Was DM-Nostalgiker übersehen
Zur Zeit durchleben wir eine Krise, die immer wieder als „Euro-Krise“ bezeichnet wird. Für mich ist das ein wenig seltsam, denn wenn man sich die europäische Gemeinschaftswährung ansieht, so ist sie sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bemerkenswert stabil (mit Innenverhältnis ist die Teuerungsrate oder Inflation gemeint, mit dem Außenverhältnis der Wechselkurs zu anderen Währungen).
Genau besehen, handelt es sich ja auch nicht um eine Krise des Euro als Währung, sondern um eine europäische Staatsschuldenkrise. Seltsamerweise wird beides unversehens in einen Topf geworfen. Warum das von so vielen Leuten gemacht wird, ist mir nicht klar.
Wie seltsam diese Gleichstellung ist, sieht man wenn man folgende Vergleiche zieht. Zu DM-Zeiten war einmal das Bundesland Bremen so gut wie zahlungsunfähig. Hat damals irgenwer von einer DM-Krise gesprochen? Oder davon, dass man doch am besten Bremen aus dem DM-Raum ausschließen sollte?
Anderes Beispiel: Als in den 1970er-Jahren New York pleite war, hat niemand von einer US-Dollar-Krise gesprochen. Auch wurde nicht diskutiert, ob man vielleicht New York aus dem US-Dollar-Raum ausschließen sollte. Genaugenommen klingt so etwas direkt merkwürdig in unseren Ohren. Jetzt kann man sich aber die Frage stellen, warum es nicht merkwürdig klingt, angesichts des Griechenland-Desasters von einer Euro-Währungskrise zu sprechen oder ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass Hellas den Euro aufgeben sollte. Hier (bei der DM früher und beim US-Dollar) wird offenbar mit anderen Maßstäben gemessen als beim Euro.
Jeder, der gegen den Euro schimpft und sich die DM zurückwünscht sollte noch folgendes bedenken.
Erstens war die DM durchschnittlich um vieles weicher als der Euro in den 10 Jahren seines Bestehens. Viele haben vergessen, dass die DM in den 1950er Jahren eine Weichwährung war. Und genau das unter anderem unser damaliges starkes Wirtschaftswachstum begünstigt hat. Eine harte Währung wäre für uns Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg Gift gewesen.
Auch daran können sich wahrscheinlich die wenigsten DM-Nostalgiker erinnern, dass wir 1980 eine DM-Inflation von ca. 9% hatten.
Es kommt aber noch ein wesentlicher Aspekt. Es ist ziemlich klar, dass es uns heute in Deutschland deutlich schlechter ginge, wenn wir die DM noch hätten. Um das zu verstehen, kann man mal einen Blick in die Schweiz werfen. Die Schweizer stöhnen nämlich gerade über die Maßen über ihren starken Franken. Ein starker Franken ist nicht gut für die Schweizer Wirtschaft, sondern verheerend schlimm. Der Tourismus hat ca. 10% weniger Umsatz, die exportorientierte Industrie leidet.
Hätten wir heute noch die DM, so wäre ähnlich wie im Moment der Franken, die DM eine typische Fluchtwährung der verängstigten Anleger. Das wäre für die deutsche Wirtschaft aber nicht gut, sondern sehr schlecht. Das hätte uns zig Milliarden gekostet.
Zu genau diesem Ergebnis kommt auch ein Studie, die jüngst die KfW erstellt hat. Diese studie kommt zu dem Schluss, dass das Wirtschaftswachstum der letzten zwei Jahre in Deutschland niedriger ausgefallen wäre. Mit der DM hätten wir heute, so die KfW, weniger Wohlstand in Höhe von 50 bis 60 Milliarden Euro.
Neben diesem wirtschaftlichen Aspekt sollte man einen sehr wichtigen Aspekt auch nicht vernachlässigen. Nämlich, dass der Euro auch eine sehr bedeutende politische Komponente hat. Darauf verweist Theo Waigel immer wieder in seinen Vorträgen. Hinter dem Euro steht eben auch die Idee der europäischen Integration in einer sehr konkreten Form. Und für diese Idee lohnt es sich zu kämpfen. Man erinnere sich nur daran, wie es vorher war – im Zeitalter der europäischen Nationalstaaten. Jeder gegen jeden, mit Kriegen und vielen Toten. Da ist mir das Europa von heute um vieles lieber, und noch lieber wäre mir ein noch besser integriertes Europa.
