Die Medien und der „Euro-Crash“

In der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung (18./19.08.) lautete die Schlagzeile auf der ersten Seite: „EU wappnet sich gegen den Euro-Crash“.

Ich habe ständig mit verängstigten Anlegern zu tun. Sie befürchten, dass Ihr Geld von einem Tag auf den anderen wertlos wird. Heute 10.000 Euro auf dem Konto, für die man sich alles Mögliche kaufen könnte – morgen schon urplötzlich: schwupps weg. Alles wertlos. Eben ein Euro-Crash.

Wenn man in die Medienlandschaft schaut, so ist es absolut verständlich, dass viele Menschen genau diese Ängste vor einer dramatischen Geldentwertung haben. Wenn schon die seriöse Süddeutsche Zeitung in einer Schlagzeile von einem drohenden „Euro-Crash“ spricht. Das Traurige ist nur, dass das offenbar mehr mit Sensationsmache als mit korrektem, seriösen Journalismus zu tun hat. Die Medien schüren derzeit Ängste in einer Weise, die schon fast unverantwortlich ist.

Aber sehen wir uns den SZ-Artikel, geschrieben von Claus Hulverscheidt, näher an …

Wie gesagt, suggeriert das Wort „Euro-Crash“, dass unsere Währung Euro crasht. Was denn sonst? Also von einem Tag auf den anderen dramatisch an Wert verliert. Und, wie gesagt, so ist exakt die Stimmungslage vieler Deutscher. Weshalb sie auch in vermeintlich sichere Häfen wie Immobilien und Gold flüchten. Wenn ich als Vermögensberater darauf hinweise, dass man mit diesen Geldanlagen durchaus auch erhebliche Verluste erleiden kann, so ist die Antwort regelmäßig: „Aber immerhin wird hier mein Vermögen nicht komplett wertlos werden, wie man es ja derzeit mit dem Euro befürchten muss.“

Die SZ schreibt also in der Schlagzeile vom „Euro-Crash“. Wer sich nur an dieser Schlagzeile hält, wird sich also mit seinen düsteren „Geld-wird-wertlos“-Ängsten bestätigt fühlen. Aber bereits im Untertitel steht etwas geringfügig anderes: „Regierungen arbeiten an einer Strategie, um Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern…“

Aha. Der SZ-Artikel versteht also den Euro-Crash nicht im Sinne „Der Euro wird wertlos“, sondern „die Euro-Währungsunion fällt auseinander“. Noch konkreter heißt es weiter im Untertitel: „Die Sorge: Lage in Griechenland verschlechter sich so, dass Athen wieder die Drachme einführen muss“.

Das Wörtchen „Euro-Crash“, das bei vielen Deutschen eine tiefe Angst auslöst, ihr Erspartes könnte sich in Nichts auflösen (weswegen sie derzeit zum Teil sehr fragwürdige Anlageentscheidungen treffen), bedeutet im SZ-Artikel konkret: „Griechenland führt möglicherweise die Drachme wieder ein.“

Nehmen wir nun mal an, Griechenland würde von einem Tag auf den anderen die Drachme wieder einführen und aus dem Euroraum austreten. Hätte das denn zur Folge, dass unsere Euro-Bankguthaben, sowie alle Euro-Scheine und Münzen in unseren Geldbeutel, mit einem Schlage wertlos wären? Besteht so etwas ernsthaft zu befürchten? Wie genau sollte dieser Mechanismus: „Wiedereinführug der Drachme führt zu wertlosen Euro-Guthaben für uns Deutsche (und zwar zeitgleich)“ , ökonomisch zu erklären sein?

Ich jedenfalls wüsste keine Erklärung. Und dennoch ist das exakt die Angst, die mit solchen „Euro-Crash“-Schlagzeilen suggeriert wírd. Klar: Medien lieben Horrormeldungen. Ich aber als Vermögensberater darf mich mit furchtbar verängstigten Anlegern auseinandersetzen, muss sie vor schlechten, angstgetriebenen Fehlentscheidungen zu  bewahren versuchen, und darf dann nach ein paar Jahren die Scherben zusammenkehren.

Am Anfang des SZ-Artikels steht:

„Nach fast zweijähriger Krise steurt die Euro-Zone auf einen Herbst der Entscheidung zu“.

Was ist denn das für eine Aussage? Woher weiß der Jorunalist denn das? Möglicherweise zieht sich die Krise noch viel länger hin, möglicherweise passiert im Herbst gar nichts. Ich dachte immer, Journalismus beteht darin, über tatsächliche Ereignisse zu schreiben. Also z.B. darüber dass ein Flugzeug gerade dort und dort abgestürzt ist. Was aber für eine Art von Jorunalismus ist es z.B. folgendes zu melden: „Innerhalb der nächsten Monate wird ein Flugzeug in Mallorca abstürzen“? Ich würde so etwas einen diffusen Angstjorunalismus nennen. Berichte über Nicht-Ereignisse und Stimmungen, anstatt über tatsächliche Ereignisse und Fatken.

Es mag sein, dass es bei vielen Menschen derzeit eine Stimmungslage gibt, jetzt demnächst müsste es doch mit Griechenland etc. zu einer Entscheidung kommen. Dennoch ist zwischen emotionaler Stimmung und tatsächlichen Ereignissen, meine ich, strikt zu unterscheiden. Und gerade als Jorunlist darf man das nicht verwechseln, meine ich.

