Interview mit UBS: Emittentenrisiko bei Zertfikaten
Der Leser „Manfred“ hat am 23. März 2010 in einem Kommentar seine Meinung geäußert, dass das Emittentenrisiko nicht bei Preisbildung von Zertifikatekursen einfließt.
Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und habe deswegen ein Interview mit Herr Martin Waldmann von der UBS geführt. Herr Waldmann ist im Wealth Management der UBS Deutschland tätig und hier insbesondere für die Abteilung Product Solution Services. Im Rahmen dieser Tätigkeit ist er kompetenter Anpsrechpartner für Vermögensverwalter, unter anderem was Zertifikate betrifft. Herr Waldmann besitzt eine 25-jährige Berufserfahrung im beratenden Kapitalmarktgeschäft bei diversen Bank.
Ich arbeite als Vermögensverwalter seit vielen Jahren mit der UBS als Depotbank zusammen.
Peterreins: Welche Möglichkeiten gibt es für einen Privatanleger, Zertifikate zu erwerben?
Waldmann: Mittlerweile gibt es zahlreiche Möglichkeiten für Privatanleger, Zertifikate zu erwerben. Erstens kann der Anleger über seine Hausbank ein Zertifikat direkt beim Emittenten des Zertifikats erwerben.
Ein zweiter Weg ist der Erwerb über die gängigen Börsen in Deutschland an den einschlägigen Börsenplätzen.
Übrigens, nur am Rande bemerkt: Die UBS bietet in Deutschland darüber hinaus noch einen dritten Weg an. Ab einem Betrag von 20.000 Euro kann sich ein Anleger mithilfe der UBS ein ganz eigenes Zertifikat kreieren lassen, das den ganz individuellen Vorstellungen des Anlegers und seinem persönlichen Risikoappetit entspricht.
Peterreins: Wie wichtig ist es, bei Zertifikaten auf das Emittentenrisiko zu achten?
Waldmann: Sehr wichtig! Die jüngsten Ereignisse an den Kapitalmärkten, die im Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers kulminierten, haben in einprägsamer Weise gezeigt, dass einem Investment jedweder Herkunft – also nicht nur dem Zertifikat – eine ausführliche Prüfung vorausgehen muss. Da es sich bei Zertifikaten um ungesicherte Inhaberschuldverschreibungen handelt und damit die Rückzahlungsfähigkeit von der Bonität des Emittenten abhängt, bedarf es vor Kauf der Einschätzung der Bonität des Emittenten.
Im Grunde genommen muss man jeden Emittenten „gedanklich kreditmäßig ordnen“, ähnlich wie das eine Bank mit Ihren Vertragspartnern im Kreditgeschäft und Interbankenhandel auch praktiziert. Die Ratings der jeweiligen Emittenten sind für eine solche Prüfung ein guter Ausgangspunkt. Grundsätzlich sollte man verschiedene Emittenten für den Aufbau seines Zertifikateportfolios heranziehen und sich auf die Emittenten beschränken, deren Bonitäten man akzeptiert.
In diesem Zusammenhang sind natürlich auch die anderen Vermögenspositionen im Depot zu berücksichtigen. Hat der Kunde also bereits Rentenschuldverschreibungen in seinem Depot, müssen diese Positionen in der Gesamtbetrachtung des sog. Ausfallrisikos berücksichtigt werden.
Ein weiterer Aspekt sollte berücksichtigt werden: Da derzeit etliche Extrem-Szenarien wie z.B. der totale Wirtschaftszusammenbruch oder Staatskrisen kursieren, sollten Anleger, die solche Ereignisse als nicht sehr unwahrscheinlich erachten, grundsätzlich keine Zertifikate erwerben.
Peterreins: Man sollte also, wenn man Zertifikate kauft, sich nach Möglichkeit ein Portfolio von Zertfikaten mehrer, für den Investor akzeptabler Emittenten zusammenstellen?
Waldmann: Ja, das macht viel Sinn.
