Beratungsprotokoll und das Problem Finanzberatung

Heute habe ich sowohl in der Süddeutschen Zeitung als auch in der Welt Artikel zum Thema Beratungsprotokoll gelesen. Die SZ schreibt: „Schuss nach hinten – Beratungsprotokolle nützen den Banken, aber nicht den Kunden“. Und die Welt titelt: „Stumpfes Schwert gegen Falschberatung bei der Bank – Protokolle der Institute schützen oft mehr den Anbieter als den Kunden …“

Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie, die der Bundesverband der Verbraucherzentralen gestern in Berlin vorstellte. Die SZ schreibt:

„Keine einzige Dokumentation [der Testgespräche] enthielt die vom Verbraucher mitgeteilten Informationen vollständig. Kein Institut hatte die Risikobereitschaft korrekt dokumentiert …“

Dass Beratungsprotokolle nicht die Beratungsqualität verbessern, sondern eher für zusätzliche Bürokratie sorgen und letztlich sogar zum Vorteil des Finanzdienstleisters sind – diese Erkenntnis kommt meiner Meinung nach sehr spät. In diesem Weblog habe ich bereits im März 2010, kurz nachdem das Beratungsprotokoll Pflicht wurde, kritisch darüber geschrieben. Siehe: Beratungsprotokoll: Viel Bürokratie, wenig Nutzen.

Die große Frage ist natürlich: Was muss sich wirklich ändern, damit sich  in diesem Lande Finanz- und Anlageberatung endlich einmal verbessert?

Ist Honorarberatung eine Lösung?

In der Diskussion um die Finanzberatung vertreten manche Leute die Meinung, dass es gute Finanz-/Anlageberatung nur auf Honorarbasis geben könne. Ich selbst bin auch ein Freund der Honorarberatung. Ich sehe die Sache aber differenzierter. So halte ich diese Meinung für direkt naiv, nach dem Motto: Honorarberatung ist gut, Beratung auf Provisionsbasis ist schlecht. So einfach ist die Welt (leider) nicht.

Ich meine, die Medien und wahrscheinlich auch viele andere Leute wünschen sich einfache Lösungen. Aber so wird man, denke ich, das eigentliche Problem nicht lösen können.

Das Hauptprobem ist und bleibt nämlich: Werde ich durch meinen Finanzberater ehrlich, korrekt und kompetent beraten? ja oder nein?

Dass ein Honorarberater nur deswegen, weil er sich über Honorare finanziert und nicht über Provisionen, automatisch ehrlich, korrekt und kompetent ist, ist noch lange nicht gesagt.

Ich gebe ein Beispiel. Nehmen wir einen Anleger A an, der zu einem Honorarberater B geht. Dieser Honorarberater verdient, sagen wir, 1,0 Prozent bezogen auf das betreute Vermögen. A und B unterhalten sich zwei Stunden lang, wofür B kein Honorar verlangt. Stattdessen hat B in dieser Zeit alles darangesetzt, A davon zu überzeugen, sein gesamtes Vermögen künftig von ihm betreuen zu lassen.

Offenbar ist B hier ein Verkäufer in eigener Sache. Er hat ein starkes Interesse, möglichst das gesamte Vermögen von A unter seine Betreuung zu bringen. Denn darauf bezogen erhält er sein Honorar von 1 Prozent. Er ist also zwar kein Produktverkäufer, dennoch aber alles andere als wirklich unabhängig zu bezeichnen.

Nehmen wir nun ferner an, dass es für A das Beste ist, die eine Hälfte seines Vermögens als Festgeld/Tagesgeld anzulegen, die andere Hälfte in eine Anlagestrateige mit ETFs. Der Berater B würde nun korrekt und ehrlich beraten, wenn er Herrn A sagen würde: „OK, die eine Hälfte können Sie selbst auf verschiedene Tagesgeldkonten verteilen, das können Sie sicherlich auch ohne mich. Bei der anderen Hälfte kümmere ich mich gerne für Sie darum, für Sie die richtigen ETFs auszuwählen und das Ganze entsprechend zu managen.“ B würde dann sein Honorar nur für diejenige Hälfte erhalten, die er tatsächlich aktiv betreut, das Tagesgeld wäre ausgeklammert.

B kann so offen und ehrlich sein, muss es aber nicht.  Je nachdem kann er sich korrekt und ehrlich verhalten oder nicht. Das liegt aber sozusagen am Charakter des Beraters. Alleine damit, dass er sich auf Honorarbasis finanziert, hat das gar nichts zu tun.

