Soll eine 88-jährige Dame eine Immobilie vermieten?
Nachfolgende Fragestellung wurde mir zugesendet:
Sehr geehrter Hr. Peterreins, vermieten oder verkaufen?
Eine mir gut gekannte 88-jährige Dame muss aus ihrer Wohnung aus- und ins Pflegeheim ziehen und dazu benötigt zusätzlich ca. 1000
EUR im Monat, die Sie durch Mieteinahme erzielen möchte. Sie zahlt keine Steuern.
Vermieten oder verkaufen der Eigentumswohnung?
Mit welcher Anlagesumme ließe sich eine Rendite von 12000 EUR p.A. vor Steuern bei Kapitalerhalt erzielen?“
Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Vermögensverwaltung und als Finanzberater bin ich immer wieder mit solchen Fragestellungen konfrontiert. Nachfolgend meine Antwort.
Wer eine Eigentumswohnung in München vermietet, darf sich schöner Mieteinkünfte erfreuen. Das ist richtig. Man hat aber auch ein paar Nachteile:
- Eventuell Probleme mit Mietern bis hin zu Mietausfällen.
- Eventuell Ärger mit den anderen Eigentümern im Haus (Stichwort „Eigentümerversammlungen“. Nicht selten ein mit blankem Horror besetzter Begriff)
- Mit ziemlicher Sicherheit immer wieder Reparaturen und Instandhaltungen an der Wohnung.
Das sind drei Punkte, die sehr häufig unterschätzt werden. Und zwar einerseits die psychologischen „Kosten“ als auch die finanziell-monetären Kosten.
Ich selbst würde keiner 88-jährigen Frau raten, sich darauf einzulassen. Im Alter, denke ich, hat man es verdient seinen Lebensabend in Ruhe zu verbringen. Viele ältere Menschen haben auch gar nicht mehr die Kraft, sich mit Mietern, anderen Eigentümern oder Handwerkern herumzuärgern.
Davon abgesehen, dass sich das Vermieten einer Wohnung – recht durchkalkuliert – in sehr vielen Fällen nicht einmal rechnet. Ich erlebe es immer wieder, wie eine vermietete Immobilie viel Aufwand für (fast) nichts bedeuten kann.
Gerade für ältere Menschen hat eine Immobilie noch einen weiteren schwerwiegenden Nachteil: Man kann Immobilien nicht nach und nach verzehren. Bei liquidem Vermögen kann man das schon. Was meine ich damit?
Die Mietrenditen (vor Abzug der Kosten bzw. der Kostenrücklagen) liegen in München bei etwa 3%. Nun kommen aber im Laufe der Zeit garantiert irgendwelche Reparatur- und Instandhaltungskosten und auch sonstige Nebenkosten wie Grundsteuer etc. Gerd Kommer kommt in seinem Buch „Kaufen oder Mieten“ auf einen Abzug von 2 bis 2,5 %. Ich setze einmal großzügig „nur“ eine Kostenbelastung von 1% pro Jahr an. Dann hat der Vermieter unterm Strich eine Rendite von 3 – 1 = 2%.
Um also in München Netto-Mieteinkünfte von 12.000 Euro im Jahr zu bekommen, müsste man eine Wohnung im geschätzten Wert von 600.000 Euro haben.
Jetzt nehmen wir einmal die 88-jährige Dame hat ein liquides Vermögen in Höhe von 300.000 Euro. Also die Hälfte dessen, was die oben genannte Immobilie wert ist. Und diese 200.000 Euro liegen schlicht auf einem Tagesgeldkonto, das sich, sagen wir, netto mit 1,0 % verzinst. Mit „netto“ meine ich nach Steuern.
Nehmen wir an, dass die Dame ihrem Tagesgeldkonto monatlich 1000 Euro entnimmt. Und diese Entnahme wird einmal im Jahr um 2% erhöht. Also ändert sie die Abbuchung im zweiten Jahr auf 1020 Euro monatlich, im dritten Jahr auf 1040 Euro monatlich, etc.
Das Geld verzinst sich natürlich auf der einen Seite mit 1,0 % pro Jahr, auf der anderen Seite wird das Vermögen immer kleiner, weil die Dame ja monatlich Geld entnimmt. Man spricht hier von „Kapitalverzehr“. Genau das kann man bei einer Immobilie nicht machen, hier kann man nur von den laufenden Mieterträge leben. Eine Wohnung kann man aber nicht stückchenweise verkaufen.
Für die Erben hat die Immobilie natürlich einen Vorteil. Und die ältere Dame kann ein gutes Gefühl haben, der nächste Generation ein Geschenk gemacht zu haben. Aber wenn die Dame heute nicht so viel Geld hat, dann sollte, denke ich, ihr eigenes Wohlergehen im Vordergrund stehen und nicht das der Erben. Und dann ist für sie genau der Kapitalverzehr von Vorteil.
Denn unter den genannten Umständen kann die Dame sehr lange an Ihrem Tagesgeldkonto zehren. Wie gesagt, sie startet heute mit (angenommenen) 300.000 Euro, legt sie mit 1,0 % Zinsen an und entnimmt monatlich 1.000 Euro (die sich einmal im Jahr um 2% erhöhen).
Dann wird sie mit 95 noch ein Vermögen von 229.300 Euro haben. OK, es ist geringer geworden. Aber immer noch genug, um einige Zeit davon leben zu können.
