Anlageberatung und Vergangenheitsdaten (Teil 3)

Um darzulegen, dass man für die Anlageberatung keine statistischen Auswertungen von vergangenen Marktdaten benötigt, habe ich bereits zwei konkrete Beispiele erörtert. In dem heutigen Beispiel geht es um einen Herrn O. Er ist 45 Jahre alt, besitzt 50.000 Euro und hat das Anlageziel, in 20 Jahren ein Vermögen in Höhe von 400.000 Euro erreichen zu wollen. Dieses Vermögen benötigt er, um im Alter einen Grundstock für seine zusätzliche Altersvorsorge zu haben.

Offenbar benötigt Herr O eine sehr hohe Zielrendite, wenn er aus 50.000 Euro in 20 Jahren 400.000 Euro machen will. Genau genommen wären dazu 11% p.a. notwendig. Das ist dann aber eine Netto-Rendite. Vor Steuern müssten es sogar 15,28% p.a. sein.

Wie berät man einen Kunden am besten, der eine solch hohe Zielrendite benötigt?

Auch Vergangenheitsdaten helfen nicht weiter

Nehmen wir einmal an, man würde eine Anlageklasse oder einzelne Wertpapiere finden, die tatsächlich über einen längeren Zeitraum eine durchschnittliche Rendite von 15,28% erzielt hat. Ist es wirklich korrekt, Herrn O.  ein Portfolio dieser Wertpapiere zusammenzustellen und dann zu behaupten, dass er diese Rendite auch in den nächsten 20 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder erreichen wird?

Ich verneine diese Frage. Ich würde das nicht als wirklich solide Anlageberatung bezeichnen. Denn es kann doch ohne weiteres sein, dass genau jene Anlageklassen oder Wertpapiere, die in der Vergangenheit diese hohe Renditen erzielen konnten, ausgerechnet die nächsten 20 Jahre deutlich schlechter laufen werden. So etwas ist ja schon oft genug vorgekommen.

Eine realistische Basis schaffen

Wenn Herr O. zu mir in die Beratung kommt, dann würde ich ihm sagen: „Bitte rechnen Sie realistischerweise selbst bei Aktieninvestments bestenfalls mit einer Netto-Rendite von 6% (was einer Rendite vor Steuern von etwa 8,3% entspricht). Wenn wir das so annehmen, können Sie aus 50.000 Euro in 20 Jahren schätzungsweise 160.000 Euro machen. Nicht mehr. Aus meiner Sicht haben Sie zwei Möglichkeiten: a) entweder setzen Sie Ihr Anlageziel deutlich nach unten, ober b) Sie finden noch einen weiteren Weg, Geld anzusparen, vielleicht mittels eines monatlichen Sparplans.“

Zusätzliche Potenziale aktivieren

Und tatsächlich stellt sich heraus, dass Herr O. ohne weiteres jeden Monat 250 Euro zur Seite legen kann. Spart Herr O. diese 250 Euro monatlich konsequent in eine Anlageform an, die netto 6% Rendite p.a. bringt, dann wird er nach 20 Jahren zusätzliche 244.800 Euro angespart haben.

Beides zusammengenommen, die Einmalanlage der 50.000 Euro und der Sparplan jeweils mit einer Zielrendite von 6%, lässt sein Anlageziel (400.000 Euro in 20 Jahren) erreichbar werden.

Auf diese Weise sieht man, denke ich, sehr schön, dass eine gute Anlageberatung gerade darin besteht, den Kunden auf Ideen zu bringen, die er/sie vielleicht vorher nicht hatte.

Wenn ich Herrn O. dann rate, ein Schwergewicht auf Aktien-Investments (ETFs) zu legen, dann mache ich das nicht aufgrund einer statistischen Analyse vergangener Marktdaten. Ich behaupte nicht, dass Aktien-Investments unbedingt und notwendigerweise über die nächsten 20 Jahre 7,6% Rendite erzielen werden. Ich sage nur, dass die Vergangenheit gezeigt hat, dass das möglich ist. Es könnte aber tatsächlich am Ende eine deutliche höhere oder auch eine deutlich niedrigere Rendite herauskommen. Das kann man heute noch nicht sagen, auch nicht aufgrund statistischer Analysen vergangener Marktdaten.

Wichtig ist auch zu sehen, dass Herr O. natürlich mit Risiko anlegt. Und das heißt, dass er, wenn er Pech hat, mit dieser Anlagestrategie sein Ziel verfehlen wird. Das ist nicht auszuschließen. Der Punkt aber ist, dass er mit dieser Anlagestrategie zumindest eine realistische Chance hat, sein Ziel zu erreichen.

Ich bin ja promovierter Mathematiker. Und vielleicht habe ich genau deswegen meine großen Zweifel daran, dass statistische Analysen vergangener Marktdaten wirklich hiflreich sind. Meiner Meinung nach, sind die Voraussetzungen einfach nicht gegeben, dass man bei Marktdaten mittels klassischer statistischer Methoden brauchbare Ergebnisse erhält.

Wenn aber diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, dann ist man mit Bauchschätzungen genauso gut wie mit statistsichen Auswertungen. Letztere bringen keinen wirklichen Mehrwert, nur den Schein von Genauigkeit und Wissenschaftlichkeit. Dieser Schein kann aber mitunter in die Irre führen. Warum? Weil so eine scheinbare Gewissheit vorgegaukelt wird, die faktisch nicht da ist.

2 Kommentare
  1. Matthias Hofmann
    Matthias Hofmann sagte:

    Lieber Herr Dr. Peterreins,

    ich hätte eine Frage, die etwas off-topic ist:
    Wie berechnen Sie die notwendige Rendite vor Steuern, um die gewünschte Netto-Rendite zu erzielen?
    (Also zum Beispiel 14,1%, um 11% nach Steuern zu erzielen. Oder 7,6%, um 6% nach Steuern zu erzielen.)

    Die Abgeltungssteuer kann die Differenz nicht genau erklären. Kalkulieren Sie hier mit Steuerstundungseffekten? Welche Annahmen legen Sie zugrunde?

    Herzlichen Dank für Ihre Antwort!

    Grüße,
    Matthias Hofmann

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Sie haben recht, da ist mir ein Zahlendreher auf die Schnelle passiert. Die richtige berechnung lautet x = 11%/0,72. Ich hatte aus Versehen x = 11%/0,78 gerechnet. Danke für den Hinweis. Ich werde das im Text noch ändern.

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert