Finanztest testet Bankberater: katastrophales Ergebnis
Im Finanztest vom Januar 2010 ist ab Seite 22 ein Artikel veröffentlicht mit der Überschrift: „Die große Blamage“. Darin wird das Ergebnis eines Tests von 21 Bankberatern veröffentlicht:
- Sehr gute Beratung: kein Mal.
- Gute Beratung: kein Mal.
- Befriedigende Beratung: Drei Mal.
- Ausreichende Beratung: 16 Mal.
- Mangelhafte Beratung: Zwei Mal.
Dieses Ergebnis ist so schlecht, dass auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner erzürnt ist (Siehe Handelsblatt-Artikel). Nachfolgend mehr dazu…
Die Testsituation
Kunde A kommt im Sommer 2009 in seine Bankfiliale und bittet um eine Beratung. Er will 30.000 Euro möglichst sicher anlegen. Seine Renditevorstellungen sind 4% p.a. Danach gefragt, auf welchen Zeitraum er das Geld anlegen möchte, antwortet er: 5 Jahre.
Eine überzaus typische Situation für einen Anlageberater. Das Dilemma dabei: Im Sommer 2009 gibt es keine sichere Geldanlage für 4% p.a.
Ein Anlageberater berät dann korrekt, wenn er den Kunden auf dieses Dilemma hinweist. Der Berater muss den Kunden darüber aufklären, dass er bei einer ganz sicheren Geldanlage keine 4% Rendite bekommen kann. Bzw. wenn ihm die 4% wichtig sind, muss der Kunde Abstriche bei der Sicherheit machen, und ein gewisses Risiko in Kauf nehmen. Entweder das eine oder das andere. Beides zusammen geht nicht.
Von den 21 getesteten Bankberatern machten das nur vier. Die übrigen 17 gingen ohne zu Zögern zum Produktverkauf über. Und dazu gehörten:
- Aktienfonds – was wohl alles andere als eine sichere Geldanlage ist.
- Rohstofffonds – auch solche Fonds sind riskant.
- ein sog. Goldkonto – einseitig und mit hohen Risiken behaftet.
- Private Rentenversicherungen – zwar sicher, hat aber nach Kosten eine geschätzte netto-Rendite von ca. 1 % p.a.
- Bausparverträge – hohe Abschlusskosten und niedrige Verzinsung.
- Offene Immobilienfonds – einseitiges Investment und mit Risiken behaftet.
- Dachfonds – teuer und, wenn Aktienfonds beigemischt sind, entsprechend riskant
Richtig wäre folgendes gewesen. Wenn der Kunde angibt, dass ihm die Sicherheit wichtiger ist als die Rendite, dann gibt es für ihn kaum eine Alternative zu Festgeld oder Tagesgeld. Hier hat er zwar nur vielleicht 2% Rendite, aber dafür gar kein Risiko.
Verkaufsdruck führt zu schlechter Beratung
Das Problem der Banker an dieser Stelle ist natürlich, dass sie an einem simplen Festgeld- oder Tagesgeldkonto nur sehr wenig verdienen. Bei allen oben genannten Anlageformen fallen Provisionen an, von denen der Kunden normalerweise nicht viel mitbekommt. Und diese Provisionen motivieren die Banker, bestimmte Anlageempfehlungen zu geben. Nichts weiter.
Sehr häufig gibt es in den Filialen Vertriebsvorgaben. D.h. ein Bankberater muss so und so viele Bausparverträge verkaufen, um sein Soll zu erfüllen. Oder so und so viele Aktienfonds, etc. Wer das nicht erreicht, bekommt Problme.
Wer dies weiß, kann von einem Bankberater keine gute Beratung erwarten. Das käme einem Wunder gleich. Bzw. derjenige Bankberater, der so berät, dass seine Kunden gut beraten sind, wird schnell von seinem Arbeitgeber verwarnt werden. So traurig ist die Realität.
