Volker Looman über finanzielle Bildung und Finanzberatung

Dieses Wochenende habe ich einen Artikel in der FAZ von Volker Looman (Reutlingen) gelesen. Titel: „Die finanzielle Bildung in Deutschland ist ungenügend„. Darin schreibt Volker Looman:

„Geld mag für viele Menschen eine besondereWare sein, doch angesichts der notorischen Unlust, für finanzielle Bildung entsprechende Preise zu bezahlen, ist es ein Unding, von Banken, Bausparkassen, Investmentgesellschaften und Versicherern … besonderes Wohlverhalten zu verlangen. Die Unternehmen sind keine Samariter, sondern Firmen, die auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind, und das ist im Handel oder in der Industrie kein Deut anders. Wer zu Aldi geht, darf nicht erwarten, zu Edeka geschickt zu werden …“

„… Die neutrale Vermögensberatung ist nur auf Honorarbasis und bei vollständiger Herausgabe aller Provisionenen möglich …“

Auch wenn ich ein großer Freund der Honorarberatung bin, so habe ich doch meine Zweifel, dass Honorarberatung für sich genommen schon ein Qualitätsmerkmal ist. Genausowenig ist provisionsorientierte Beratung immer und in jedem Fall schlecht. Ich finde die Schwarz-Weiß-Malerei hier nicht korrekt.

Wie Volker Looman richtig schreibt, ist die finanzielle Bildung ind Deutschland ungenügend. Meiner Meinung nach ist der erste Schritt in die richtige Richtung, dass die Anleger lernen zu vergleichen. Meiner Erfahrung nach sind die meisten Anleger viel zu blauäugig was ihre Finanzberater betrifft. Zudem fühlen sie sich oft zu sehr gebunden und holen sich keine Vergleichsangebote ein.

Finanzberatungskunden vergleichen zu wenig

Das Hauptproblem ist, dass viele Deutsche „ihren“ persönlichen und alleinigen Ansprechpartner bei Geldanlagefragen haben. Das ist so, als würde ein Großteil der deutschen Bevölkerung seine Lebensmittel immer und ausschließlich nur bei einem Händler kaufen und niemals rechts oder links schauen. Niemals. Denn das würde man selbst als Treuebruch empfinden. Keine Produktvergleiche und keine Preisvergleiche. Wenn das so wäre und die Lebensmittelhändler das wüssten, dann dürfte man sich nicht wundern, wenn sie mit ihren Kunden machen würden, was sie wollen.

Gerade bei Aldi, Edeka & Co. ist es aber in Deutschland genau umgekehrt. Die Leute hierzulande vergleichen wie die Weltmeister und fühlen sich in keinster Weise an einen bestimmten Laden gebunden. Daher herrscht ein enormer Wettbewerb um die Gunst des Konsumenten.

Jedem ist klar, dass kein Lebensmittelhändler auf Honorarbasis arbeiten muss, damit der Kunde gut bedient wird. Vielmehr verdienen sie natürlich über die in den Produkten eingepreisten Margen. Merkwürdig, dass das im Lebensmitteleinzelhandel funktioniert und im Finanzdienstleistungsbereich nicht. Das Problem sind aber, wie gesagt, nicht in erster Linie die Margen bzw. die Provisionen, sondern die irrational hohe Bindung des Kunden an „seinen“ Berater.

Finanzberatungskunden vergleichen in der Regel nicht. Sie gehen zu „ihrer Bank“ , zu „ihrem Anlageberater“ oder zu „ihrem“ Versicherungsvertreter. Sehr häufig, wie gesagt, mit einem Gefühl einer persönlichen Bindung.

Ich habe es schon sehr häufig erlebt, dass sich ein Anleger über seine Bank beklagt hat. Nach dem Motto, was hier schon alles versemmelt wurde. Und wenn es dann darum geht, die Bank zu verlassen, dann höre ich so was wie: „Das kann ich doch nicht machen, was wird denn dann mein Bankberater sagen? Einen solchen Treuebruch kann ich nicht machen.“ Es ist wirklich erstaunlich, was Bankberater alles schlecht machen können, und der Kunde hat immer noch starke Hemmungen zu wechseln.

Meine These ist: Nur deswegen, weil die Banken wissen, welch hohe emotionale (direkt irrationale) Bindung die meisten ihrer Kunden an „ihr Institut“ haben, ist die Finanzberatung in einem solch desolaten Zustand. Die Banken müssen sich einfach nicht anstrengen, um ihre Kunden zu behalten. Die bleiben ihnen auch so, egal welchen Mist sie bauen.

