Leserfrage: Griechenland, Euro, Staatsverschuldung und Bestseller-Autoren

Ich habe letztens die Leserfrage beantwortet zum Thema Hyperinflation und Währungsreform.  (Link dorthin)

Dann gab es noch folgende Leserfragen
* Kann Griechenland (Spanien, Portugal) die EU und damit den EURO wirklich in eine unüberwindbare Krise treiben?
* Staatsschulden und die gängige Aussage “wie können wir das jemals zurückzahlen. Das kann doch nur schief gehen” Herr Michael Grand schreibt sogar von der Möglichkeit “Bargeldabhebungen einzuschränken und Banken zu schließen, damit man nicht in eine andere Währung wechseln kann.” (Buch: Der Staatsbankrott kommt)

Hier meine Antwort auf  diese Fragen…

Ihre Frage ist: Kann Griechenland (Spanien, Portugal) die EU und damit den EURO wirklich in eine unüberwindbare Krise treiben?

Ich kann eigentlich nur so antworten: Ich weiß es nicht. Sorry, ich habe keine Ahnung. Hier gibt es so viele Facetten, Möglichkeiten, Lösungsansätze plus Folgen, die keiner überblicken kann, dass ich der Meinung bin, dass hier letztlich niemand eine wirkliche Antwort geben kann. Selbst angebliche Experten nicht.

Zu diesem Thema bin ich aber übrigens über ein Interview in der Süddeutschen Zeitung gestoßen (26.03.2010, Seite 28) mit Harold James. Harold James ist Wirtschaftshistoriker und wurde zum u.a. zum Euro befragt. Er sagte:

SZ: Haben vor diesem Hintergrund nicht doch die Spekulanten recht, die auf ein Scheitern des Euro wetten? Ganz einfach deshalb, weil am Ende die nationalen Interessen siegen.

James: Die Spekulanten haben nicht recht, wenn sie glauben, dass der Euro an Griechenland zugrunde geht. Denn eine griechische nationale Lösung ist nicht vorstellbar. Eher glaube ich, dass der Euro an Deutschland zerbricht [Meine Hervorhebung]. Wenn die detusche Bevölkerung das Vertrauen in den Euro verliert, besteht die Gefahr, dass sich auch deutsche Politiker von der europäischen Währung abwenden… In diesem Sinne glaube ich, dass Deutschland eine größere Gefahr für den Euro ist als Griechenland.“

Auch eine interessante Aussage: Nicht Griechenland bedroht den Euro, sondern Deutschland.

Letztlich sollte es, denke ich, auch keine so große Rolle spielen, welche Prognosen oder Zukunftserwartungen man hat. Ein schlauer Anleger versucht so anzulegen, dass er in möglichst vielen Szenarien einigermaßen gut dasteht. Genau das nennt man Risikostreuung.  Bzw. genau dann beginnt man über Risikomanagement-Strategien nachzudenken.

Gefährlich wird es immer, wenn sich jemand zu sicher ist, dass ein bestimmtes Szenarion eintreten wird. Je sicherer jemand hier ist, um so mehr wird er alles auf diese eine Karte setzen. Und das wiederum ist das Gegenteil von Risikostreuung. Bzw. je sicherer sich jemand fühlt, um so unnötiger hält er/sie, sich Gedanken übers Risikomanagement zu machen.

Risikomanagement beginnt dann, wenn jemand sich eingesteht, sich möglicherweise zu irren.

Sie sprechen das Buch von Michael Grand an. Ach jaaa. Was soll ich dazu sagen? Derzeit haben eben Bücher Hochkonjunktur, die sich in Krisenszenarien suhlen. Das ist ja auch nur natürlich. Wir haben gerade sehr turbulente Zeiten durchlebt, das Finanzsystem ist ganz schön ins Wanken geraten. Und jetzt fühlt sich so mancher berufen, die Kassandra zu spielen. Nur mit dem Unterschied, dass die antike Kassandra VOR der Katastrophe Ihren Auftritt hatte. Unsere heutigen Kassandras kommen alle NACH der Katastrophe.

