Auswahlkritierien für Investmentfonds: Vergangenheitsdaten sind Schall und Rauch
Im Handelsblatt wurde aktuell ein Artikel veröffentlicht mit dem Titel „Wie Sie einen guten Fonds erkennen„. Leider ist dieser Beitrag wieder in einem Punkt gnadenlos naiv und vollkommen unbrauchbar: Weil suggeriert wird, dass man bei Fonds von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen könnte …
So heißt es in dem Handelsblatt-Artikel:
„…Sinnvoll ist auch ein Vergleich mit der Entwicklung des Marktes, um zu erkennen, ob der Fonds besser oder schlechter abschneidet als die Börsenindizes. Anleger sollten auch darauf achten, wie stabil die Rendite ist … Die Entwicklung eines Fonds über ein Jahr hinweg ist interessant, wichtiger zu wissen ist aber, ob er auch über fünf Jahre gut abschneidet.“
Genau das ist das typische Vorgehen von Anlegern, wenn sie sich Gedanken machen, in welchen Investmentfonds sie investieren wollen: Sie schauen sich Vergangenheitsdaten und Charts an, lesen Berichte über vergangene Wertentwicklungen, beachten Bewertungen von Rating-Agenturen und dergleichen. Kurz: Sie schließen von der Vergangenheit auf die Zukunft.
Und Jahr für Jahr fallen Anleger mit dieser „Methode“ auf die Nase und verlieren immer wieder viel Geld. Und anstatt darüber nachzudenken, ob vielleicht mit dem Schluss von der Vergangenheit auf die Zukunft irgendetwas nicht stimmt, wird dieser Trugschluss immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Anleger und auch die Medien scheinen nichts dazuzulernen.
Tatsächlich besteht von wissenschaftlicher Seite überhaupt kein Zweifel, dass dieser Schluss von der Vergangenheit auf die Zukunft bei Fonds nicht statthaft ist (und mit schöner Regelmäßigkeit den Anlegern teuer zu stehen kommt). Hier ein paar Zitate aus Jason Zweigs Buch „Gier“ (S. 80):
„Von 199 bis 1993 war der American Heritage Fundunter unter der Leitung … [von ] Heiko Thieme der Investmentfonds mit der besten Performance in den USA und verdiente eine sensationelle Rendite von durchschnittlich 48,9% pro Jahr. Die Anleger schütteten etwa 100 Mio USD in Thiemes Fonds. Aber dann verlor American Heritage im Jahr 1994 35%, 1995 weitere 31% und – nach den passablen Jahren 1996 und 1997 – in jedem Jahr von 1998 bis 2002 weitere 12% bis 60% seines Wertes…
Im Jahr 2000 prahlte Robert Zuccaro, Manager des Grand Prix Fund: ‚In fünf bis zehn Jahren werden Sie mit Grand Prix sehr gut dastehehn.‘ Immerhin hatte sein Fond serstaunliche jährliche Gewinne von 112% im Jahr 1998 und 148% 1999 eingefahren, und im ersten Quartal 2000 beretis 33% erzielt. Also legten Investoren etwa 400 Mio USD in den Fonds an. Allerdings stellte sich nun … die bittere Erfahrung [ein], dass 1000 USD, die Anfang 2000 in Grand Prix investiert wurden, bis Ende 2004 auf 180 USD zusammengeschrumpft waren.“
Dass wir von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen, lässt sich neurobiologisch begründen
Jason Zweig beschreibt weiter ein Experiment des Neurobiologen Paul Glimcher (New York). Man stelle sich vor, in New York ein Taxi zu suchen:
„[Paul Glimcher sagt:] ‚Es fängt mit einer Prognose an: Ich schätze, wenn ich mich jetzt an den Broadway stellen würde, müsste ich fünf Minuten auf ein Taxi warten. Darauf folgt eine Feststellung: Tatsächlich musste ich sieben Minuten warten. Zwischen Prognose und Feststellung besteht eine Diskrepanz, wenn die Prognose falsch war. Diese Diskrepanz nennen wir Prognosefehler.‘ Und Taxis leiden unter demselben Problem, das auch die Finanzmärkte plagt: Unberechnebarkeit. Wenn Sie wieder einmal ein Taxi brauchen, kann es fünf Minuten dauern, sieben oder gar zwanzig, bis eins kommt – oder vielleicht begegnet Ihnen überhaupt keines. Also braucht Ihr Gehirn ein Verfahren, um die zu erwartende durchschnittliche Wartezeit zu schätzen, ohne übermäßig durch Ausreißer wie eine sehr lange oder kurz Wartezeit beeinflusst zu werden, oder durch Erfahrungen, die schon sehr lange zurückliegen und heute vielleicht nicht mehr relevant sind. Und Sie müssen den Durchschnitt schnell aktualisieren, damit Sie sich an veränderte Umstände anpassen können. [Und dabei helfen neurobiologisch die sog. Dopaminneurononen]
Wie stellen die Dopaminneuronen das an? Anstatt nur auf den letzten Prognosefehler zu reagieren … bilden sie einen gleitenden Durchschnitt Ihrer gesamten vergangenen Vorhersagen und Belohnungen. In diese Berechnung, sagt Glimcher, ‚fließt der Einfluss aller Taxis, mit denen Sie jemals gefahren sind, ein.‘
… Da Ihren jüngsten Erfahrungen mehr Gewicht beigemssen wird, werten diese Neuronen die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns überwiegend auf der Basis des durchschnittlichesn Ergebnisses Ihrer letzten fünf bis acht Versuche, Geld zu machen, aus – wobei die letzten drei bis vier Versuche den mit Abstand größten Einfluss haben…
