Den Grauen Kapitalmarkt verbieten?
Im Zusammenhang mit Prokon steht heute (20.01.2014) ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 15. Titel: „Angst und Wut“ von Markus Balser. Der Beitrag endet wie folgt:
„Die Politik muss den Grauen Markt endlich austrocknen. Sonst ist es nur eine Frage der zeit, bis die nächste windige Firma die Massen verführt.“
Jeder, der mein Blog kennt, weiß, dass ich immer wieder vor bestimmten geschlossenen Fonds warne. Auch vor dem Geschäftsgebaren von Infinus, Future Business, Prosavus und Konsorten habe ich auf diesem Weblog schon frühzeitig gewarnt (jedenfalls einige Zeit bevor die Staatsanwaltschaft zu Verhaftungen schritt). Dennoch kann ich es nicht unterschreiben, den gesamten Grauen Kapitalmarkt verbieten zu wollen.
Man kann doch auch nicht fordern, sagen wir mal, dass man alle Restaurants verbieten soll, mit der Begründung, dass hier schon mal Gäste aufgrund mangelnder Hygiene zu Schaden gekommen sind. Oder dass man Zeitungen generell verbieten soll, weil hier hin und wieder gravierende Falschmeldungen veröffentlicht werden. Oder Ärzte verbieten, weil es hin und wieder Ärztefehler gibt.
Es ist doch absurd zu fordern, dass eine bestimmte Branche keinerlei Fehler machen darf. Oder zu fordern, eine bestimmte Branche ganz abzuschaffen, weil es hier Schwarze Schafe gibt.
Was den Grauen Kapitalmarkt betrifft, so gibt es hier auch eine ganze Reihe positiver Dinge zu berichten. Viele kleine Unternehmen oder Start-Ups sind nun mal darauf angewiesen, über den sogenannten Grauen Kapitalmarkt an Kapital zu kommen. Private Equity- oder Venture Capital-Finanzierungen haben eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. Wohin kämen wir, wenn das verboten würde?
OK, der eine oder andere Anleger wäre vor einem Verlust geschützt (vielleicht!), aber der volkswirtschaftliche Schaden wäre unermesslich.
So funktioniert nun mal Wirtschaft: Manche Leute möchten mehr Rendite erzielen und sind dafür bereit, Risiken einzugehen. Manche Unternehmen haben ein riskantes Geschäftsmodell und benötigen Geld. So kommen beide zusammen. Und Risiko bedeutet nun mal, dass es auch, wenn es schlecht läuft, zu Verlusten kommt.
Wer solche Verluste gesetzlich verbieten will, der wird einerseits verbieten müssen, dass manche Anleger ihr Geld mit einer höheren Zielrendite anlegen möchten. Und er muss riskante Geschäftmodelle verbieten. Und letzteres bedeutet das Ende unseres allgemeinen Wohlstandes.
So schreibt Markus Balser auch in dem genannten SZ-Artikel:
„Geholfen hat Prokon allerdings auch die Naivität Tausender Anleger. Sie glaubten dem Versprechen, ddass es möglich ist, fantastische Renditen zu erzielen, ohne die Rechnung dafür zu kennen.“
Das Problem sind doch nicht die hohen Renditeversprechen. Auch das ist doch zunächst etwas vollkommen normales auf dem Kapitalmarkt. Das Problem ist die Vorstellung, dass es hohe Renditen ohne Risiko geben könne.
Erinnern wir uns beispielsweise an die islänsichen Banken, die vor der Krise Geld von Anlegern einsammelten, einfach dadurch, dass sie geringfügig höhere Tagesgeld- oder Festgeldzinsen anboten. Das war übrigens damals kein Grauer Kapitalmarkt. Jeder Anleger hätte sich damals die Frage stellen müssen: OK, diese Bank bietet höhere Zinsen als andere, ist hier möglicherweise auch das Risiko höher? Und wer so fragte, wäre eventuell darauf gestoßen, dass es hier keine deutsche, sondern nur eine isländische Einlagensicherung gibt, und dass der isländische Staat im Falle des Falles vielleicht überfordert ist. Übrigens exakt die Arguemtationskette, vor der ich damals – vor der Krise – jeden, der bei mir anfragte, vor isländischen Banken gewarnt habe.
