Sind die Staatsschulden der Bundesrepublik Deutschland tilgbar?

In der aktuellen Diskussion hört man manchmal solche Behauptungen wie:

  1. dass Staaten ihre Schulden noch nie getilgt hätten, und
  2. dass die Bundesrepublik Deutschland unmöglich ihre Staatsschulden je zurückzahlen könne.

Beide Aussagen halte ich für falsch …

Die USA waren nach dem Zweiten Weltkrieg infolge des Krieges stark verschuldet. Während der 1950er und 1960er Jahre konnten die USA diese Schulden stark reduzieren. Das ist ein historisches Beispiel, das belegt, dass es zumindest möglich ist, dass Staaten auch Schulden tilgen können.

Zur These, dass die aktuellen deutschen Staatsschulden nicht zu tilgen sind:

Derzeit belaufen sich die Schulden des Bundes auf etwa 1,8 Billionen Euro. Interessant ist es, sich einmal die Staatsausgaben  und -Einnahmen anzusehen. Die belaufen sich nämlich auf etwa 1,13 billionen Euro Staatsausgaben und 1,02 Bill Euro Einnahmen. Das heißt rein theoretisch: wenn wir mal (wei gesagt rein hypothetisch) 2 Jahre komplett keine Staatsausgaben hätten, dann wäre die gesamte Staatsschuld in zwei Jahren tilgbar.

Das entspricht etwa der Situation eines Menschen, der einen Kredit in Höhe von 200.000 Euro aufnimmt und selbst  100.000 Euro im Jahr verdient. Man kann nicht sagen, dass das hoffnungslos unsolide finanziert wäre.

Das Staatsdefizit lag letztes Jahr bei 110 Mrd Euro oder 4% vom BIP. Würde man einmal – wieder rein theoretisch – annehmen, dass wir das Staatsdefizit in einen Haushaltsüberschuss von 4 % drehen könnten und entsprechend hoch tilgen könnten, dann wäre die Bundesrepublik Deutschland nach 35 Jahren vollständig schuldenfrei.

Die Behauptung also, dass Deutschland unmöglich seine Staatsschulden tilgen kann, ist falsch. Es ist sehr wohl möglich bzw. denkbar. Wie die praktische oder politische Umsetzung aussieht, ist eine andere Frage. Aber immerhin kann man feststellen, dass die Staatsverschuldung durchaus bei den Politikern fast aller Parteien als Problem erkannt worden ist. Bleibt also zu hoffen, dass die Verantwortlichen auch entsprechende Maßnahmen einleiten. Ein erster Schritt mit der Grundgesetzänderung im Jahre 2009 ist ja bereits getan, wodurch ab 2016 die Staatsverschuldung des Bundes eingefroren werden soll.

Noch ein kleiner Nachtrag. Es gibt ja die sog. Schuldenuhr und manchmal wird suggeriert, dass die Staatsschulden notwendigerweise exponentiell anwachsen würden. Auch das stimmt nicht. Die Staatsverschuldung würde nur dann anwachsen, wenn die Schuldzinsen des Bundes soszusagen thesauriert werden würden. Das ist aber nicht der Fall, denn der Bund zahlt normalerweise seine Schuldzinsen aus järhlich aus. Also gibt es hier keinen Ansatzpunkt für den Zinseszinseffekt.

6 Kommentare
  1. Arnonymous
    Arnonymous sagte:

    Danke für diesen Artikel.

    Allerdings haben Sie unerwähnt gelassen,
    dass die BRD viele viele Milliarden € zukünftige
    Verpflichtungen (Beamtenpensionen als Beispiel) als
    Passiva bilanzieren *müsste*,
    so wie das jedes Privatunternehmen auch macht.

    Es wird allerdings nicht getan und wir verschließen
    die Augen vor den zukünftigen immensen Zahlungsverpflichtungen.

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ja, danke für Ihren Kommentar.
      Sie haben recht, das Thema Staatsverschuldung ist eigentlich ein weites Feld. Das einen auch beliebig ängstigen kann. Dennoch wollte ich mit meinem Beitrag mal einen kleinen Gegenakzent setzen. Auch ich denke natürlich, dass hier noch einiges auf uns zu kommen wird, was ich aber überhaupt nicht mag ist, wenn es so dargestellt wird, als sei es vollkommen UNMÖGLICH hier noch einen Ausweg zu finden. Wenn man nur mutig und kreativ genug ist, wird es auch hier sicher einen Ausweg geben.

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  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Lieber Herr Dr. Peterreins,

    M. Hüfner (05.08.2010) bezieht sich auf Bank Wegelin. Bank Wegelin bezieht sich auf Daten von Prof. B. Raffelhüschen (Uni Freiburg):
    Implizite Staatsverschuldung (= sog. Leistungsversprechen eines Staates in Form von Pensionen, Renten, Gesundheitsleistungen) der BRD: 250% des Bruttoinlandsproduktes (= BIP)
    Implizite Staatsverschuldung der BRD: 75% des BIP.
    Grundsätzliche methodische Schwächen der Zahlenwerke:
    1.) Zahlen beruhen auf Schätzungen der Bevölkerungsentwicklung
    2.) schwanken stark
    3.) unterschiedliche Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen

    F. Rötzer (02.03.2010) nennt Studie von B. Raffelhüschen für Stiftung Marktwirtschaft, deren Vorstandsmitglied B. Raffelhüschen ist:
    Bund, Länder Kommunen der BRD: insg. sechs Billionen Euro Schulden durch Leistungsversprechen des Sozialstaates. Das entspricht 172% des BIP.
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    „… entspricht etwa der Situation eines Menschen, der einen Kredit in Höhe von 200.000 Euro aufnimmt und selbst 100.000 Euro im Jahr verdient.“

    Ihr Vergleich zwischen einem Staat und einer Individualperson ist ja bekanntlich ziemlich fragwürdig, unter Anderem weil ein Staat keine begrenzte Lebenserwartung hat.