Die Wirtschaftswoche hat in einem Artikel vom 12.2.2008 (Nr. 6, Autorin Melanie Bergemann) einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel „Ich habe Sie betrogen“, worin Bankberater über ihre Situation in den Bankfilialen auspacken. Hier ein paar Zitate daraus
„43% Zunahme der Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen in der Baneknbranche … Durchschnittlich 4 Minuten Zeit, die ein Mitarber der DB Direkt für die Abwicktlung eines Wertpapiergeschäfts inklusive Nachbearbeitung aufwenden darf…
In vielen Filialen deutscher Banken herrschen Zustände wie in einer Drückerkolnne. Jetzt packen Bankberater aus: Wie sie Kunden belügen, wiel sie dem Vertreibsdruck, den Drohungen und Demütigungen ihrer Vorgesetzten nicht mehr gewachsen sind. Sie sind Opfer und Täter zugleich…
Es ist ein ausgeklügelstes System individueller Vertriebsziele – unterfüttert mit Drohungen und Demütigungen -, das den Traumjob Banker für viele Privatkunden berater zum Albtraum macht. Und für die Kunden den Besuch einer Filiale zum unkalkulierbaren Risiko. Denn aus dem Berater von früher ist ein Verkäufer geworden, der oft leichtes Spiel hat: ‚Wenn sich jemand ein Auto kauft, vergleicht er vorher die Preise, wenn jemand ein Bankprodukt kauft, tut er das nicht‘, sagt ein Berater der Berliner Weberbank. ‚Deshalb funktioniert der Vertriebsdruck der Banken so gut‘, sagt Friedrich Schade, der 15 Jahre lang angestellter Banker … war …
Die individuellen Vertriebsziele unterscheiden sich von Bank zu Bank: einige Insitute fordern von ihren Mitarbeitern, ein bestimmtes Ertragsziel zu erfüllen, andere schreiben den einzelnen Beratern genau vor, wie viele Lebensversicherungen, Kredite oder Fonds sie pro Woche verkaufen müssen … Und diese Vorgaben haben sie zu erfüllen. Irgenwie.Sie stehen unter ständiger Beobachtung ihrer Vorgesetzten, müssen sich rechtfertigen, wenn ein Kunde die Filiale verlässt. In den Aufenthaltsräumen einiger Filialen Mitarbeiter-Rankings aus, die schlechte Verkäufer bloßstellen. Oft wird auch mit Künditung gedroht.“
Klar ist: So lange die Banken ihre Angestellten unter einem solchen Vertriebsdruck setzen, kann es keine gute Beratung geben. Da helfn keine Protokolle, wie sie seit 1.1.2010 Pflicht sind, da helfen auch keine „Beipackzettel“ zu Finanzprodukten (wie es sich seit Neuestem Ilse Aigner denkt).
Am Besten hilft Aufklärung und eine gesunde Portion Misstrauen
Ich glaube, man müsste mit Aufklärung anfangen. Die Anleger sollten einfach zunächst wissen, was sie erwartet, wenn sie eine Bankfiliale betreten. Die Idee, dass man hier vertrauensvoll und gut beraten wird, ist einfach naiv. Ja sogar gefährlich.
Nachdem man weiß, unter welchem Verkaufsdruck Bankangestellte „beraten“, ist nichts unangebrachter als: Vertrauen. Man kann sich gerne die Vorschläge seines Bankberaters anhören. Danach gilt aber: Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht!!! Und maximales Misstrauen. Der Bankberater ist NICHT auf der Seite des Kunden, sondern in gewisser Weise sein Gegner.
Eine gute Idee ist es z.B., mit einem Anlagevorschlag seines Bankers noch zu einem anderen Finanzberater zu gehen. Einfach nur, um eine zweite Meinung einzuholen.
Ferner sollte man unbedingt nach den Kosten fragen:
- Wieviel verdient die Bank daran, wenn ich das Anlageprodukt X erwerbe?
- Wie hoch sind die Gesamtkosten des Anlageprodukts X?
Denn die Vertriebskosten sind nur ein Teil der Gesamtkosten. Und Sie sollten bitte immer daran denken: Einer der wichtigsten Punkte, um optimal Geld anzulegen, sind die Gebühren und Kosten. Das meiste andere (nette Geschichten, Vergangenheitscharts, Gewinnversprechen, Hochglanzprospekte, etc.) ist fast immer bloßer Schall und Rauch. Und dient nur dazu, von dem eigentlich Wichtigem abzulenken: den Gebühren und Kosten. Punkt.
Und wie steht es mit Provisionen?
Sehr häufig stehen Provisionen in der Kritik. Ich selbst glaube nicht, dass die Provisionen als solche das Problem sind. Es ist vielmehr der korrekte, d.h. transparente Umgang mit ihnen. Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass eine Beratung nur deswegen besser ist, weil der Berater dem Kunden ein Stundenhonorar berechnet.
Und ein Honorarberater ist auch nicht immer nur deswegen weil er keine Provisionen nimmt günstiger als ein Berater, der sich über Provisionen finanziert. Es kann sein, muss aber nicht.
Auch muss ein Honorarberater als solches nicht unabhängiger sein als ein anderer Berater. Ich kann das Wort „unabhängig“ sowieso nicht leiden. Denn recht überlegt, ist niemand unabhängig (gar keiner). Ich finde es viel korrekter und ehrlicher, wenn man stattdessen offen mit seinen Abhängigkeiten umgeht.
Wenn ich dem Kunden sage, dass ich bislang gute Erfahrungen mit dem Anlageprodukt A habe, ein anderes Anlageprodukt B aber im Prinzip kaum kenne, dann ist das ein offener Umgang mit meinen Abhängigkeiten. Der Kunde weiß dann sofort, dass ich selbstverständlich eher dazu neige, A zu empfehlen als B. Oder wenn ein Berater offen und ehrlich sagt, dass er an Produkt A so und so viel verdient und an Produkt B so und so viel: auch dann weiß der Kunde Bescheid und ist korrekt informiert.