Weiter heißt es im SZ-Artikel:

„Hintergurnd ist …, dass die bisherigen vereinbarten Einzelschritte die Lage zwar punktuell verbessert, das Vertrauen der Bürger und der Finanzmärkte in den Euro aber nicht wiederhergestellt haben.“

Hier möchte ich fragen: Was genau hat sich verbessert? Aber vor allem: Welche Bürger genau haben ihr Vertrauen zum Euro nicht wiederhergestellt? Auch beispielsweise ich? Und welche Akteure der Finanzmärkte genau sind hier gemeint? Beispielsweise die Allianz AG, die ständig Gelder am Kapitalmarkt anlegt. Oder hat der Journalist mit bestimmten Banken gesprochen, z.B. mit der Deutschen Bank oder der UniCredit? Und auch mit allen Fondsmanagern und Vermögensverwaltern? Haben all diese Leute dem Journalisten bestätigt: „Ja, wir haben kein Vertrauen in den Euro mehr.“

Ich wette, das ist nicht geschehen. Stattdessen wird einfach mit Allgemeinplätzen um sich geschmissen. Die sich nicht sehr unterscheiden von Aussagen der Form „Frauen können nicht einparken“ oder „Männer können keine Gefühle zeigen“. Muss man unbestimmte (und daher immer auch falsche) Allgemeinplätze in einer seriösen Zeitung wie der SZ ertragen?

Zum Schluss noch einmal zum Wörtchen „Euro-Crash“. Im genannten SZ-Artikel heißt es an einer Stelle:

„Für den Fall, dass Griechenland austritt, wird unter den übrigen Euro-Staaten erwogen, parallel ein Paket zur Stärkung der verbleibenden Währungsunion vorzulegen.“

Nun hätte der Euro-Crash, sprich die Wiedereinführung der Drachme in Griechenland, interessanterweise eine mögliche Stärkung des Euros zur Folge. Sehr vewirrend eigentlich: Euro-Crash führt zur Euro-Stärkung. Offenbar stimmt hier irgendetwas nicht. So rein logisch.

Mein Vorschlag wäre, dass man einfach nicht mehr von „Euro-Crash“ oder auch „Euro-Krise“ spricht, sondern die Dinge beim richtigen Namen nennt. Was wir haben ist nämlich weniger eine Währungskrise als eine, naja was haben wir denn? Richtig: eine Staatsschuldenkrise. Wir haben eine Europäische Staatschuldenkrise. Das ist das Problem, das zu lösen ist. Und möglicherweise wird dieses Problem dadurch gelöst, dass Griechenland die Drachme wieder einführt.

Nur warum sollte das einen Euro-Crash oder gar wertloses Euro-Geld zur Folge haben? Man soll doch bitte die Probleme nicht irreführend bennenen, sondern so, damit unmittelbar klar ist, worum es sich eigentlich handelt. Damit wäre schon viel getan. Und mit einem Schlage hätten wir um einiges weniger Euro-Verängstigte, die ihr Geld retten wollen, dabei aber katastrophale Fehlentscheidungen treffen.

1 Kommentar
  1. hjstaiger
    hjstaiger sagte:

    Zu diesem Thema habe ich gerade diese Studienarbeit von Franziska Bothe gelesen:
    Geschichte und aktuelle Krise des Euro: Könnte ein Austritt Griechenlands die Wirtschaft wieder stärken?
    Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Politik – Internationale Politik: bbw Hochschule (Berlin).
    Abstract: Durch die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), die Ende der 1980er Jahre gegründet wurde, konnte die Einführung einer gemeinsamen Währung in Europa ermöglicht werden. Der Euro sollte einen einheitlichen Wirtschaftsraum schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Im Jahr 2010 jedoch gerieten sowohl die Stabilität als auch das wirtschaftliche Wachstum der Mitgliedstaaten in Gefahr, was zu einer europäischen Staatsschuldenkrise führte. Der Grund hierfür lag vor allem in der griechischen Finanzkrise. Griechenland hatte sich mit Hilfe einer Bilanzfälschung den Beitritt zur Euro-Zone erschlichen und war nicht mehr in der Lage, bereits fällige Schulden zurückzuzahlen. Weitere Länder mit hohem Verschuldungsgrad sind Irland, Italien, Portugal und Spanien, die ebenfalls nicht mehr im Stande sind, ihre Schulden eigenständig zu begleichen. Als am höchsten verschuldeter Krisen-Staat, stellt sich die Frage, ob ein Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone ökonomisch sinnvoll wäre oder ob dadurch weitere wirtschaftliche Schäden hervorgerufen würden.

    Mein Zusammenfassung: Die Autorin kommt zum Schluss, dass die griechische Regierung zum Eintritt in die Eurozone zum 1.1.2001 bewusst das Haushaltsdefizit in % des Bruttoinlandsprodukts falsch mit 1,7% (richtig 4%) angab. Dieses Defizit stieg dann bis 2009 auf 15,4% an und führte dann 2010 zum Start der Hilfspakete.
    Eine Rückkehr zur Drachme würde nach Ansicht der Autorin zu einer massiven Verteuerung der Importe Griechenlands führen und damit die Verschuldung der griechischen Unternehmen weiter vergrößern und damit die endgültige Staatspleite eintreten.
    Sie sieht eine Fortsetzung der Hilfspakete als notwendig an, wenn die EURO-Zone und auch die EU gerettet werden sollen.

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