Peterreins: Welchen Einfluss hat der Emittent eines Zertifikates auf die Preisbildung des Zertifikates?
Waldmann: Es ist ja bekannt, dass es bei klassischen Inhaberschuldverschreibungen Preisunterschiede in Form von Risikoaufschlägen gibt. Bestes aktuelles Beispiel ist Griechenland. Für griechische Staatsanleihen werden ganz andere Kurse gehandelt als, sagen wir, für Anleihen der Bundesrepublik Deutschland. Man spricht hier von sog. Spreads. Das sind Risikoaufschläge je nach Bonität des Emittenten. Und genau dasselbe gilt prinzipiell auch für Zertifikate. Haben Sie also zwei Zertfikate mit identischer Gestaltung, die Emittenten genießen aber unterschiedliche Bonitäten, sollte es auch hier unterschiedliche Speads geben. Das heißt ein geringeres Rating sollte sich in einem attraktiveren Auszahlungsprofil widerspiegeln.
Entscheidend bei Zertifikaten ist natürlich das spezielle Ertrags-Risiko-Exposure der Zertifikateausstattung, wohingegen der Risikoaufschlag des Emittenten in den meisten Fällen nur ein kleines Zusatzeinkommen bedeutet.
Peterreins: Auf welche Weise bestimmt bzw. berechnet ein Emittent Bid- und Ask-Kurse für ein Zertifikat?
Waldmann: Aufgrund des vorherrschenden hohen Wettbewerbs müssen Emittenten sehr wettbewerbsgerechte An- und Verkaufskurse stellen. Das gilt insbesondere für einfache Zertifikatestrukturen, wie beispielsweise Indexzertifikate oder Discountzertifiakte. Bei komplexeren Auszahlungsprofilen können die Geld-/ Briefkurse schon etwas breiter gestellt sein. Das kann je nach Marktkonstellation oder bei komplizierten Strukturen aufgrund des Hedgingprozesses jedoch durchaus gerechtfertigt sein.
Peterreins: Inwiefern wird bei Zertifikaten das Emittentenrisiko eingepreist?
Waldmann: Das Emittentenausfallrisiko wird grundsätzlich in dem Zertifikat eingepreist und spiegelt sich in einem günstigeren Auszahlungsprofil wider. In den Berechnungsmodellen der Emittenten gehen besipielsweise die Refinanzierungskosten ein, die das Treasury der Bank für die Zertifikateemissionen zur Verfügung stellt. Je nach Finanzierungsbedarf des Emittenten, kann dieser Aufschlag großzügiger oder wenig üppig ausfallen.
Peterreins: Nehmen wir einmal an, ein Anleger steht vor der Wahl zwischen zwei Zertifikaten, die exakt dieselbe Ausprägung haben, nur hinter dem einen Zertifikat steht, sagen wir einmal, die Royal Bank of Scotland (RBS), hinter dem anderen die UBS, die ein besseres Rating besitzt. Dann wird sich das unterschiedliche Emittenten-Ranking durchaus in den Preisen der beiden Zertifikate weiderspiegeln?
Waldmann: Sehr richtig, das Emittentenrisiko wird sich in Form eines „attraktiveren Auszahlungsprofils“ widerspiegeln. Zertifikate allerdings nur danach zu erwerben, wo gerade die attraktivsten Auszahlugnsprofile sind, wäre grob fahrlässig. Denn der Anleger sollte sich unbedingt überlegen, welche Emittenten er in seinem Portfolio halten möchten und in welchem prozentualen Verhältnis er die akzeptieren Emittenten in seinem Depot halten möchte. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, ob sich das Emittentenrisiko womöglich verschlechtert, was dann auch zu einer Preiseintrübung des Zertifikates ceteris paribus führen kann. Sollte der Anleger also ins Kalkül ziehen, das Zertifikat vorzeitig veräußern zu wollen, kann eine veränderte Bonität dieses Emittenten zum Vor- aber auch zum Nachteil des Anlegers bei der Veräußerung führen.
Peterreins: Danke für das Gespräch.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!