Versuch einer spieltheoretischen Erklärung der Finanzkrise
Man stelle sich folgende Situation vor:
Ein Professor hat ein Euro-Stück und lässt es unter seinen Studenten versteigern. Im Gegensatz zu einer normalen Versteigerung wird hier jedoch eine zusätzliche Regel eingeführt: Am Ende muss erstens der höchste Bieter bezahlen und bekommt dafür das Euro-Stück,und zweitens muss der zweithöchste Bieter auch bezahlen, ohne aber etwas zu bekommen.
Das erste Gebot liegt bei 10 Cent. Es liegt auf der Hand, dass das ein gutes Geschäft wäre einen Euro für 10 Cent zu ersteigern. Deswegen werden wahrscheinlich schnell 20 Cent geboten werden, was auch noch ein sehr gutes Geschäft wäre. Sehr schnell würden die Gebote nach oben gehen: 50 Cent, 70 Cent, 90 Cent, 1 Euro.
Wer einen Euro für einen Euro kauft, macht weder einen Gewinn noch einen Verlust. Das Problem jedoch ist: Derjenige, der zuletzt 90 Cent geboten hat (nennen wir ihn A), müsste verabredungsgemäß 90 Cent bezahlen, ohne jedoch etwas zu bekommen. Für A wäre es somit sinnvoll, höher zu bieten, also beispielsweise 1,10 Euro. So verliert er zwar 10 Cent. Würde er aber sein Gebot nicht erhöhehn, würde er sogar 90 Cent verlieren.
Derjenige jedoch (nennen wir ihn B), der zuletzt 1,00 Euro geboten hat, ist jetzt in derselben Situation wie B vorher. Wenn er sein Gebot nicht erhöht wird er 1 Euro bezahlen müssen, ohne irgendetwas zu bekommen. Also erhöht er sein Gebot auf 1,20 Euro. Damit verliert er zwar sicher 20 Cent, andererseits würde ihm der Ausstieg aus dem Spiel 1 Euro, also mehr, kosten.
Auf diese Weise werden A und B ihre Gebote in immer absurdere Höhen treiben. Hat z.B. A zuletzt 9 Euro für das 1-Euro-Stück des Professors geboten und würde es B mit seinem letzten Gebot von 8,90 Euro belassen, dann würde B 8,90 Euro verlieren. Also erhöht B auf 9,10 Euro. So verliert er zwar auch, aber eben „nur“ 8,10 Euro (=9,10 – 1,00 Euro). Und so weiter.
Was hat dieses spieltheoretische Problem mit der Finanzkrise zu tun?
Die geschilderte Versteigerung eines Euro-Stücks entspricht der Situation, in der sich die Teilnehmer die Lage immer schlechter machen, der Ausstieg aus dem Spiel aber noch teurer käme. So dass es, wenn man so will, eine rationale Entscheidung ist, in einem immer schlechter werdenenden Spiel zu bleiben, anstatt einfach abzubrechen.
Hier die Übertragung auf die Finanzkrise:
US-Hypothekenbanken hatten seit Mitte der 1990er Jahre ihr Subprime-Geschäft ausgebaut. Da viele Banken bei diesem „Spiel“ mitmachten, sanken die Margen. Bzw. es wurden immer mehr Schuldner akzeptiert mit immer schlechter Bonität. Denn wenn die Bank A nicht mehr mitgemacht hätte, hätte sie letztlich ganz aus dem Subprime-Geschäft aussteigen müssen. Das wäre ihr aber teuerer gekommen als zu schlechteren Bedingungen das Subprime-Gechäft weiterzuführen.
Dasselbe galt natürlich auch für die konkurrierende Bank B. Wenn A schlechtere Konditionen fürs Subprime-Geschäft akzeptiert, dann muss B hier mindestens nachziehen oder sich überlegen, ganz aus diesem Geschäft auszusteigen. Wenn Bank B der Ausstieg noch unattraktiver vorkommt, wird die ruinöse Spirale weiter hochgeetrieben. Und so weiter.
Irgendwann waren die Konditionen so schlecht, die Schuldner so zahlungsunfähig, dass das Ganze wie ein Kartenhaus zusammenstürzt. Und bumm: die Finanzkrise ist da.
Die Frage ist natürlich, wie man solch einen sich verschlechternden Kreislauf verhindert. Das wäre letztlich die Aufgabe des Gesetzgebers bzw. einer Aufsichtsbehörde. So dass dem „Spiel“ auf diese Weise von außen Grenzen gesetzt sind.
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