Und wahrscheinlich wird das eine der Folgen der momentanten europäischen Staatsschuldenkrise sein. Wenn das tatsächlich so kommt, dann bewahrheitet sich die Weisheit, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. Schade dass unser Augenmerk aktuell fast nur auf das negativ Krisenhafte gerichtet ist, und nicht auf das Positive. Das wird man aber naturgemäß erst in ein paar Jahren im Rückblick erkennen können. Jetzt im Vorhinein ist zugegebenermaßen sehr schwer zu erkennen.
Sehr geehrter Herr Peterreins,
ich danke Ihnen für diesen Beitrag, der wohltuende Klarheit in diese hysterische Debatte bringt.
Herzliche Grüße
Johann Gradl
Lieber Herr Peterreins,
Mir ist schon klar, dass Sie ein sehr ernsthaftes und ehrenwertes Anliegen verfolgen.
Sie neigen nicht zu Polemik, und ich will keine unsachliche Polemik hineintragen.
Dummerweise zerstreiten sich immer wieder diejenigen, die sich eigentlich gut verstehen und ähnliche Anliegen haben. Damit machen sie es ihren Gegnern leicht.
Ich kann gar nicht glauben, dass Sie irgendwelche meiner hauptsächlich negativen, folgenden Hinweise nötig haben. Die ausstehende, inhaltlich positive Antwort auf unsere heutige Situation dürfen und sollten die wirklich Sachkundigen beisteuern.
„Für mich ist das ein wenig seltsam, denn wenn man sich die europäische Gemeinschaftswährung ansieht, so ist sie sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bemerkenswert stabil (mit Innenverhältnis ist die Teuerungsrate oder Inflation gemeint, mit dem Außenverhältnis der Wechselkurs zu anderen Währungen).“
Bei der Beurteilung der Kaufkraft von Währungen vergleicht man doch immer Zweier-Paare. Am wichtigsten sind natürlich die Wechselkursverhältnisse zwischen der eigenen Währung und den wichtigsten Handelswährungen der Welt:
In Relation zum Schweizer Franken, zur Norwegischen Krone, zum Australischen Dollar, Neuseeländischen Dollar und Kanadischen Dollar hat der Euro wohl an Wert verloren.
Das Wechselkursverhältnis zum chinesischen Renminbi ist staatlich diktiert, also nicht frei konvertierbar.
Eine weitere Relation ist die zwischen einer Währung als gesetzlichem Zahlungsmittel und Gold.
Für gewöhnliche Durchschnittsverdiener ist ohnehin nur entscheidend, welche Kaufkraft ihr Monatseinkommen für Alltagsgüter aufweist.
Der zeitlich fernere Kaufkrafterhalt betrifft nur Inhaber von Vermögenswerten in Form von Bargeld, Tagesgeld usw., nominalen Zahlenansprüchen wie Anleihen, kapitalbildenden Lebensversicherungen usw. und Sachwerten. Genau letztere Personengruppen sind Mandanten von Vermögensverwaltern und verlangen von ihnen Bewahrung ihrer Kaufkraft durch die Zeit hindurch.
„Genau besehen, handelt es sich ja auch nicht um eine Krise des Euro als Währung, sondern um eine europäische Staatsschuldenkrise. Seltsamerweise wird beides unversehens in einen Topf geworfen. Warum das von so vielen Leuten gemacht wird, ist mir nicht klar.“
Die Staatsschulden der Euro-Mitgliedsstaaten lauten größtenteils auf Euro. Zinszahlungen und Tilgung erfolgen in Euro.
Vielleicht handelt es sich heute auch um das Epiphänomen einer schwerwiegenden Krise des Finanzkapitalismus als heutiger Spielart des Kapitalismus in den westlichen Industriesaaten.
