Ist der Börsencrash durch den Rückgang der Unternehmensgewinne erklärbar?

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Ich habe vor ein paar Tagen einen Beitrag mit dem Titel „Was bewegt die Börsenkurse?“  geschrieben. Darin bin ich auf das Buch von Robert J Schiller „Irrationaler Überschwang“ aus dem Jahre 2000 eingegangen. Wenn ich Shiller richtig vertanden habe, dann behauptet er im Wesentlichen 3 Dinge:

  1. Börsenkurse lassen sich nicht durch die Entwicklung der Unternehmensgewinne, noch durch die Entwicklung der Dividendenzahlungen erklären.
  2. Börsenkurse lassen sich am besten durch Rückkoppelungseffekte erklären. WEIL Aktien in jüngster Vergangenheit gestiegen sind, kaufen Anleger Aktien, so dass die Aktien weiter steigen. Bzw. umgekehrt: WEIL Aktien in jüngster Vergangenheit gefallen sind, verkaufen Anleger Aktien, so dass Aktien weiter fallen werden.
  3. Sehr starke Kursbewegungen nach unten oder nach oben lassen sich meistens dadaurch erklären, dass eine große Anzahl von Anleger mit einem Mal an den Anbruch eines „Neuen Zeitalters“ glauben. Von jetzt ab, so denken sie, wird alles ganz anders. Positiv: Konjunkturzyklen wird es nicht mehr geben. Negativ: Die Aktien werden sich nie wieder erholen oder eine wirtschaftliche Mega-Katastrophe steht vor der Tür (daran glauben heute sehr viele).

Ein Leser dieses Blog-Artikels fragte, ob der aktuelle Kursrückgang vielleicht doch begründet ist. Hier meine Atnwort …

Nehmen wir als Beispiel den DAX. Dieser Index ist seit Anfang 2008 um 39% gefallen. Bei http://www.onvista.de kann man die Dividenden pro Aktie und das betriebswirtschaftliche Ergebnis pro Aktie für jeden DAX-Wert nachsehen. Und zwar die tatsächlichen Werte des Jahres 2008 und die geschätzten Werte für 2009. Hier ist das Beispiel für Beiersdorf AG: Link dorthin.

Ich habe mir die Mühe gemacht und habe für die 30 DAX-Aktien diese Zahlen herausgeschrieben. So kann man beispielsweise für Beiersdorf nachlesen:

  • Ergebnis in 2008: 2,23 Euro pro Aktie
  • Geschätztes Ergebnis in 2009: 1,73 Euro pro Aktie.

Das ist ein Rückgang des wirtschaftlichen Ergebnisses dieser Aktie um -22%. Der Aktienkurs ist aber mehr als 34% gefallen. Hier die Dividenden von Beiersdorf.

  • Dividende in 2008: 0,90 Euro pro Aktie
  • Geschätzte Dividende in 2009: 0,76 Euro pro Aktie.

Das wäre dann ein Rückgang der Dividende um -16%. Auch das rechtfertigt nicht den Kursückgang der Beiersdorf-Aktie um 34%.

Bildet man einen Durschnitt über alle DAX-Aktien, dann ergibt sich folgendes:

  • Durschnittlicher Rückgang des Ergebnisses von 2008 auf 2009: -6%.
  • Durschnittlicher Rückgang der Dividende von 2008 auf 2009: -13%.

Wir erinnern uns. Der DAX ist in diesem Zeitraum fast 40% gefallen.

Durch die Veränderung der fundamentalen Unternehmensergebnisse oder die Veränderung der Dividendenausschüttungen ist dieser Rückgang nicht erklärbar. Bzw. darauf bezogen ist der Rückgang über die Maßen übertrieben.

Oder anders formuliert, denke ich, kann man behaupten: Die Kursbewegungen im Laufe des Jahres 2008 bis heute haben herzlich wenig mit Unternehmenszahlen zu tun, sondern mit irgendwelchen anderen Dingen. Und hier ist sicher ein gutes Erklärungsmodell, dass viele Anleger glauben, dass mit der aktuellen Krise ein ganz neues (schlechtes) Zeitalter begonnen hat. Dieser starke Rückgang der Aktienkurse ist nur dadurch erklärbar, dass viele Menschen meinen, dass es “nie wieder” etwas mit den Aktien wird. Und wenn man sich herumhört, das ist tatsächlich bei vielen Anlegern die Stimmungslage.

Genauso, wie die große Masse der Anleger um 2000 glaubte, dass ein neues Zeitalter begonnen hat, indem die Konjunkturzyklen ausgeschaltet sind und es nur noch nach oben gehen wird. Das eigentlich Verrückte an der Börse ist der Glaube, dass ab heute aus irgendeinem Grunde plötzlich alles anders ist als vorher.

In diesem Zusammenhang noch ein Zitat von den von mir sehr geschätzten Robert J. Shiller: “… die übliche Interpretation, die die Medien für die Fluktuation der Charts liefern – dahinter stünden kurzfristige Aussichten für den Wirtschaftskreislauf – geht völlig in die Irre. Die Aussicht, dass eine vorübergehende Rezession am Horizont steht, sollte [für einen rationalen Geldanleger] überhaupt keine Auswirkung auf die Börse haben …” [meine Einfügungen und hervorhebungen].

Der Punkt ist eben erstens, dass die Leute, wenn einmal eine Rezession da ist, fast immer meinen, dass sie NICHT vorübergehend ist. Sondern immerwährt. Und zweitens ist die große Masse der Anleger nicht rational. Jedenfalls zieht die Erklärung nicht, “die Kurse fallen, WEIL die Gewinnaussichten sich eintrüben”.

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