    Außerdem müsste man bei einem Vergleich die private Verschuldung beziehungsweise die privaten Guthaben (Vermögen) in die Gesamtbilanz einbeziehen.
    In der BRD werden die Privatvermögen seit 20 bis 25 Jahren immer ungleicher verteilt. Wachsende Bevölkerungsgruppen könne heute gar kein Vermögen mehr aufbauen. Als Vermögensverwalter dürften Sie mit denen zumindest beruflich eher weniger zu tun haben.

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    „Die Behauptung also, dass Deutschland unmöglich seine Staatsschulden tilgen kann, ist falsch. Es ist sehr wohl möglich bzw. denkbar.“

    Die Erörterung logisch widerspruchsfreier Denkmöglichkeiten finde ich innerhalb der Philosophie einen sehr spannenden Luxus.
    Leider könnte die durchschnittlich verdienende, philosophieferne Bevölkerungsmehrheit gegenwärtig etwas andere Sorgen haben. Angeblich bekommen Kassenpatienten bei ihren Zahnärztinnen 2010 nur noch Notfalltermine, weil die zahnärztlichen Budgets für 2010 aufgebraucht seien.  
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    „Wenn man nur mutig und kreativ genug ist, wird es auch hier sicher einen Ausweg geben.“

    Ja. Lösungsvorschläge werden seit Langem benannt. Ich weiß nur nicht, ob Sie sie für ihren persönlichen Geschmack kreativ und mutig sind:
    Staaten können ihre Einnahmen mit Leichtigkeit ausreichend erhöhen, so dass sie keinerlei Nettoneuverschuldung bedürfen und Altschulden tilgen können, indem sie große, jährliche Einkommen und großen Geldvermögen stark besteuern und Steuerhinterziehung streng verfolgen.
    Da das Problem der Staatsverschuldung ein gesellschaftliches ist, kann seine Lösung nur auf gesellschaftlicher Ebene liegen (nicht auf individueller). Der von Ihnen geforderte Mut wäre dann der Mut zu einschneidenden politischen Systemveränderungen hinsichtlich Einkommensverteilung und Umverteilung bereits angesammelter Vermögenswerte.

    Viele Grüße
    TÜLAI

    Antworten
  3. al_man
    al_man sagte:

    Ja, Staatsschulden könnten getilgt werden… denn allen Schulden steht alles Vermögen gegenüber. Die Schuldentilgung in der Vergangenheit lief auf drei möglichen Wegen ab. Tilgung durch Ausgabenreduktion und Einnahmensteigerung (wäre wünschenswert), Inflation und kalte Progression (z.B. höhere Umsatz- und Lohnsteuern) sowie Gläubigerverzicht. Letzteres wird derzeit sogar öffentlich diskutiert…
    Das Problem mit den Schulden ist gleichzeitig ein politisches Problem: Denn jeder Politiker muss sich der Wiederwahl stellen und dementsprechend seine Wählerschaft mit Beruhigungspillen bzw. Subventionen gefügig machen. In einem Wohlfahrtsstaat gibt es faktisch keine verbindlichen Anreize, Schulden zu tilgen, selbst wenn dies im Beispiel von Dr. Peterreins theoretisch möglich wäre. Ob die Schuldenbremse, die erst in 2016 kommen soll (wie bezeichnend… die Probleme haben wir hier und heute), ihre volle Wirkung entfalten wird, hängt leider vom politischen Umfeld in 2016 ab. Gesetze können nur allzu leicht verändert bzw. aufgeweicht werden.
    Ich fürchte, eine dauerhafte Schuldentilgung wird gesellschaftsübergreifend über einen ausgeprägten Gläubigerverzicht zu erreichen sein. Da hier insbesondere auch Banken betroffen sein werden, wird auch der Bürger von Nebenan mit seinen Spareinlagen tangiert sein, der mit deutschen Staatsanleihen und Bundesschatzbriefen eigenlich gar nichts am Hut hat. Auch er wird diese (Schild-)kröte schlucken müssen.
    Einen Vorteil hätte dies aber: Wir könnten von vorne starten und hätten hoffentlich etwas dazugelernt. Denn von nichts kommt auch nichts.

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  4. daniel
    daniel sagte:

    Die Bundeswehr hat den dritt höchsten Posten im Haushalt und alleine dort könnte man jährlich mehrere Milliarden sparen… ich selbst spreche aus Erfahrung und sehe es leider täglich…

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  5. 007
    007 sagte:

    Die ganze Diskussion erscheint etwas naiv.
    Wie soll denn ein Staat Geld zurück zählen .
    Das niemals Real existiert hat, sondern von Banken
    Deren Einlagen nirgens größer als 10% sind, künstlich geschaffen wurde
    Sorry, dass ist mathematisch Einfach darstellbar und auch einfach zu verstehen , dass es nicht der Sinn des Geldsystems ist , das allen Schulden getilgt werden können . So viel Geld existiert nicht

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