Klar muss ja auch beispielsweie sein, dass der Berater von irgendetwas leben muss. Einen offenen, transparenten Umgang mit seinen Abhängigkeiten stelle ich mir z.B. so vor. Nehmen wir einen Berater an, der mit seinem Kunden das Produkt A und das Produkt B diskutiert. Nehmen wir an, dass der Berater bei A eine Provision vom Produktanbieter erhält, bei B aber gar nichts.
Ich würde es korrekt finden, wenn der Berater zunächst ein Stundenhonorar für seine Dienstleistung erhält. Dass er aber natürlich ganz klar seinem Kunden mitteilt, dass er bei Produkt A eine Provision verdienen kann, bei B nichts. Sollte der Kunde sich für A entscheiden, sollte die Provision mit dem Honorar verrechnet werden.
Der Kunde kann unmöglich erwarten, eine hochqualifizierte gute Beratung umsonst zu bekommen. Das kann einfach nicht sein. Entweder Provision oder Honorar. Und falls Provision, dann sollte klar sein, wie viel. Und eine etwaige Provision sollte natürlich das Honorar mindern. Dann sind die Verhältnisse klar, transparent und ehrlich.
Ich bin tatsächlich der Meinung, dass ein Teil der Misere, die wir im Bereich der Anlageberatung erleben, dadurch kommt, dass zu viele Anleger erwarten, dass eine Beratung nichts kostet. Das kann ja gar nicht sein. Jeder muss wissen, dass eine Beratung irgendetwas kosten muss. Und damit sind wir wieder beim Thema Aufklärung.
Weitere Verweise auf Artikel in den Printmedien:
- Capital April 2007: „Ein unmoralisches Angebot“ (Wie die Banken insbesondere auch vermögende Bankkunden mit überhöhten Gebühren abzocken)
- Capital Sept 2007: „Beraten und verkauft“ (Über schlechte Bankberatung)
- Süddeutsche Zeitung 12.02.2008: „Goodbye Bankberater“ (über schlechte Bankberatung)
- Wirtschaftswoche Feb 2008: „Ich habe Sie betrogen“
- Focus Money: „Vorsicht, Bank“ (Wie Bankberater ihre Kunden abzocken)
- Süddeutsche Zeitung 8.05.2008: „Aufschrei der Millionäre“ (wie Banken gerade auch vermögende Privatkunden abzocken)
- Süddeutsche Zeitung 16.10.08: „Beraten und verkauft“ (über schlechte Bankberatung)
Weitere Links
Was die Stiftung Warentest testet ist hier aber auch nicht korrekt.
Erst heißt es „möglichst sichere“ Geldanlage. Später auf einmal „ganz sichere“ Geldanlage, was denn nun. Übrigens keine Geldanlage ist ganzzzzz sicher!!!!! Aber das scheint nicht mal die Stifung Warentest zu wissen. Denn was machen sie mit ihrem schönen Tagesgeld wenn es eine Währungsreform gibt oder ihre Bank pleite ist und der Einlagensicherungsfonds zur Befriedigung der Ansprüche nicht mehr ausreicht?? Oh damit konnte ja niemand rechnen…blabla… natürlich nicht. Daher ist Geld immer mit Risiko behaftet, egal ob zu hause auf der Bank oder investiert!!!! Jeder der etwas anderes behauptet, liegt falsch.
Daher würde bei einer möglichst sicheren Anlage und wenn es nicht das Gesamtvermögen des Kunden ist, auch ein offener Immobilienfonds in Frage kommen. Natürlich mit den speziellen Risiken dazu.
Übrigens slebst Bundeswertpapiere wären dann keine ganz sichere Anlage….!
Zunächst einmal gebe ich Ihnen recht: Jede Anlageform hat ihre Risiken. Und diese Risiken sind mehr oder weniger. Ich denke schon, dass das Risiko bei einem offenen Immobilienfonds deutlich höher ist als bei Tagesgeld. Meiner Meinung nach ist sogar das aller Gefährlichste, wenn man eine Anlageform für sicher hält, und sie das gar nicht ist. Genau das ist bei offenen Immobilienfonds der Fall. Bankberater stellen diese Anlageform gerne als sicher bzw. als „Tagesgeld-Ersatz“ dar. Das ist einfach nicht korrekt. Fast alles offenen Immobilienfonds arbeite mit Fremdkapital, sind also gehebelte Produkte. Wenn ich 1000 Euro in einen offenen Immobilienfonds stecke, kaufe ich mir sofort ein Darlehen von bis zu 400 Euro ein (40% FK-Quote). Und das kann einfach niemand behaupten, dass ein mit Fremdkapital gehebeltes Produkt „sicher“ ist. Von diesen Fremdkapitalquoten spricht der Bankberater aber in der Regel nicht (manchmal weiß er noch nicht einmal davon).
Also, grundsätzlich würde ich das nicht pauschalisieren. Ich halte nicht viel von diesem Testbericht und halte ihn auch nicht für sehr aussagekräftig…
Aus eigener langjähriger Erfahrung halte ich diesen Testbericht für mehr als aussagekräftig. Leider. Es ist wirklich unglaublich, wie katastrophal und fehlerhaft sehr häufig Anlageberatung ist.