Politische Börsen haben kurze Beine

Wie so viele, bin auch ich regelrecht geschockt über das Abstimmungsergebnis der Briten. Und auch traurig. Mit Sicherheit wird der 23. Juni 2016 in die Geschichtsbücher eingehen. Die große Frage ist jetzt natürlich, wie es weitergehen wird.

Über die politischen Konsequenzen steht es mir nicht zu, eine Meinung zu äußeren. Wirtschaftlich erscheint es mir mehr als klar, dass die Folgen für die Briten negativ sein werden. Die Brexit-Befürworter stimmten für einen Austritt aus der EU, vor allem aus Angst vor Überfremdung durch Zuwanderer. Die Zuwanderer nach Großbritannien hatten bisher aber vor allem einen positiven wirtschaftlichen Einfluss. Viele von ihnen haben Billigjobs übernommen, die die Briten selbst nicht machen wollen, und zwar beispielsweise in der Landwirtschaft und in der Gastronomie. Die sich jetzt abzeichnende Abschottungspolitik, wird für die betroffenen britischen Unternehmen, die auf diese Billigjobs angewiesen sind, schwerwiegende Konsequenzen haben. Während derzeit beispielsweise Erntehelfer in England größtenteils zugewanderte Polen sind, werden das künftig die Briten wieder selbst machen  müssen – oder es macht eben keiner.

Für Europa insgesamt sehe ich die wirtschaftlichen Folgen hingegen weniger dramatisch. Gerade auf lange Sicht. Im Moment herrscht natürlich die Unsicherheit, wie die Trennung im Detail umzusetzen sein wird. Hier wird sehr viel zu klären sein. Die Welt wird aber nicht untergehen, irgendwie werden die Dinge geregelt werden und weiterlaufen.

Das aktuelle Problem für die Börsenkurse ist allerdings gerade die Unsicherheit, die fehlende Klarheit. Und deswegen werden wir selbstverständlich  in den nächsten Tagen und Wochen eine schwierige, schwankungsreiche Börse erleben. In erster Linie ist das aber, wie man so sagt, eine „politische Börse“. Und es gibt den Börsenspruch: „Politische Börsen haben kurze Beine.“ Das heißt, dass die jetzige politische Abstimmung der Briten Wellen schlagen wird, ob kurz oder lang aber mit Sicherheit wieder Normalität an den Börsen einkehren wird.  Spätestens dann, wenn der (psychologische) Schock verdaut worden ist.

Wer die Nerven dazu hat, ist das momentan eigentlich der beste Zeitpunkt zum Einstieg.

Sehr interessant ist, was gerade der Autokonzern BMW mitgeteilt hat: „Die Konsequenzen sind heute noch nicht absehbar… Wir erwarten jedoch zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf unsere Aktivitäten in Großbritannien.“ Immerhin verkauft BMW etwas mehr als zehn Prozent seiner Autos in Großbritannien. Diese Aussage werde ich als Indiz, dass die aktuellen Kursabschläge mehr als übertrieben sind. Wie bereits sagte: Die Unsicherheit ist jetzt zwar groß, was für die Kurse schlecht ist, aber – selbstverständlich – wird es irgendwie weitergehen.

5 Kommentare
  1. Traden wie geht das?
    Traden wie geht das? sagte:

    Hallo,

    welche Auswirkungen der Brexit wirklich haben wird – auf beiden Seiten des Kanals – ist aktuell wirklich nicht abzusehen. Entscheidend wird sein, was die EU und die Briten in nächster Zukunft aushandeln werden. Das haben sie ja auch in ihrem Beitrag durchblicken lassen. Die Klarheit für die Finanzmärkte wird dann Scheibchenweise kommen.

    Ob die EU mittelfristig tatsächlich weniger darunter zu leiden hat? So ganz sicher bin ich mir da nicht. Ein echter Austritt würde die EU finanziell und wirtschaftlich auf jeden Fall weiter schwächen und Geld haben sie schon jetzt nicht mehr. Die Probleme häufen sich für die EU so oder so weiter an.

    Sollte es den Briten nach einem Austritt überraschend gut gehen, sind die politischen Folgen eines Brexit für die EU in meinen Augen sogar höchstgefährlich. Dann werden sich Abspaltungsbewegungen beschleunigen. Wohl auch zu Recht.

    Jetzt längerfritsig in deutsche AKtien einzusteigen? Auch wenn die US Märkte gerade -fundamental wirtschaftlich – nicht nachvollziehbare Allzeithochs erreichen konnten, ist eines Fakt: Der Dax, und vor allem der europäische Bluechip Aktienmarkt Stoxx50, befinden sich in ein einem absolut intakten mittelfristigen Abwärtstrend und beide Märkte zeigen massive relative Schwäche zu Dow und Co.

    Ich würde es mir zumindest gut überlegen 😉

    Grüße
    TRM

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  2. Thinking
    Thinking sagte:

    George Soros wettet 840 Millionen Dollar auf einen Crash des Standard & Poor-Index (Welt 16.8.2016). Das bedeutet meiner Meinung, dass er davon ausgeht, dass Donald Trump zum nächsten Präsidenten der U.S.A gewählt werden wird und die Börsen dann abstürzen.Gestern haben sich die 3 wichtigsten Politiker von Frankreich, Italien und Deutschland als absolute Realititätsverweigerer gezeigt. Mit den in ihren Augen eher unwichtigen Politikern der anderen EU-Staaten wird zunächst noch nicht verhandelt. Heute steigt das britische Pfund, da die britische Wirtschaft nach dem Brexit eher aufblüht. Ich denke schon, dass wir mindestens bis zum Ende des Jahres „politische Börsen“ haben werden.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass Großbritannien nach dem Brexit aufblüchen wird. Gerade findet eine Art Massenflucht britischer Unternehmen ins Ausland statt. Das muss die britische Wirtschaft treffen. Außerdem wird Großbritannien gerade für qualifiziertes ausländisches Personal immer unattraktiver. Auch hier hat bereits eine Art Abwanderungswelle begonnen. Naja, es ist schwierig zu sagen, wie die Zukunft aussehen wird. Aber, wie gesagt, dass Großbritannien aufblühen wird, halte ich für extrem, extrem unwahrscheinlich. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hingegen wird Großbritannien in ein paar Jahren den Brexit schwer bereut haben. Darauf wette ich.

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      • Thinking
        Thinking sagte:

        Sehr geehrter Herr Peterreins
        Wie sehen Sie heute Ihre Wette?
        Boris Johnson hat, was das Impfmanagement angeht, alles richtig gemacht: Gestern waren 15 Millionen Briten geimpft. Somit ist auch die schnellere wirtschaftliche Erholung wahrscheinlicher als in der EU, deren Kommissionspräsidentin total versagt hat.
        Sollte man nicht jetzt ETFs aus UK, Schweden und Israel kaufen?

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        • Peterreins
          Peterreins sagte:

          Weil ein Politiker in einem einzelnen Fall etwas richtig gemacht hat, sind damit noch nicht die Unmengen anderer Fehler ausgeglichen. Außerdem ist noch lange nicht gesagt, dass die Wirtschaft der genannten Länder, nur weil sie in einem Punkt besser organisiert waren, insgesamt künftig besser laufen wird. Darauf zu wetten, halte ich für sehr mutig.

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