Das ist wie beim Hochwasser im Jahe 2004. Im Sommer diesen Jahres gab es in Passau ein Hochwasser, das durch die Medien ging. Zum Jahreswechsel 2004/2005 kann ich mich noch sehr gut erinnern, wurden eine Reihe von Wahrsagerinnen befragt, was sie fürs kommende Jahr 2005 sehen würden. Es war wirklich erstaunlich, wie bemerkenswert viele Wahrsagerinnen auch fürs Jahr 2005 Hochwasser vorhersagten. Offensichtlich standen sie noch unter dem Eindruch des Hochwasser in 2004. In 2005 jedenfalls gab es dann keine Hochwasser.

Menschen sind Trendverlängerer. Wenn wir ein paar Wochen eine guten Börse hatten, dann meinen plötzlich sehr viele, dass es so weitergehen muss. Wenn man zwei Jahre steigende Aktienkurse hatte, dann wollen immer mehr auf den fahrenden Zug aufspringen. Und sind die Kurse tatsächlich 5 Jahre hintereinander gestiegen (was vorkommen kann), dann hält es die große Mehrheit plötzlich für gar nicht mehr möglich, dass die Kurse auch mal wieder fallen könnten.

Jetzt hatten wir, sagen wir, drei kritische Jahre. Naja und dann kommen die Leute und meinen, dass es für immer so weitergehen wird. Irgendwie, Entschuldigung, auch ein wenig lächerlich.

Wie sind Staatsschulden zurückzuzahlen? Spontan fällt mir da ein: Steuererhöhungen. Es könnte aber auch z.B. so kommen, dass die Wirtschaft wieder anspringt und dann die bereits bestehenden Steuerquellen wieder gut zu sprudeln anfangen und der Staat vielleicht doch mit dem Sparen ernst macht. Könnte ja sein.

Jedenfalls gibt es keine mathematische Notwendigkeit, die unausweichlich zum Staatsbankrott führen müsste. Das gibt es sicher nicht. Ja, es gibt auch die Möglichkeit eines Staatsbankrotts. Darüber sollte man als Risikomanager nachdenken. Über die Möglichkeit. Aber sich in den Glauben an ein solches Szenario zu verlieren, und es für unausweiliche bar Münze zu halten – das halte ich für sehr gefährlich. Hier wird es fast sicher Enttäuschungen geben.

Insofern bin ich der Meinung, dass solche Autoren wie Michael Grand unverantwortlich handeln. Letztlich geht es solchen Autoren ja auch nicht wirklich darum, ihre Leser gut und sachkundig zu informieren. Es geht darum, einen Trend zu erkennen und wie man aus einem Trend möglichst viel Geld schlagen kann. Und derzeit gibt es definitiv den Trend: Angst vor Finanzkrisen. Sehr gut vermarktbar.

Noch ein kleiner Hnweis. Es ist gar nicht so lange her, da gab es die Befürchtung (ja, die Befürchtung), dass sich der amerikanische Staat zu wenig verschulden würde. Unter Clinton wurde ein ausgeglichener Staatshaushalt erreicht, der eine Neuverschuldung unnötig machte. Das war etwa im Jahre 1998. Und wirklich: Damals kamen Leute, die einem vorgerechnet haben, dass es in ein paar Jahrzehnten keine US-Staatsanleihen mehr gäbe und wie schlimm das für dien Finanzwelt wäre.

Ich will damit nur andeuten, dass sich die Dinge unglaublich schnell ändern können. Heute so, morgen anders. Aber jedes Mal glauben schlaue Menschen, dass ein bestimmter „Trend“ jetzt sich einfach fortesetzen würde. Und hopla, immer wieder kam es ganz anders als gedacht.

1 Kommentar
  1. Mex Silver
    Mex Silver sagte:

    Wieder mal ein sehr ansprechender Beitrag, der zum zitieren herangezogen werden kann. Was das tolle ist, dass Sie ein Thema von mehreren Facetten beleuchten.
    Sie schreiben auch: “ Ja, es gibt auch die Möglichkeit eines Staatsbankrotts. Darüber sollte man als Risikomanager nachdenken.“
    Und da sie Vermögensberater und Risikomanager sind gehe ich davon aus, dass Sie auch darüber nachdenken und Ihr Portfolio in alle Richtungen gut aufstellen.

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