„Zu DM-Zeiten war einmal das Bundesland Bremen so gut wie zahlungsunfähig. Hat damals irgendwer von einer DM-Krise gesprochen? Oder davon, dass man doch am besten Bremen aus dem DM-Raum ausschließen sollte?“
Die BRD ist als Bundesstaat eine Transferunion, kein Staatenbund souveräner Nationalstaaten. Die Bundessteuern sind erheblich höher als die Steuereinnahmen, die Bundesländern und kommunalen Gebietskörperschaften zufließen.
„Anderes Beispiel: Als in den 1970er-Jahren New York pleite war, hat niemand von einer US-Dollar-Krise gesprochen.“
Im Verhältnis New Yorks zu den USA gilt Ähnliches. Letztlich interessiert Gläubiger lediglich, ob Ihnen irgendjemand stellvertretend die ausstehenden Beträge zurückzahlt.
„Jetzt kann man sich aber die Frage stellen, warum es nicht merkwürdig klingt, angesichts des Griechenland-Desasters von einer Euro-Währungskrise zu sprechen oder ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass Hellas den Euro aufgeben sollte. Hier (bei der DM früher und beim US-Dollar) wird offenbar mit anderen Maßstäben gemessen als beim Euro.“
Echte Sorgen ebenso wie geschürte Aufregung betreffen eventuelle Zahlungsausfälle bei Staaten und Großbanken und daraus eventuell folgende Kettenreaktionen für unser international stark verflochtenes Finanzsystem. Falls private und institutionelle Anleger Bargeld massiv von griechischen Banken abziehen, können griechische Banken nicht länger ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber ausländischen Banken erfüllen usw..
„Erstens war die DM durchschnittlich um vieles weicher als der Euro in den 10 Jahren seines Bestehens. Viele haben vergessen, dass die DM in den 1950er Jahren eine Weichwährung war. Und genau das unter anderem unser damaliges starkes Wirtschaftswachstum begünstigt hat.“
Viele kriegszerstörte Volkswirtschaften mit marktwirtschaftlichem / kapitalistischem System erleben in den Jahren nach ihrer Befriedung einen starken Wirtschaftsboom, w eil zunächst an ziemlich allen Gütern des Inlandskonsums Bedarf besteht.
Begünstigend kam in Deutschland hinzu, dass nach den Währungsreformen1948 ebenso wie November 1923 der deutsche Staat im Binnenverhältnis gegenüber seinen eigenen Staatsbürgern wieder schuldenfrei starten konnte.
Das ist nicht die Situation der heutigen westlichen Industriestaaten, es sei denn man vereinbarte einen plötzlichen, koordinierten, großen, weltweiten Schuldenerlass.
“Eine harte Währung wäre für uns Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg Gift gewesen.“
Entscheidend für den wieder zunehmenden Wohlstand war, dass die Arbeitsentgelte stärker stiegen als die Verbrauchsausgaben. Für die Mehrheit der abhängig Beschäftigten in der BRD gilt das seit Jahren nicht mehr.
„Auch daran können sich wahrscheinlich die wenigsten DM-Nostalgiker erinnern, dass wir 1980 eine DM-Inflation von ca. 9% hatten.“
Ein Wikipedia-Artikel verweist auf Angaben des Statistischen Bundesamtes
( http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/1/19/Inflation1951-2007.png )
Dort ist für die BRD für 1980 eine Verbraucherpreissteigerung von 5,4% angegeben. Damals war die Inflation sozusagen importiert und durch die sogenannte zweite Ölpreiskrise von 1979 / 1980 bedingt.
Welches ist denn Ihre Datenquelle zur Inflationsrate?
„Zu genau diesem Ergebnis kommt auch eine Studie, die jüngst die KfW erstellt hat.“
Die KfW gilt ja als Staatseigene Bankengruppe. Wer ist der Auftraggeber der Studie? Haben Sie erwogen, ob bzw. wie weit das Ergebnis der Studie interessegeleitet sein könnte?
Zu Wirtschaftsthemen geben Auftraggeber oft ihnen gefällige, genehme Studien in Auftrag. Jeder besorgt sich dasjenige Zahlenwerk, das seine / ihre Handlungsinteressen stützt.