Der Finanzprofessor Terrance Odean … hat über drei Millionen Aktiengeschäfte von über 75.000 US-amerikanischen Haushalten ausgewertet. ‚Der Durchschnittsmensch‘, sagt Odean, ‚reagiert auf kurz zuvor gestiegene Kurse mit einem aggressiven Kaufverhalten … Was die Leute zum Kauf veranlasst, ist eine Kombination aus gerade gestiegenen Krusen und einem längerfristigen Aufwärts-‚Trend‘, den sie zu erkennen glauben‘ (Odan spricht das Wort ‚Trend‘ mit müder Ironie aus, da er weiß, dass die meisten vermeintlichen Muster bei Aktienkursen lediglich zufällige Schwankungen sind.) Eine Erhebung über Hunderte von Prognosen unter privaten Anlegern ergab, dass die Entwicklung der Akteinkurse in der gerade vergangenen Woche ihre Renditeerwartungen für die nächsten Monate doppelt so stark beeinflusste wie die Entwicklung der vorangegangenen Monate.“
Weiter heißt es auf Seite 83:
„Wenn ein Fonds eine Gewinnsträhne hat, neigen Investoren leider dazu, sich kurz vor dem Scheitelbunkt einzukaufen; und dann, wenn die heiße Strähne abkühlt, steigen zu viele Aktionäre an der alsohle wieder aus.“
Viele erfolgreiche Fonds-Manager sind nur „Narren des Zufalls“
Die Fachliteratur ist tatsächlich voll von Warnungen, bei Investments von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen. Selbst der Glaube daran, dass ein Mananager, der bislang erfolgreich war, auch in Zukunft erfolgreich sein wird, ist ein teurer Irrglaube. Dies legt Nassim Taleb sehr schön in seinem Buch Narren des Zufalls dar. Hier nur eines der mannigfaltigen Beispiele daraus:
„Der frisch gegründete Emerging-Markets-Desk einer New Yorker Bank stellte Carlos im Jahr 1992 ein. … Ab 1995 erzielte er in der neuen Funktion ungeheure Erfolge und konnte sein Kapitalvolumen kontinuierlich ausweiten … Dann kam der Sommer 1998 und richtete Carlos zugrunde … In den Vorjahren hatte er für seine Bank insgesamt nahezu 80 Millionen Dollar verdient. In einem einzigen Sommer verlor er dann aber 300 Millionen Dollar.“
Diese Manager Carlos konnte bis zum Jahr 1998 auf eine 6-jährige Erfolgsgeschichte verweisen. Wer hätte zu diesem Zietpunkt gedacht, dass diese Erfolgsserie ein so abpruptes Ende finden könnte?
Man schaue sich auch einmal die gefeierten Fonds-Manager vergangener Zeiten an und was danach aus ihren Fonds geworden ist. Bestes Besipiel hierfür vielleicht Tobias Klein, der Manager der Fonds FP Europa Aktien Ulm. Tobias Klein bekam die Auszeichnung „Fondsmanager des Jahres 2004“. Immerhin erzielte sein Fonds von Januar 2004 bis Mai 2007 eine Rendite von 21,4% p.a. In dieser Zeit gab es zahlreiche jubilierende Pressesteimmen. Unter anderem das Handelsblatt war voll des Lobes, aber auch das Capital und andere. Wer hätte damals einen solch hochgelobten Fonds nicht gekauft?
Und dennoch kann sich jeder Glücklich schätzen, wer nach diesen positiven Bewertungen, den Fonds von Tobias Klein nicht erworben hat. Denn von Mai 2007 bis Juni 2009 verlor der Fonds 53,4% und lag schlechter als viele andere Investmentfonds in diesem Zeitraum. Übrigens: Selbst wer (relativ früh) im Januar 2004 in diesen Fonds gegangen ist, hat bis Juni 2009 einen absoluten Verlust von -9,2% hinnehmen müssen.
Also BITTE, BITTE, BITTE: Niemand sollte so naiv sein, und von der guten vergangenen Performance eines Fonds oder eines Fonds-Managers auf künftige Erfolge schließen wollen. Das hat bisher nicht geklappt und das wird mit ziemlich hoher Sicherheit auch künftig schief gehen (Und damit mache ich mal witzigerweise selbst einen Schluss von der Vergangenheit auf die Zukunft.)
Wirkliche Kriterien
Man kann mich jetzt natürlich fragen, wie man stattdessen vernünftigerweise Fonds auswählen soll, wenn nicht nach vergangenen Performance-Zahlen. Hier meine kurz gefasste Antwort:
- Wichtigstes Kriterium sind Kosten und Gebühren.
- Vor der Auswahl eines Fonds, sollte der Anleger sorgfältig über seine Anlageziele nachdenken, insbesondere über seinen Anlagehoizont. Dem entsprechend sollte er Investmentfonds auswählen. Wer beispielsweise einen mittelfristigen Horizont von 3 bis 5 Jahren hat, sollte tunlichst nicht in Aktien investieren.
- Sehr wichtig ist ferner Risikostreuung und Diversifitaion
- Ferner sollte klar definiert sein, wie das Risikomanagment aussieht. D.h. was getan werden soll, wenn mal etwas anders läuft als erwartet. Gibt es beispielsweise Stop-Loss-Limits oder wird antizyklsich investiert? Dieses Risikomanamgent ist entscheident für den langfristigen Anlageerfolg und kann entweder innerhalb des Fonds durch die Fonds-Strategie festgelegt sein oder außerhalb des Fonds durch eine durch den Anleger festgelegte, sozusagen übergeordnete Strategie.
Mehr dazu hier:
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!