Honorarberatung löst das Problem nicht

Daher ist die Sache mit der Honorarberatung auch eine Illusion. Manche glauben: Würde man alles auf Honorarberatung umstellen, dann wäre die Welt besser.

Nehmen wir nun einmal an, die Banken würden alle auf Honorarberatung umstellen. Der Effekt wäre doch der: Die Bankkunden würden sich nach wie vor an ihre Institute gebunden fühlen. Der Großteil der Kunden würde wie gehabt nicht vergleichen. Dann würden die Kunden eben nicht mehr mittels Provisionen, sondern mittels überhöhter Honorare abgezockt werden. Das Ganze hätte einen anderen Namen, aber die Situation hätte sich in nichts verbessert. Ich kenne schon heute Honorarmodelle, die unfairer den Kunden gegenüber sind, als ein entsprechendes Provisionsmodell.

Ferner ist es sehr häufig eine Illusion, dass Honorarberatung komplett neutral wäre. Und selbst wenn sie das ist, muss sie nicht automatisch besser sein.

Abhängigkeiten transparent machen

Ich halte es für viel zielführender, nicht nach einem vollkommen unabhängigen und neutralen Berater zu suchen (da kann man bis zum Sankt-Nimmerleinstag suchen), sondern den Berater vielmehr nach seinen Abhängigkeiten zu fragen (wenn es nicht sowieso klar ist). Ein VW-Händler verkauft nun mal VWs, ein BMW-Händler verkauft BMWs. So ist es nun mal. Und genauso klar sollte es sein: Die X-Bank verkauft Anlageprodukte, an der sie etwas verdient. Der Versicherungsmakler verkauft nun mal Versicherungen. Ein auf Fonds spezialisierter Berater wird eben Fonds verkaufen.

Und was verkauft ein Honorarberater? Naja, seine eigene Dienstleistung. Ein Honorarberater ist eben auch nicht vollkommen unabhängig und neutral, sondern ein Verkäufer in eigener Sache.

Das Wörtchen „unabhängig“ ist sehr häufig nichts weiter als ein Marketing-Trick. Darauf sollten Anleger nicht hereinfallen. Besser ist folgendes Vorgehen:

  1. Verschiedene Finanzdienstleister vergleichen (Bankberater, selbständiger Anlageberater, Versicherungsvertreter, etc.).
  2. Sich von jedem seine Abhängigkeiten erklären lassen (Achtung, wenn jemand behauptet komplett unabhängig zu sein!).
  3. Sich für das Angebot entscheiden, das einem am plausibelsten erscheint.

Und bitte eben keine persönliche Bindung an einen einzigen Berater! Selbst wenn er einen einmal (oder zweimal) gut beraten hat.

4 Kommentare
  1. Manfred
    Manfred sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr. Peterreins, eine Frage: Ist es denn möglich, über Sie eine sog. Netto-Kapitalversicherung abzuschließen, d. h. ohne dass Provisionen anfallen? Oder dass Sie, wie Looman schreibt, die Abschluß- und Bestandsprovisionen an den Kunden abgeben?
    Es wäre ja mal interessant zu erfahren, ob so was möglich ist.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Nein, ich vermittle gar keine Versicherungen. Ich hatte aber auch einmal eine solche Netto-Kapitalversicherung angesehen. Das Ergebnis war auch enttäuschend. Viele Leute übersehen, dass bei einer Kapitallebensversicherungen die Kosten ja nicht nur aus dem besteht, was der Vertreib verdient. Die Versicherungsunternehmen wollen ja auch was verdienen und haben entsprechende Verwaltungsgebühren. Dazu kommt, dass bei Kapitallebensversicherungen häufig ein Hinterbliebenenschutz eingebaut ist, den bemerkenswert viele Anleger eigentlich gar nicht wollen. Für diesen unnötigen „Schutz“ muss natürlich auch gezahlt werden. Und wer wirklich seine Familie absichern möchte für den Fall des eigenen Ablebens ist fast immer mit einer sog. Risikolebensversicherung besser bedient.

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  2. Uwe
    Uwe sagte:

    Ich danke Ihnen für diesen interessanten Artikel. Ich kann Ihrem Bericht nur zustimmen. Der Deutsche vergleicht eindeutig zu wenig und nimmt zu viel hin.

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