Erreicht sie ihr 100. Lebensjahr, dann wird sie noch 167.500 Euro haben. Mit 105 werden es noch 94.900 Euro sein. Und mit 110 sind immer noch 10.200 Euro übrig.
An dieser Stelle ist es eine Frage der persönlichen Abwägung, welches Lebensalter zu erreichen man für wahrscheinlich hält. 110 ist jedenfalls ein sehr hohes Alter. Und wie gesagt: das ist mit der Hälfte dessen zu erreichen, was man alternativ in eine Immobilie investieren müsste. Und im Gegensatz zu einer Immobilie hat man mit einem (oder zwei oder drei) Tagesgeldkonten deutlich weniger Ärger als mit einer vermieteten Immobilie.
Nun kann es natürlich sein, dass die Dame keine 300.000 Euro hat, sagen wir nur 250.000 Euro. In diesem Fall müsste man das Geld mit einer höheren Zielrendite anlegen. Klar muss natürlich sein (das weiß jeder, der aus dem Bereich Geldanlage oder Vermögensverwaltung kommt), dass eine höhere Rendite nur mit entsprechend höheren Risiken zu haben ist. Also selbst dann, wenn wir die Zielrendite von 1% auf 2% erhöhen, muss die Dame schon -geringfügige- Risiken in Kauf nehmen.
Aber immerhin wird sie mit 2% auch über 105 Jahre alt werden können und immer noch ein Restvermögen zu vererben haben.
Hat Sie nur 200.000 Euro heute zur Verfügung, so muss sich schon eine Netto-Rendite von 3,5 % anstreben. Bei 150.000 Euro, wäre die Zielrendite schon über 5%. Und wie gesagt, je höher die avisierte Zielrendite umso höher das Risiko.
Ich selbst als Finanzberater (oder innerhalb meiner Vermögensverwaltung) würde einer älteren Dame immer raten, Renditen von maximal 3% anzustreben. Niemals darüber. Eher weniger. Denn ältere Menschen kommen häufig nicht gut mit Risiken zurecht.
Und damit sind wir wieder bei der Immobilie. Denn eine Immobilie (auch in München) ist mit erheblichen Risiken verbunden. Ich weiß nicht, ob das wirklich was für eine Dame von 88 Jahren ist.
Serh geehrter Herr Peterreins, dem Vorshlag stimme ich ebenfalls zu. Die Berechnungen stimmen mit meinen, abgesehen von kleinen Nuancen überein.
Ich kann dem Autor nur recht geben. Als Rentner sollte man sich den Vermietungsstress nicht antun. Es sei denn man hat vorher schon jahrelang vermietet und ist ein guter Menschenkenner und Profi in der Materie und ausserdem bei guter Gesundheit. Ich selbst lebte bei einem, bei meinem Einzug, 75 Jahre alten verwitwerten Mann 5 Jahre als Untermieter mit 1-2 weiteren Untermietern. Was ich einfach gemerkt habe: Je älter er wurde, desto schwerer kam er mit Stress klar. Stress kann in dem Alter schon sein, wenn der Duschabfluss verstopft ist und die Mieter dann schnell eine Reperatur brauchen und bei Nichtbehebung mit Mietminderung drohen. Das war schon ganz schön viel für Ihn. In dem Alter kommen dann noch Sachen durch, wie sich das nicht trauen, fremde leute anzurufen (Handwerker), Verwarlosungserscheinungen wie z.B. nicht regelmäßig waschen, Wohnung nicht putzen (auch nich organisieren wie z.B. eine Putzfrau für 10€/Std zwei mal die Woche). Kurz um, wenn die geschilderte 88 Jährige Dame schon in´s Pflegeheim muss sollte sie sich den Spass echt nicht antun. Es sei denn sie hat zuverlässige Kinder oder Enkelkinder die sich mit der Materie auskennen und das ganze Prozedere für sie erledigen.
Sehr geehrter Herr Dr. Peterreins,
Sie schreiben“ Für die Erben hat die Immobilie natürlich einen Vorteil. Und die ältere Dame kann ein gutes Gefühl haben, der nächsten Generation ein Geschenk gemacht zu haben.“
Die Immobilie hat einen finanziellen Vorteil für die Erben, wenn sie den Kapitalverzehr wirklich verhindert. Die Rendite kann aber auch ins Negative rutschen, z.B. dadurch daß die Immobilie zu teuer eingekauft wurde und irgendwann die Besitzerin sich nicht mehr um sie kümmern kann ohne Hilfe zu akzeptieren – dann ist schnell ein Schaden da, dessen Verursacher nicht mehr zu identifizieren ist. Es kann auch sein, daß die Besitzerin der nächsten Generation ein Geschenk macht, das gar nicht so willkommen ist. Eine gebrauchte Immobilie zu verkaufen, ist ja abseits von Toplagen nicht unbedingt ein reines Vergnügen. Und so eine Immobilie kann im ungünstigen Fall sogar noch Geschwisterbeziehungen belasten….
Ich kann es inzwischen aus eigener Beobachtung bestätigen: wenn es um Immobilien geht, sind bei vielen wirklich oft unreflektierte Gefühle bestimmend, die dann mit nur scheinbar rationalen Argumenten untermauert werden.