Wie erzieht man zur finanziellen Allgemeinbildung?
Ich habe dieses Wochenende einen Beitrag in der SZ darueber gelesen, wie man Schuelern finanzielle Allgemeinbildung versucht beizubringen. Aus meiner Sicht ist dieses Thema extrem wichtig. Immer wieder versuchen Politiker die schlimmsten Auswuechse in der Finanzbranche durch Regulierung zu bekaempfen.
Ich denke aber, dass man regulieren kann wie man will, wenn die Verbraucher nicht entsprechendes Wissen besitzen. Ein solches Wissen eignet man sich aber am besten schon als Kind an…
Dazu kommt noch, dass gerade die heutige Jungend sich nicht mehr so auf die staatlichen Sicherungsszsteme wird verlassen koennen, wie wir es noch gewohnt sind. In dem SZ-Artikel heisst es, dass wahrscheinlich 80 Prozent der heutigen Jugendlichen spaeter einmal in der Altersarmut landen wird. Ich kann mir das sehr gut vorstellen.
Daher ist gerade die heutige Jugend darauf angewiesen, eine gute finanzielle Allgmeinbildung zu erhalten. Das ist aber leichter gesagt als getan.
Offenbar versuchen schon einige Organisationen oder Stiftungen, finanzielle Allgemeinbildung an die Schueler zu bringen. Doch irgendwie ist es auch seltsam, dass das noch kein regulaeres Schulfach ist.
Auf der anderen Seite ist natuerlich die grosse Frage: Was gehoert in einen Kanon finanzieller Allgemeinbildung?
Hier ein persoenliches Erlebnis. Eine Bekannte von mir besucht gerade ein Boersenseminar. Darin sollen ihr die Grundlagen der Boerse, von Wertpapieren, und auch Geldanlage und Finanzplanung im allgemeinen etc. beigebracht werden.
Ich habe mir das Unterrichtsmaterial angesehen und bin zum Teil bass erstaunt, was fuer ein Schrott da beigebracht wird. Beispielsweise haben sich bei den Machern dieses Materials noch nicht herumgesprochen, dass es Indexfonds (ETFs) gibt. Oder: Chartanalyse wird ernsthaft als eine Form der Aktienanalyse erwaehnt und besprochen; kein kritisches Wort.
Das grosse Problem ist also wirklich: Was genau sollten die Jugendlichen lernen, um ihre finanzielle Zukunft gut in den Griff zu bekommen?
Sehr geehrter Herr Peterreins,
wichtig für die Zukunft wäre meines Erachtens, dass die Jugendlichen beispielsweise lernen Ratenkredite zu berechnen, Finanzierungen prüfen können, Sparpläne nachrechnen, die Inflation in jeglicher Hinsicht in Betracht ziehen können sowie die eigene Altersvorsorge erarbeiten können.
Hierzu wurde vor kurzen der Gemeinnützige Verein Geldlehrer Deutschland e.V. gegründet. http://www.Geldlehrer.de
Bei diesem Lehrangebot das kostenlos ist, werden keine Produkte weder erwähnt noch angeboten. Allein das praxisbezogene Finanzrechnen verhilft den Jugendlichen sicherer mit Finanzen um zu gehen.
Guten Tag Herr Dr. Peterreins,
Ihre aufgeworfene Frage finde ich äußerst interessant. Ich selbst habe seit mehr als zehn Jahren als Juristin in der Schuldner- und Insolvenzberatung gearbeitet. Aktuell bin ich als freiberufliche Dozentin zu allen Fragen rund um die private Ver-/Überschuldung bis hin zum Insolvenzverfahren tätig. In meiner Praxis erlebe ich bei den Jugendlichen durchaus Interesse an diesem Thema. Mir sind auch diverse didaktische Konzeptionen bekannt. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass Veranstaltungen, die eher einen Workshopcharakter haben (und eben nicht den pädagogischen Zeigefinger erheben), einen guten nachhaltigen Effekt haben. Entscheidend ist meiner Meinung nach nicht, die eigene Kreditrate ausrechnen zu können. Entscheidend ist vielmehr, sich damit zu beschäftigen, wie realistisch es ist, die Raten auch über den vorgesehenen Zeitraum aufbringen zu können. Unerlässlich ist hierfür die regelmäßige Kontrolle der privaten Finanzen. Für viele Schuldner ist nicht DER Kredit das Problem, sondern viele kleine Kredite rundherum. Jeder für sich genommen erscheint machbar. Aber wenn neben dem Haus, dem Auto, der Urlaubsreise noch die Möbelhaus-, Parfümerie- oder sonstige Kundenkarte mit einem Soll belastet sind, wird es schlicht zu viel. Das übersehen sehr viele Menschen, und das sind nicht nur die jungen Leute! Deshalb plädiere ich für mehr Pragmatismus in der Diskussion. Und für eine Diskussion überhaupt. Denn noch immer ist das Thema „Schulden“ schambehaftet – weil in der persönlichen Wahrnehmung stigmatisierend. Dabei sind rund 6.4 Millionen Menschen (Creditreform SchuldnerAtlas 2011) in Deutschland hiervon betroffen. Ein offener Umgang mit Finanzthemen aller Art sollte auf jeden Fall zur Selbstverständlichkeit werden. Wer, wenn nicht die heranwachsende Generation könnte damit beginnen?