Im Herbst 2008 wurde die KfW in Medien noch als „Deutschlands dümmste Bank“ verspottet und verhöhnt.
„Kritik am Management[5] und an internen Kontrollmechanismen der KfW kam im September 2008 auf, weil die KfW noch am 15. September einen Betrag von etwa 350 Millionen Euro an die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers überwiesen, obwohl deren bevorstehende Insolvenz absehbar war.“
„Ein Sprecher der KfW teilte am 6. November 2008 mit, dass die Bank im Rahmen von Fördertätigkeit und Anlagen in Island 288 Millionen Euro angelegt habe und einen Teil davon verloren habe. Außerdem müsse ein an die isländische Glitnir-Bank gezahltes Globaldarlehen in Höhe von 150 Millionen Euro zunächst abgeschrieben werden. Darüber hinaus legte die KfW 138 Millionen Euro in Anleihen bei den drei maroden isländischen Banken Glitnir, Landsbanki und Kaupthing Bank an.“
(http://de.wikipedia.org/wiki/KfW_Bankengruppe#.C3.9Cberweisung_an_Lehman_Brothers )
„ Diese Studie kommt zu dem Schluss, dass das Wirtschaftswachstum der letzten zwei Jahre in Deutschland niedriger ausgefallen wäre.“
Kann man überhaupt methodisch seriös die fiktive Wirtschaftsentwicklung mit einer fiktiven D-Mark-Währung gegenrechen? Vermutlich muss man eine willkürliche Annahme über die mit einer D-Mark eingetretene Aufwertung machen. Zu Beginn jeder hypothetischen Rechnung legt man seine Annahmen offen.
Mit der DM hätten wir heute, so die KfW, weniger Wohlstand in Höhe von 50 bis 60 Milliarden Euro.“
50 bis 60 Milliarden Euro weniger Wohlstand für wen?
Der bloße Durchschnittswert sagt ja nichts über die Verteilung des Wohlstandes und der Ersparnisse, die sehr ungleich sein kann. Ich kann gar nicht glauben, dass Sie so naiv einer einzigen statistischen Kenngröße vertrauen.
Angeblich war die große, selektive Gewinnerin der vergangenen zehn Jahre fast ausschließlich die deutsche Exportwirtschaft. Die Bevölkerungsmehrheit hatte wohl keine Wohlstandszuwächse. Geringbezahlte hatten angeblich erhebliche Wohlstandseinbußen.
„Nämlich, dass der Euro auch eine sehr bedeutende politische Komponente hat. Darauf verweist Theo Waigel immer wieder in seinen Vorträgen.“
Aktive wie ehemalige Politiker sind oft auf Rechtfertigung des eigenen Handelns aus. Diejenigen unter uns, die die politische Berichterstattung überhaupt aufmerksam zur Kenntnis nehmen, sind so desillusioniert und aufgeklärt, dass sie bei jeglichen Äußerungen von Politikerinnen und Politikern sofort andere, verborgene Absichten und Hintergedanken vermuten.
„Hinter dem Euro steht eben auch die Idee der europäischen Integration in einer sehr konkreten Form. Und für diese Idee lohnt es sich zu kämpfen.“
Ja, das Vorhaben eines weiter zusammenwachsenden Europas ist den eigenen Einsatz alle Mal wert. Ich denke allerdings, dass man anders argumentieren sollte.
Wenn selbst so ein hoppsiges Flöhchen wie ich gegen Sie Einwände erheben kann, wie leicht fällt dann erst wirklich Sachkundigen?
Ich fürchte, dass Sie Ihrem honorigen Anliegen mit Ihrem Beitrag nicht weiterhelfen, weil Ihr Beitrag zu vielen Einwänden zum Opfer fällt.
„Man erinnere sich nur daran, wie es vorher war – im Zeitalter der europäischen Nationalstaaten. Jeder gegen jeden, mit Kriegen und vielen Toten.“
Die vom zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit geprägte Politikergeneration mit einem Befriedungsprojekt für Zentraleuropa als Antriebsmotiv für ihr Handeln ist heute nicht mehr aktiv. Die heute Handelnden betrachten Europa als Machtgebilde und global player in einer weltweiten Auseinandersetzung unter anderem um materiellen Wohlstand, Zugriff auf Rohstoffe, poltische und militärische Handlungsmacht.
