Technische Analyse
Ich halte nicht besonders viel von der Chartanalyse, auch technische Analyse oder Markttechnik genannt. Die Anhänger dieses Verfahrens versuchen aufgrund der Gestalt des bisherhigen Kursverlaufs eines Finanzwert Aussagen über künftige Entwicklungen abzuleiten. Ich selbst halte das Ganze für eine Art Finanz-Astrologie. Ähnlich wie die Astrologie ist auch die Charttechnik sehr mathematisch. Und hier wie dort lassen sich Menschen zu dem Schluss verleiten: Wo so viel Mathematik ist, muss auch ein Fünkchen Wahrheit sein.
Ein Kunde hat mir letztens den Newsletter eines Finanzdienstleisters zugesendet, der offenbar and die Chartanalyse glaubt. Der Text ist, recht besehen, recht komisch. Daher
Hier der Chartanalyse-Text aus dem Newsletter des Finanzdienstleisters:
„Für die Beobachter und Marktteilnehmer, die das Geschehen an den Aktienmärkten mittels der sogenannten „technischen Analyse“ oder „Markttechnik“ zu bewerten versuchen, waren die vergangenen Wochen außergewöhnlich schwierig :
Mehrfach wechselten die Aktienkurse dermaßen dynamisch ihre Richtung, dass man jeweils von einem neuen Trend ausgehen konnte, der sich dann allerdings als nicht stabil erwies. Nachdem es schon im Mai eine Reihe solcher ‚Fehlsignale‘ gegeben hatte, ist die Orientierungslosigkeit im Juni nicht kleiner geworden.
Noch ist nicht erkennbar, ob die zweiwöchige Kurserholung im Juni der Beginn einer Stabilisierung war oder nur eine Gegenbewegung auf eine übergeordnete Abwärtsbewegung. Solche als ‚technische Reaktionen‘ bezeichnete Kursbewegungen entgegen der eigentlichen Trendrichtung sind häufig zu beobachten. Sie entstehen, weil Kurse eine gewisse Trägheit aufweisen [meine Hervorhebung]: Wenn sich das Kursniveau rasch stärker verändert, wird dies von einem Teil der Marktteilnehmer als Übertreibung gewertet, die sie ‚korrigieren‘. Sie erzeugen mit ihrem Handeln dann eine Gegenbewegung, die man deswegen auch als ‚Korrekturbewegung‘ [meine Hervorhebung] bezeichnet, bevor sich meistens die ursprünglichen Beweggründe wieder durchsetzen und die Kurse in Trendrichtung bewegen (in sogenannten ‚Impulsbewegungen‘ [meine Hervorhebung]).
Der ständige Wechsel von Impulsbewegung (in Trendrichtung) und Korrekturbewegung (gegen die Trendrichtung) ergibt die für die Börsenkurse typische ‚Zick-Zack-Linie‘. Von einem Trend spricht man also, wenn sich die Kurse in einer übergeordneten Bewegungsrichtung befinden, sich die „Zick-Zack-Linie“ also insgesamt nach oben oder unten bewegt.
Pendeln die Kurse unter Schwankungen seitwärts, muss man von einer ‚trendlosen Phase‘ sprechen. Dies ist allerdings eher selten. Meist erweisen sich solche Phasen als Trendwechsel, die man allerdings wegen der Vielzahl von Implus- und Korrekturbewegungen oft erst später als solche erkennt [meine Hervorhebung].
Sollten die Aktienindizes nicht bald noch oben aus der Bandbreite der vergangenen Wochen ausbrechen können, ist die Gefahr gewachsen, dass sie im Juli unter ihre bisherigen Jahrestiefs fallen, was aus dem Blickwinkel der technische Analyse für einen übergeordneten Abwärtstrend sprechen würde.“
Direkt komisch ist die physikalisch-naturwissenschaftliche Sprache, die in diesem Text verwendet wird. Kurse hätten eine gewisse „Trägheit“, ähnlich wie man in der Physik davon spricht, dass Masse-Partikel eine gewisse Trägheit hätten. Ebenso gäbe es bei Finanz-Charts „Impulsbewegungen“.
So wie Finanz-Charts hier mit physikalischen Begriffen beschrieben werden, kann ich mich kaum des Bildes eines springenden Balles erwehren. Der aktuelle Kurs ist wie ein Springball, der eine „gewisse Trägheit“ hat und durch Stoß-Impulse beeinflusst werden kann.
Hierbei sollte man sich daran erinnern, was Charts tatsächlich sind: abstrakte, nicht-physikalische Zahlen und Bildchen auf dem Papier. Wie so etwas Einfluss auf tatsächliches Börsen- und Wirtschaftsgeschehen haben soll, entspricht einer mystischen Fernwirkung. Wie man sich das konkret denken soll, bleibt ein Rätsel.
Prof. Martin Weber schreibt sehr nett in seinem Buch „Genial einfach investieren“ über die Chartanalyse (S. 13):
„Viele Anleger entscheiden irrational. ein Besipiel dafür ist ihr Vertrauen in die Chartanalyse. Hinter dieser Analysetechnik steckt die Idee, dass man den Kurs eines Wertappiers durch geschicktes grafisches Afuarbeiten vergangener Kursverläufe vorhersagen kann. Da malen also erwachsene Männer mit Bleistift und Lineal die Kursverlaufslinien von wertpapieren mit Wimpeln, Trendlinien und alle möglichen anderen Figuren, in der erwartung, auf diese Weise schnellstmöglich reich zu werdne. Dass dies indes wenig mehr ist als ein teurer Irrgralube, lässt sich mit den Mitteln der Mathematik theoretisch zeigen – und obendrein empirisch belegen!“
Hallo, Herr Dr. Peterreins,
das „Geheimnis“ der Chartanalyse ist doch ganz einfach: je mehr Leute daran glauben und danach handeln, desto „richtiger“ sind die Voraussagen.
Herzliche Grüße
Christoph Mischke
Hallo Herr Mischke, Danke für Ihren Beitrag.
Dieses Argument habe ich auch schon ein paar Mal gehört. Und ich glaube definitiv nicht daran. Und zwar weil es zu viele verschiedene Chart-Anaylse-Modelle gibt. Die einen schwören auf dei 200-Tage-Linie, die anderen nehmen 150-Tage-Linien. Wieder andere glauben an Elliot-Waves etc. etc. Dei Gemeinde der Chartanalyse-Gläubigen handelt zu uneinheitlich und ist wahrscheinlich auch nicht groß genug, um den Markt tatsächlich beeinflussen zu können.
Gruß Hannes Peterreins