Vielen Dank für Ihren klugen Kommentar. Ich stimme Ihnen 100%ig zu. Ein offener Umgang mit dem Problem Verschuldung ist bestimmt sehr wichtig. Ich kann auch gut nachvollziehen, dass eines der Ursachen darin besteht, dass dei Betroffenen quasi die Übersicht über ihre Finanzen verlieren. Interessant ist nun die Frage, ob man es – wenn man es noch nicht kann – später lernen kann, Übersicht über seine Finanzen zu behalten.
Ich sehe das so, man sollte den jungen Leuten die Freude am Shoppen nicht nehmen. Es ist ja auch gar nichts Schlimmes dabei. Geld ausgeben macht durchaus Spaß. Allerdings sollte den Jugendlichen vermittelt werden, dass es Sinn macht, Rechnungen sofort zu bezahlen. Denn es ist dumm und für die eigene finanzielle Situation schädlich, so lange zu warten, bis sich die Forderung durch Verzugszinsen, Inkassokosten und ggf. Gerichtskosten vervielfacht hat. Es ist wie beim Thema „Gesunde Ernährung“: Jeder kennt die Notwendigkeit, aber bei Weitem nicht jeder hält sich daran. Erst wenn man spürt, dass einem ein Ratschlag persönlichen Nutzen bringt, wird man ihn befolgen. Das heißt, das Thema muss raus aus der Theorie und rein in die Praxis. Die jungen Menschen brauchen finanzielle Eigenverantwortung und damit einhergehende Erfolgserlebnisse. Hierbei sollte ihnen vermittelt werden, dass es einen nicht umbringt, wenn man vermeintlich mit den anderen nicht mithalten kann. Häufig können sich viele andere das was sie haben auch nicht leisten bzw. ist auf Pump finanziert. Insofern tun sich hier zwei Richtungen auf. Zum einen die kritische Betrachtung der eigenen Wünsche und Möglichkeiten. Zum anderen zu hinterfragen, wie sinnvoll es ist, sich stets und ständig mit anderen zu vergleichen. Dann fällt es auch nicht mehr so schwer, sich mit den eigenen finanziellen Grenzen auseinanderzusetzen und den Tatsachen ins Auge zu blicken. Das gilt für den jugendlichen Azubi genauso wie für den Angestellten, der seinen Hausbautraum unbedingt verwirklichen will, koste es was es wolle und nach zehn Jahren feststellen muss, dass ihn eben diese Kosten auffressen. Denn die Ursache dafür, sich nicht mit dem eigenen Kontostand zu beschäftigen, liegt nach meinem Dafürhalten in der Tatsache begründet, dass man eine bestimmte Vorstellung von seinem Lebensstil hat und diesen unbedingt aufrecht erhalten will. Das Motto lautet: Augen zu und durch. Wird schon klappen. Insofern lernt man das Haushalten spätestens dann, wenn man viel Lehrgeld bezahlt hat. Daher gilt, je früher man sich mit dem Thema beschäftigt, desto geringer der Schaden. Die öffentlichen Schuldnerberatungsstellen haben zwar einen Präventionsauftrag, sind aber für eine regelmäßige Vor-Ort-Präsenz viel zu überlastet. Ich selbst habe die Erfahrung machen müssen, dass die Bildungsträger meine Seminarangebote zwar als dringend notwendig erachten, mir aber sagen, dass ihnen hierfür schlichtweg die Gelder fehlen. Vielleicht ist das nur hier in Berlin so, aber ich habe da meine Zweifel. Lernen kann man das richtige Haushalten auf jeden Fall. Nur lernen nicht alle im selben Tempo und manch einer lernt eben nur aus Fehlern. Deshalb sollten wir nicht den Anspruch haben, alle jungen Leute vor Fehlern zu bewahren. Aber wenn sie passieren, können wir da sein und helfen.
Mich wundert sowieso, dass in unserem Lande für viele notwendige Dinge die Gelder fehlen (Kindergarten, Gehälter für Krankenhauspersonal, Schulen oder eben Ihre Schulungen). Und auf der anderen Seite für Unnötiges Geldes zum Fesnter hinausgeschmissen wird (z.B. „Ehrensold“ für Herrn Wulff).
Sehr geehrter Herr Dr. Peterreins,
ich kann den Ausführungen von meinem Kollegen, Herrn Kasberger nur zustimmen. Der Verein setzt bei unseren Kindern an, was wirklich eine tolle Sache ist. Nur habe ich mir die Frage gestellt „Wo bleiben die Erwachsenen?“ und habe es mir zur Aufgabe gemacht, finanzielle Bildung, speziell den Frauen, näherzubringen (www.geldlehrerin.de). Bei meinen Workshops stellte ich fest, daß das Problem schon viel früher beginnt:
Es mangelt an der Einschätzung der eigenen Wertigkeit. Frauen verkaufen sich immer noch weit unter dem Wert, ja schämen sich fast, etwas für ihre Leistung zu verlangen. Haben sie dann ihren Wert genannt, die Leistung dafür gebracht, müssen sie oft noch dem Geld hinterherlaufen und schämen sich wieder dafür! So lange man sich die alten Glaubenssätze nicht bewußt gemacht/verarbeitet hat und danach seine eigene Wertigkeit erkennt, wird man sich auch schwer tun, sich mit seinen Finanzen auseinanderzusetzen.
Wenn das geschafft ist, werden sie automatisch neugierig auf ihre Finanzen, denn Finanzen haben auch etwas mit dem Haushalten der eigenen Energie zu tun!