Ich bin aufrichtig gänzlich unfähig einzuschätzen, ob eine weitere Integration Europas einer Gemeinschaftswährung bedarf oder nicht. Ich weiß nicht, ob Frau Merkels Aussage „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ bloße Rhetorik ist, um einzuschüchtern und gefügig zu machen, oder ob doch in der Sache Gründe zur Sorge bestehen, die bislang nur wenigen Insidern der Spitzenpolitik bekannt sind.
Frau Merkels weitere Rede, dass Staaten mit gemeinsamer Währung niemals Kriege gegeneinander geführt haben, ist dagegen wertlos und methodisch zumindest grob irreführend.
Aus kontingenten Allaussagen darf man nicht auf weitere Fälle schließen. Nur naturgesetzlich gestützte Allaussagen sind unbeschränkt universell und auf neue Einzelfälle ausdehnbar.
Nochmals anders formuliert:
Es gibt kein Naturgesetz, welches dafür sorgt, dass Staaten mit gemeinsamer Währung (bisher) keine Kriege gegeneinander geführt haben. Der nächste Fall bereits kann anders sein.
Für eine studierte, promovierte Physikerin ist ihre Aussage verheerend! Ich unterstelle der Bundeskanzlerin hier schiere politische Rhetorik.
In allen Fällen von Bürgerkriegen (USA, Spanien, Jugoslawien) haben übrigens weder eine gemeinsame Währung, noch gemeinsame Sprache noch gemeinsame Kultur den Krieg verhindert.
Möglicherweise werden gerade erst durch die wirtschaftlichen Verwerfungen einer fehlkonzipierten, gemeinsamen Währung Antipathien zwischen Bürgern von den Mitgliedstaaten erzeugt, vorsätzlich geschürt durch Medien wie die Bild-Zeitung mit ihrer Rede von vermeintlich faulen Griechen.
Die EU funktioniert seit Jahren mit mehreren Währungen. Schweden, Dänemark, Großbritannien sind gut integrierte EU-Mitglieder trotz eigener Währung.
„Da ist mir das Europa von heute um vieles lieber, und noch lieber wäre mir ein noch besser integriertes Europa.“
Ich wünsche dem Vorhaben einer weiter fortschreitenden EU-Integration ebenfalls alles Gute. Doch dazu bedarf es echter Europäer, die in europäischen Perspektiven und Dimensionen denken. Politiker werden in ihren Nationalstaaten gewählt. In jedem einzelnen Mitgliedstaat fordern Wähler mehrheitlich ausdrücklich, dass ihre Politiker nationale Vorteile rausschlagen und werfen ihnen regelmäßig vor, zu nachgiebig zu sein und sich in den europäischen Gremien übervorteilen zu lassen. In jedem Mitgliedsstaat unterstellen Wähler bei fast jedem Beschluss plakativ „den Ausverkauf eigener Interessen“.
Wendet man das Gedankengut der europäischen Aufklärung konsequent an, kann ein europäischer Staatenzusammenschluss kein selbstzweckhaftes Ziel sein, denn die Konzeptionen der Menschen- und Bürgerrechte, der Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, gleicher Rechte und Gleichheit vor dem Gesetz sind universell und erstrecken sich auf alle Menschen weltweit. Bereits die römische Stoa hatte ja einen universellen Begriff von Menschenrechten.
Das Denken der Aufklärung stellte ja zum Beispiel die Rechte und Entwicklungsmöglichkeiten des einzelnen Menschen (des Individuums) ins Zentrum. Das ist etwas anderes als Europa als Festung in einem kommenden unerbittlichen Kampf übernationaler Blöcke wie mit den USA und mit einem von China und Indien dominierten südöstlichen, pazifischen Asien.
Wer das Gedankengut der europäischen Aufklärung ernst nimmt, muss, so schwer es im eigenen Alltagshandeln auch fällt, eine universelle, alle Menschen umfassende Denkweise versuchen. Die hehren Ideale der europäischen Aufklärung bleiben dann für erzbanale Fragen des Anlegens der eigenen Ersparnisse nicht folgenlos.
