Shiller: Es war nicht die Innovation, es waren Fehler bei deren Anwendung. Wir hatten eine Immobilienblase, die nicht verstanden wurde. Booms und Zusammenbrüche sind Teil der Geschichte, vermutlich schon zu einer Zeit, in der es noch keine Finanzmärkte gab. Menschen machen Fehler und das kann verheerende Folgen haben. Mit den Instrumenten der Finanzmärkte können wir uns viel besser vor diesen Folgen schützen. Wir müssen das System nur demokratisieren.

SZ: Was heißt für Sie in diesem Zusammenhang Demokratisierung?

Shiller: Zum Beispiel bessere und neutrale Finanzbertung. Derzeit haben es normale Verbraucher immer mit Verkäufern zu tun, die ihnen ein Finanzprodukt andienen, sie sind nicht unabhängig. Die Regierung müsste daher neutrale Finanzberater subventionieren, so wie sie Ärzte subventioniert. Ihr Arzt sollte ja auch nicht der Beafutragte eines Pharmakonzerns sein…“

Auch ich bin der Meinung, dass in der aktuellen Diskussion über die Finanzmarktkrise zu viel moralisiert wurde. Und ich bin beileibe kein Freund der Banken. Banken sind derzeit Paradebeispiele dessen, was Prof. Shiller als Verkäufer von Finanzprodukten bezeichnet. Aber Banken generell als „moralisch böse“ darzustellen, halte ich für sehr bedenklich.

Gerade in ihrer eigentlichen Funktion als Kreditinstitute erfüllen sie einen wichtigen gesellschaftlichen Zweck. Wer einen Kredit will, braucht Banken. Ich würde mich halt nicht in Fragen der Geldanlage von einem Bankberater „beraten“ lassen. Wer das aber heute noch macht, möchte ich sagen, ist schon fast selbst schuld. Denn seit vielen, vielen Jahren ist doch immer wieder in der Presse zu lesen oder in TV-Reports zu sehen, dass Banken in der Anlageberatung vor allem ein Eigeninteresse verfolgen – und nicht das Kundeninteresse. Wer zu seinem Bankberater sich vordergründig kostenlos beraten lässt und so naiv ist zu glauben, dass die Bank hier nicht irgendwie ein Eigeninteresse verfolgt, dem kann man, denke ich, nicht helfen.

Ich stimme Prof. Shiller auch zu, wenn er sagt, dass die Finanzinnovationen nicht als solche das Problem sind. Was merkwürdigerweise immer wieder vergessen wird, ist, dass am Anfang der US-amerikanische Immobilien-Boom stand, der dann irgendwann platzte. Immerhin stiegen US-Immobilien von 1996 bis 2006, also 10 Jahre lang, jedes Jahr um ca. 10%. Die Leute meinten dann, dass das immer so weitergehen müsse.

Exakt so, wie heutige Käufer von deutschen Immobilien meinen, dass deutsche Immobilien nur an Wert gewinnen können. Wir haben hier beidemale exakt das, was Prof. Shiller als Rückkoppelung beschreibt. US-Immobilien galtenlange Zeit für Anleger deswegen für attraktiv, weil sie in der Zeit davor an Wert gewonnen haben. Und Anleger halten heute deutsche Immobilien für attraktiv, weil sie im letzten Jahr wertvoller geworden sind. Und Anleger machen aktuell einen großen Bogen um Aktien, weil sie in den letzten Monaten starke Kursabschwünge erlebt haben.

Es ist immer dasselbe: Anleger schließen von einer vergangenen Tendenz auf eine künftige Tendenz. Und exakt dies führt immer wieder zu einem irrationalen Überschwang bzw. zu dramtatischen (sich selbst verstärkenden) Abschwüngen. All dass aber eben immer nur eine Zeitlang, solange bis die (emotionale) Stimmung an den Märkten wieder kippt.

Ein solches Kippen war die Ursache für den Wertverlust der US-Immobilien ab 2007. Ein solches Kippen war auch die Ursache der europäischen Staatsschuldenkrise. Die Anleger leihen über einen langen Zeitraum dem Staat Griechenland relativ unbdenklich ihr Geld nach dem Motto; Das wird schon gutgehen. Dann kommen nach und nach Befürchtungen auf, die Stimmung kippt und der Abwärtsstrudel beginnt … Bis auch das natürlich irgendwann wieder ein Ende hat. Auf und nieder, immer wieder. Das ist das lustige Spiel an den Finanzmärkten.

Seltsamerweise glauben Marktteilnehmer, die gerade in einer Aufwärtsphase sind, dass diese Aufwärtsphase für alle Ewigkeit so weitergehen wird. Und Marktteilnehmer, die sich gerade in einer Abwärtsphase befinden, glauben, dass es von nun an für immer nach unten gehen wird. Die aller wenigsten schaffen es, eine lagnfristige, übergeordnete Perspektive einzunehmen. Die Schwierigkeit besteht natürlich, dass kein Mensch sagen kann, wann eie Tendenz kippen wird.

 

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