Und für alles gibt es Beispiele und Gegenbeispiele. Meiner Erfahrung nach gibt provisionsorientierte Berater, die fachlich sehr kompetent sind und ferner immer korrekt und ehrlich im Sinne des Kunden beraten. Und umgekehrt habe ich schon Honorarberater kennengelernt, die erstens nicht kompetent und zweitens nicht korrekt und ehrlich waren.

Analogie Einzelhandel

Ich möchte einmal die Finanzberatung mit der Beratung im Einzelhandel vergleichen. Nehmen wir einmal an, Herr A wünscht sich einen neuen Fernseher. Er wird in ein Fachgeschäft gehen, sich verschiedene Produkte ansehen und sich beraten lassen. Herr A. wird höchstwahrscheinlich seinen Berater nicht auf Stundenbasis bezahlen, sondern er wird am Ende nur dann verdienen, wenn Herr A. tatsächlich einen Fernseher in dem Geschäft kauft. Herr A. wird sich darüber wohl auch kaum Illusionen machen, Ich denke jeder von uns weiß, dass ein Angestellter in einem Elektrofachgeschaft letztlich ein Produktverkäufer ist.

Mit einem entsprechenden gesunden Misstrauen, denke ich, gehen die meisten von uns mit den Aussagen der Verkäufer um. Man weiß, dass das Geschäft von den Verkaufsmargen lebt. Deswegen hinterfragt man, informiert sich  vielleicht noch durch Fachzeitschriften, geht vielleicht noch in weitere Geschäfte. Das ist absolut normal, wenn man in Geschäften einkaufen geht.

Es ist interessant, einmal über die Unterschiede im Finanzvertrieb nachzudenken.

Typischerweise scheinen nämlich die Kunden bei Finanzprodukten nicht zu wissen, dass sie es mit einem Verkäufer zu tun haben. Dementsprechend ist es auch mein Eindruck, dass viele Anleger das natürliche Misstrauen, das sie jedem Verkäufer in einem Geschäft entgegenbringen, ihrem Finanzberater gegenüber vergessen. Fast immer ist es auch so, dass der Kunde eben „seinen“ Finanz- oder Bankberater hat, dem gegenüber er sich irgendwie verpflichtet fühlt. Den Anlageberater oder die Bank zu wechseln, empfinden manche als ähnlich verwerflich wie fremdzugehen. „Das macht man einfach nicht.“

Die Vertrauensstellung, die viele Finanzberater bei ihren Kunden haben, ist typischerweise um vieles höher als es ein Einzelhandelsverkäufer je haben kann.

Ich wundere mich zum Beispiel immer wieder, wenn ich mich mit Leuten über ihre Finanzberater unterhalte. Da höre ich solche Aussagen wie: „Ich weiß, viele Bankberater kann man nicht trauen, aber mein Bankberater ist anders. Der ist wirklich in Ordnung. OK, er ruft mich immer wieder ungefragt an, um mir irgendwelche Finanzprodukte zu verklickern, aber ich bin jetzt schon so lange bei dieser Bank und ich denke schon, dass ich ihm vertrauen kann.“

Gesundes Misstrauen nicht ausschalten!

Also ein großer Unterschied, so mein Eindruck, zwischen Einzelhandel und Finanzberatung ist, dass die Kunden sich ihrem Finanzberater gegenüber oft viel stärker gebunden fühlen. Damit wird aber nicht selten der gesunde Menschenverstand oder zumindest ein natürliches Misstrauen ausgechaltet. Und nur zu leicht wird dieses blinde Vertrauen durch den Finanzberater missbraucht. So jedenfalls meine Erfahrung.

All das, was man z.B. beim Kauf eines Fernsehers tun würde: sich weitergehend Informieren, in andere Geschäfte Schauen, Vergleichen – all das machen die meisten merkwürdigerweise nicht, wenn es um ihre Finanzen geht.

Und wenn man dann hinterher merkt, dass man nicht richtig beraten wurde, dann fängt das Geschrei an. Die Politiker entfalten Aktivismus und machen Gesetze mit dem Ziel, die Finanzberatung instesamt zu verbessern. Und da sich von mal zu mal nichts verbessert, wird immer mehr Bürokratie und Gesetzeswust geschaffen, was aber leider letztlich zu keiner wirklichen Verbesserung der Finanzberatung führt. So ist doch unsere Situation.