Kleine abschließende Bemerkung:
Ich war und bin unverändert ganz aufrichtig für eine europäische Gemeinschaftswährung.
Internetforen sind wohl doch kein so guter Ort für argumentierende Beiträge. Die Themen sind zu schwierig.
Viele Grüße
TÜLAI
Sehr geehrter Herr Peterreins,
selbstverständlich durchleben wir eine „Euro-Krise“, die auch absolut verdientermaßen so zu benennen ist. Denn diese Krise ist durch den Euro verursacht.
Im Zuge der europäischen Einigung, die grundsätzlich zukunftsweisend und zu befürworten ist, wurden viele handwerkliche Fehler gemacht. Der größte ist die zu frühe Einführung des Euro die auch systemische Fehler enthielt. Trotzdem es sich in Europa um unterschiedliche Wirtschaftsräume handelt, mit unterschiedlichen Gesetzen und auch Einstellungen der Bürger zu ihrem Staat wurde per Beschluss von oben etwas zusammengepfercht, was (noch) nicht zusammen gehörte.
Ich finde es in diesem Zusammenhang im Übrigen empörend, dass die Politik nun auf ein Marktversagen schimpft. Nur um dem zuvor zu kommen: Märkte sind nicht perfekt. Aber das Handeln der Politiker hat in einem freien Markt Konsequenzen. Dass man sich diesen jetzt nicht stellen mag, sondern es auf ein Marktversagen schiebt ist der Gipfel der Armseligkeit!
Es ist noch nicht so lange her, da galten die Deutschen als der „kranke Mann Europas“. Der Euro half uns in den vergangenen 10 Jahren durchaus, wieder wettbewerbsfähig zu werden, auch wenn das für viele ein schmerzhafter Prozess war und ist. Die Wahrheit ist simpel: im globalen Wettbewerb kann nur der hoffen einen Wohlstandsvorteil zu erlangen, der Innovationen schafft, Rohstoffe besitzt, oder sonstige begehrenswerte Vorteile ausspielt. Aber andere können das eben auch, deswegen darf man sich nie ausruhen: der Wettbewerb ist gnadenlos. So ist das System.
Der Euro schuf im Wesentlichen zwei Ungleichgewichte: erstens, die Deutschen erlangten einen Wettbewerbsvorteil, in dem die Währung nicht mehr aufwertete. Das ist für eine Exportwirtschaft wie ein kontinuierliches Konjunkturprogramm. Nur irgendwer muss dafür bezahlen… in diesem Fall sind das all die Länder, die Importüberschüsse aufweisen und nicht über einen freien Wechselkurs abwerten können. Jeder Preis beinhaltet Informationen und feste Wechselkurse verhindern eine freie Preisbildung einer Währung: eben jenen Wechselkurses. Es war gesamtwirtschaftlich gesehen gut, dass die DM aufwertete bzw. eine importierte Inflation verursachte. Die Politik hat dies verhindert und nun gibt es eben die Konsequenzen, auch wenn man das nicht wahr haben will. Das zweite Ungleichgewicht war die irrige Annahme, dass eine Einheitswährung auch Einheitszinsen bedeutet, unabhängig von der Kreditwürdigkeit. Das war für die jetzt sogenannten PIIGS Staaten der Freibrief exorbitante Schulden zu machen: der Krug geht aber nur solange zum Brunnen, bis er bricht. Marktversagen kann auch durch die Eingriffe des Staates geschehen, nicht nur durch Bonusbanker.
Was ist die Lösung? Wenn man ein einheitliches Europa will und eine einheitliche Währung, dann führt kein Weg daran vorbei, enger zusammen zu rücken. Das beantwortet auch die Frage, was mit Griechenland passieren soll. Für die Weltwirtschaft ist das Schicksal der Hellenen bedeutungslos. Es zeigt aber, ob Europa Willens ist, gemeinsam zu bestehen oder doch nur aus Staaten besteht, die Einzelinteressen nachgehen. Insofern ist das, was hier zur Zeit erleben historisch und bedeutend.