Jetzt ist es so, dass Risiko für sich noch kein Argument gegen eine Anlageform sein muss. Ich kenne auch Menschen, die trotz meiner Warnungen, Geld zu isländischen Banken gegeben haben. Solceh Menschen haben eben für sich die Chancen und Risiken abgewogen und haben eine Entscheidung getroffen. Wichtig ist aber, dass sie sich der Risiken bewusst waren. Mit den Risiken ist es ja so, dass sie nicht notwendigerweise zu Verlust führen müssen. Sie können, müssen aber nicht.
Ein Anleger sollte sich nur der Risiken bewusst sein, bevor er eine Anlageentscheidung trifft. Und wenn er bewusst bestimmte Risiken eingeht, deswegen, weil er auch eine erhöhte Renditeaussicht hat, dann ist das sein gutes Recht. Wer will ihm das verbieten? Wenn die Risiken aber dann am Ende zu Verlust führen, dann sollte dieser Anleger bitte selbst die Verantwortung übernehmen.
Wie gesagt, das Problem sind nicht die hohen Renditeversprechen an sich, das Problem ist die Idee, hohe Renditen ohne Risiko erzielen zu können. Meine Erfahrung als Anlageberater (und ich bin seit über 20 Jahren im Kapitalanlagebereich tätig) ist, dass bemerkenswert viele Anleger genau daran glauben: dass es bestimmte Anlagemöglichkeiten gibt, bei denen man ohne Risiko hohe Renditen erzielen kann. „6 % Rendite – garantiert“.
Und selbstverständlich spielen an dieser Stelle windige Anlageberater eine schlechte Rolle. Nicht selten preist ein solcher Berater einen geschlossenen Fonds an und behauptet, dass es hier keine Risiken gäbe. Das ist aber natürlich kein Problem alleine des Grauen Kapitalmarktes. Das habe man auch beispielsweise bei Investmentfonds oder bei Aktien.
„Bei dieser Aktie können Sie nichts falsch machen“ oder „Dieser Investmentfonds ist ganz sicher, bietet aber höhere Renditen als Festgeld“ – wie häufig fallen solche Sätze im Beratungsgesprächen. Man denke nur an das Desaster um die offenen Immobilienfonds. Sie wurden lange Zeit als „Festgeldersatz“ beworben, „ebenso sicher, aber renditestärker“. Irgendwann kam das böse Erwachen. Denn auch hier wurde nicht richtig über etwaige Risiken aufgeklärt.
Noch einmal: Risiken für sich sind nichts schlechtes. Der Anleger sollte nur genau wissen worauf er sich einlässt. Ein Anlageberater der Risiken herunterspielt, ist da leider nicht hilfreich. Kommt in der Praxis aber leider oft genug vor. Hier liegt das Problem. Nicht aber beim Grauen Kapitalmarkt als solchem, auch nicht bei hohen Renditeversprechen an sich. Das Problem ist die mangelhafte Risikoaufklärung.
Und das Problem ist sehr häufig auch, dass manche Anleger nicht wissen, wie man bei risikobehafteten Anlageformen vorgehen soll. Obwohl das auch sehr leicht ist. Das Zauberwort heißt hier: Diversifikation. In dem Moment, wo ich Geld in ein risikobehaftetes Investment gebe, sollte ich unbedingt darauf achten, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Eigentlich eine Binsenweisheit. Aber in der Praxis oft genug nicht beachtet. Unglaublich oft.
Vielleicht noch eine kleine Anekdote zum Schluss. Vor etwa einem Monat kam ein Anleger zu mir. Er meinte, dass er 5 Prozent Rendit bräuchte, um seine Anlageziel zu erreichen. Ich machte ihm dafür eine (gut diversifizierten) Anlagevorschlag und wies ihn auf die damit verbunden Risiken hin. Ein paar Tage später teilte er mir mit, dass er sich anders entschieden hätte. Ein anderer Finanzberater hätte ihm nämlich ein Wertpapier empfohlen (wohlgemerkt ein einziges!), das auch 5 % Rendite versprechen würde, bei dem es aber – so hätte es der andere Finanzberater – keinerlei Risiko gäbe. Warum soll er also bei mir anlegen, wo ich ihm von so vielen Risiken erzält habe, während der andere ein Finanzprodukt hat, das dieselbe Rendite hätte, das aber (wie er meinte) sicher?
Was soll man dazu sagen? frage ich.
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