Anstelle, dass man bei dem ansetzt, was am allermeisten auf der Hand liegt. Den Leuten nämlich folgendes klar zu machen (meinetwegen ins Hirn einhämmern):

Man darf keinem Finanzberater (egal ob provisionsbasiert oder honorarbasiert) 100%ig trauen. Man sollte sich immer ein Rest-Misstrauen bewahren. Und bitte: Vergleicht die Angebote! Lasst euch nicht nur von einem beraten, sondern sprecht mit mehreren, um euch dann für das zu entscheiden, was euch am plausibelsten und vernünftigsten erscheint. Fallt nicht auf den erstbesten, dahergelaufenen Finanzberater rein! Und vor allem: Informiert euch!

Wenn das in das Bewusstsein der Bevölkerung ankommen würde, denke ich, könnten wir uns Beratungsprotokolle und vielen anderen Bürokratie-Balast sparen. Und umgekehrt: Solange dies nicht in der breiten Bevölkerung angekommen ist, können unsere Politiker noch weiter alles mit Bürokratie verkomplizieren, ohne dass sich irgendwas in der Finanzberatung verbessern würde. So meine Meinung.

 

 

 

Das Hauptproblem bei der Honorarberatung ist, dass auch sie normalerweise nicht unabhängig ist. Der Honorarberater ist nämlich zwar (in der Regel) kein Produktverkäufer, wohl aber ein Verkäufer in eigener Sache. Besonders klar ist es bei solchen Honorarberatern, bei denen das Honorar in Abhängigkeit vom betreuten Vermögen erhoben wird. Natürlich hat ein solcher Berater ein Interesse daran, möglichst viel Anlagevolumen unter seine Betreuung zu bekommen.

Die Frage ist an der Stelle nicht: Honorarbasiert oder Provisionsbasiert? Sondern wie korrekt ist überhaupt der Finanzdienstleister. Ergibt sich beispielsweise, dass es für einen Anleger ratsam ist, einen Großteil seines Vermögens in Festgeld/Tagesgeld anzulegen, so ist er in der Regel besser dran, wenn dieser Teil des Vermögens aus der honorarpflichtigen Betreuung druch den Berater herausgenommen wird.

2 Kommentare
  1. Christoph Lauble
    Christoph Lauble sagte:

    Hallo,
    bei dem Abschnitt, was man den Leuten klarmachen sollte, wundert mich, daß folgender einfacher Hinweis fehlt: rechnet!
    Haben Sie das vergessen, oder haben Sie es einfach aufgegeben, weil es sowieso kaum einer macht?
    Viele Grüße,
    Christoph Lauble

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Naja, das Probelm mit dem „rechnet!“ besteht darin, entschuldigung wenn ich das so sage: dass das sowieso kaum einer kann. Das soll nicht überheblich klingen oder so. Aber selbst viele Finanzberater kennen sich nicht hinreichend gut mit Finanzmathematik aus. Viele können noch nicht einmal einen Emissionsprospekt eines geschlossenen Fonds lesen, bzw. die abgedruckten Zahlen richtig vertehen. Ich werde wahrscheinlich heute eine Rentenversicherung bewerten, die mit einer BU-Versicherung kombiniert wurde. Das ist wirklich anspruchsvolle Mathematik. Zu fordern, dass das ein normaler Anleger machen soll, halte ich für nicht realistisch. Wohl aber ist es aber natürlich eine gute Idee, sich auch solch einen Finanzberater zu suchen, der solche Berechnungen machen kann (wenn man es schon nicht selbst kann).
      Ich z.B. finde folgendes Vorgehen für einen Normalbürger sehr gut:
      Erster Schritt: Der Kunde lässt sich ein Angebot von einem Bankberater, Versicherungsvertreter oder Finanzberater machen.
      Zweiter Schritt: Der Kunde lässt dieses Angebot von einem Berater unter anderem finanzmathematisch überprüfen, und zwar auf Honorarbasis. Wenn bei dieser Überprüfung herauskommt, dass es sich um ein gutes Produkt handelt, dann kann es der Kunde immer noch bei dem Berater des Schrittes 1 abschließen. Falls nicht, kann er entweder noch einen weiteren Finanzdienstleister aufsuchen oder sich von dem ersten Berater noch ein weiteres Angebot machen lassen.
      Ich halte dieses Vorgehen für sehr zielführend. Jedenfalls besser, als das Angebot des Finanzdienstleister seines „Vertrauens“ einfach so zu übernehmen. Sorry, das ist einfach naiv (um nicht zu sagen dumm). So machen es aber derzeit die meisten. Und darin liegt der Fehler. Da helfen auch noch so viele Gesetze und noch so viel Bürokratie nichts. Man sollte Angebote immer kritisch hinterfragen, bzw. wenn man es nicht selbst hinreichend kann, das durch einen Fachmann (als Drittmeinung) machen lassen.

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