Wie sich Staaten in der Vergangenheit entschuldet haben

Vor ein paar Tagen war ich auf einem Vortrag, bei dem es unter anderem um die angewachsene Staatsverschuldung weltweit ging. In diesem Vortrag wurde eine Studie zitiert, in der Entschuldungsphasen nach 1930 untersucht wurden. Das Ergebnis fand ich doch interessant.

Von den insgesamt 32 Entschuldungsphasen seit 1930 kamen

  • 8 durch Inflation zustande,
  • 7 durch Staatspleiten,
  • 16 durch Sparmaßnahmen (!!!) und
  • 1 durch starkes Wirtschaftswachstum.

Das ist deswegen so interessant, weil es sehr häufig so dargestellt wird, als gäbe es zur Entschuldung für einen Staat nur zwei Wege: Inflation oder Staatspleite. Ergänzt wird diese Behauptung oft durch die These, dass die Staatsverschuldung aller Staaten seit jeher immer nur größer und größer wurde.

Offenbar lässt sich das historisch nicht belegen. Immerhin konnten von einer Gesamtheit von 32 sich Staaten in 16 Fällen durch Sparen wieder sanieren. Das ist eine Quote von 50 Prozent. Die Entschuldungswege Inflation und Staatspleite kamen in den letzten 81 Jahren nicht einmal in der Hälfte der Fälle vor.

4 Kommentare
  1. Matthias Hofmann
    Matthias Hofmann sagte:

    Hallo Herr Dr. Peterreins,
    das finde ich sehr interessant. Um welche Studie handelt es sich hier?

    Beste Grüße,
    Matthias Hofmann

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Sehr geehrter Herr Broska, sehr geehrter Herr Hofmann,
      ich antworte Ihnen einmal beiden zusammen. Die Studie selbst, auf die sich der Referent berufen hat, liegt mir nicht vor. Wohl aber habeich das Buch von Carmen Reinhart/Kenneth Rogoff gelesen:Dieses Mal ist alles anders. Acht Jahrhunderte Finanzkrisen. Dieses Buch ist wirklich sehr empfehlenswert. Die Studie beruht auf den Arbeiten dieses Buches.

      Zur Frage, welche Staaten genau, sich durch Sparen entschulden konnten: Wie gesagt, die konkrete Studie liegt mir nicht vor. Hier einmal ein paar Vorschläge:

      Die USA nach dem Zweiten Weltkrieg waren extrem stark verschuldet. Im Laufe der 1950er-Jahre wurde diese Staatsverschuldung dramatsich nach unten gefahen. Meines Wissens ohne Kapitalschnitt und auch ohne Inflation. Also wohl durch Sparen. Ein weiterer Kandidat ist Schweden in den 1990er-Jahren. Oder in jüngerer Vergangenheit Neuseeland.

      Ich selbst habe ja Kenneth Rogoff vor ein paar Monaten persönlich kennengelernt. Er hat ja über 800 Jahre alle möglichen Finanzkrisen, Staatsschuldenkrisen und Bankenkrisen studiert. Angesichts eines solchen Forschungsgegenstandes hätte ich vermutet, dass Prof. Rogoff pessimistisch in die Zukunft sieht. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich war wirklich sehr beeindruckt, wie optimistisch er ist. Das zeigt mir auch, dass die Untergangsszenarien, die in den Medien gefeiert werden, wohl übertrieben sind.

      Leider wird es immer wieder so dargestellt, dass Staaten nur zwei Optionen haben, Ihre Verschuldung zu reduzieren: a) durch einen Kapitalschnitt, oder b) durch Inflation. Merkwürdigerweise wird sehr häufig die dritte, auf der Hand liegende Option vergessen zu erwähnen: c) Tilgung. Und natürlich ist diese dritte Option möglich und gab es auch oft genug in der Geschichte.

      Antworten
  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    „Die USA nach dem Zweiten Weltkrieg waren extrem stark verschuldet. Im Laufe der 1950er-Jahre wurde diese Staatsverschuldung dramatisch nach unten gefahren. Meines Wissens ohne Kapitalschnitt und auch ohne Inflation. Also wohl durch Sparen.“

    Ein Umstand, der wohl tatsächlich in den USA heute ziemlich anders ist als 1945, ist die hohe Verschuldung der privaten Haushalte, die ihre Schuldenlast zumindest nicht weiter steigern zu können.

    Ein weiterer Unterschied ist die weltpolitische Situation: 1945 waren die USA nicht zuletzt durch viele Tausende europäische Flüchtlinge mit ihrem Sieg im zweiten Weltkrieg zur technologisch, wissenschaftlich sowie volkswirtschaftlich führenden Gläubigerstaat und zur atomarem Supermacht aufgestiegen.
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    „Ich selbst habe ja Kenneth Rogoff vor ein paar Monaten persönlich kennengelernt. Er hat ja über 800 Jahre alle möglichen Finanzkrisen, Staatsschuldenkrisen und Bankenkrisen studiert. Angesichts eines solchen Forschungsgegenstandes hätte ich vermutet, dass Prof. Rogoff pessimistisch in die Zukunft sieht. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich war wirklich sehr beeindruckt, wie optimistisch er ist. Das zeigt mir auch, dass die Untergangsszenarien, die in den Medien gefeiert werden, wohl übertrieben sind.“

    Momentan wird Kenneth Rogoff in Medien mit einer ganz anderen Prognose wiedergegeben:

    20.06.2011
    Starökonom Kenneth Rogoff: „Viele Staatsbankrotte in Europa“

    http://www.institutional-money.com/cms/news/uebersicht/artikel/staroekonom-kenneth-rogoff-viele-staatsbankrotte-in-europa/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=11&cHash=c2bb19598a

    Eine echte Einsicht aus der Finanzkrise könnte lauten, dass Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre schlicht keine echten Wissenschaften sind.

    Viele Grüße
    TÜLAI

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