Merkwürdige Rechenwerke von Versicherungsunternehmen

Ein Kunde hat mich letztens um meine Meinung gefragt. Er hat ein Angebot für eine fondsgebundene Basisrente (Rürup) bekommen, das sich eigentlich nicht schlecht anhörte. Über 25 Jahre müsste der Kunde monatlich 250 Euro einzahlen, um ab 67 eine monatliche Altersrente von 708 Euro zu bekommen. Da das Ganze auch noch staatlich gefördert ist, könnte er außerdem noch durch dieses Rürup-Sparen eine monatliche Steuerersparnis von 76 Euro bekommen, so dass er effektiv nicht 250 Euro sondern 174 Euro monatlich einzahlen würde.

Der Kunde erhielt eine ganze Reihe von Berechnungen, die er letztlich nicht verstand. Deswegen wendete er sich an mich …

Dei erste Frage ist natürlich, ob es sich dieses Angebot tatsächlich für den Kunden lohnt. Nehmen wir also an, dass der Kunde tatsächlich im Alter von 67 monatlich 708 Euro bekommt. Wie sich die fondsgebundene Basisrente für ihn rentiert, hängt wesentlich davon ab, wie alt er werden wird:

  • Wird er 75 Jahre alt, so rentiert sich der Vertrag für ihn mit netto 0,76% p.a.
  • Wird er 80 Jahre alt, so rentiert sich der Vertrag für ihn mit netto 2,86% p.a.
  • Wird er 85 Jahre alt, so rentiert sich der Vertrag für ihn mit netto 3,94% p.a.

Und das ist mit den staatlichen Förderungen gerechnet, die sogar jedes Jahr bis 2025 um 2% höher werden.

Dieses Ergebnis mag möglicherweise den einen oder anderen enttäuschen. Noch gravierender aber ist, dass die in Aussicht gestellte Altersrente von 708 Euro alles andere als garantiert ist. Da es sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung handelt ist überhaupt nichts garantiert. Was am Ende herauskommt, hängt vielmehr wesentlich von der Wertentwicklung der gewählten Fonds ab.

Nun hat die Versicherungsgesellschaft freundlicherweise ein ausführliches Rechenwerk mitgeliefert. Das allerdings muss man erst mal verstehen …

Zunächst steht dort der Satz:

„Für jeweils zehntausend Euro vorhandenes Kapital erhalten Sie mindstens eine Jahresrente von 232 Euro.“

Anhand dieses Satzes kann man sich leicht ausrechnen, welches Kapital der Kunde mit 67 angespart haben muss, damit eine Monatsrente von 708 Euro herauskommen kann. Denn die Jahresrente ist dann  8496 Euro. Damit diese Jahresrente herauskommt, muss  angenommene ersparte Kapital 366.206 Euro sein.(=8496 * 10000/232).

Dieses Kapital von 366.206 Euro steht aber merkwürdigerweise nirgendwo. Vielmehr stehen in den Unterlagen verschiedene sogenannte „illustrierte Zeitwerte“. Und diese hängen davon ab, welche Rendite die gewählten Fonds bringen werden. Im Text des Versicherungsunternehmens steht:

  • Wenn die Fonds eine Bruttorendite (also vor Abzug der Kapitalanlagekosten) von 4,85 % p.a. erzielen, so wird der „illustrierte Zeitwert“ 102.885 Euro sein.
  • Wenn die Fonds eine Bruttorendite von 7,85 % p.a. erzielen, so wird der „illustrierte Zeitwert“ 159.427 Euro sein.
  • Wenn die Fonds eine Bruttorendite  von 10,85 % p.a. erzielen, so wird der „illustrierte Zeitwert“ 240.403 Euro sein.

Man kann sich an dieser Stelle fragen, wie hoch denn die Bruttorendite sein muss, damit am Ende der illustrierte Zeitwert 366.206 Euro ist.

Letztlich kann man aber anhand der Unterlagen der Versicherung nich nachvollziehen, wie am Ende eine Altersrente von monatlich 706 Euro möglich sein soll. Irgendwie merkürdig, wie ich meine.

Sehen wir uns aber einmal an, welche Monatsrente herauskommt unter der Voraussetzung, dass die Fonds eine Bruttorendite von 10,85% p.a. erzielen werden. Dann wird nämlich kein Kapital von 240.403 Euro (laut den Unterlagen der Versicherung) angesart worden sein. Und das führt dann zu einer Monatsrente von 465 Euro.

Auch hier kann man ausrechnen, mit welcher Rendite sich der Vertrag für den Kunden unterm Strich lohnen wird, je nachdem wie alt er wird. Und das Ergebnis sieht so aus:

  • Wird er 75 Jahre alt, so rentiert sich der Vertrag für ihn mit netto -1,70% p.a.
  • Wird er 80 Jahre alt, so rentiert sich der Vertrag für ihn mit netto 0,76% p.a.
  • Wird er 85 Jahre alt, so rentiert sich der Vertrag für ihn mit netto 2,05% p.a.

Also wohlgemerkt: Unter der Voraussetzung, dass die gewählten Fonds eine Rendite von 10,85 % p.a. erzielen werden, der Kunde das 85. Lebensjahr erreicht und mit allen staatlichen Förderungen – wird sich der Rürup-Vertrag für den Kunden unterm Strich mit 2,05 % rentieren. Das ist ja schon wirklich sehr erstaunlich.

Noch erstaunlicher wird es, wenn man sich noch weiter mit dem Rechenwerk der Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Denn die Versicherung rechnet folgendes vor: Wenn die Fonds vor Kosten 10,85 % erzielen werden, dann wird die Nettorendite (angeblich ) 9,0 % sein. Und es werden, so stellt es die Versicherung dar, 222.757 Euro herauskommen. Nun ist es ein leichtes, das Ganze nachzurechnen. Was kommt raus, wenn man 250 Euro über 25 Jahre für 9,0 % anlegt? Antwort: 266.327 Euro.

Wie bitte: 266.327 Euro? Man hätte doch denken müssen, dass dieses einfache finanzmathematische Nachrechnen den Wert der Versicherung von 222.757 Euro bestätigt.  Stattdessen sind uns irgendwie über 43.000 Euro abhanden gekommen. Oder anders formuliert: die ausgewiesene „Netto-Rendite“ von 9,0 % kann gar keine Netto-Rendite in. Das ist finanzmathematisch unmöglich. Korrekt ist vielmehr, dass – wenn am Ende 222.757 Euro herauskommen – die Nettorendite etwa 7,85 % sein muss.

Aber das ist doch ein erheblicher Unterschied, ob nun 9,0 % oder 7,85 % netto erzielt werden, oder nicht?

Nachdem ich diese Fülle von nicht zusammenpassenden Zahlen hatte, rief ich bei der Versicherungsgesellschaft an. Der freundliche Mitarbeiter am Telefon konnte mir die Sache auch nicht erklären.

Mein Fazit aus dem Ganzen ist: Einige Versicherungsgesellschaften gehen offenbar gar nicht davon aus, dass ihre Kunden das Zahlenwerk, das sie ihnen vorlegen, nachrechnen. Denn wenn man es nachrechnet, kommt man zu äußerst merkwürdigen Ungereimtheiten. Mag sein, dass man sich das letztlich alles erklären kann. Und dennoch konnte ich mich bei dem genannten Beispiel des Eindrucks nicht erwehren, dass hier komplett unrealistische Ergebnisse in Aussicht gestellt werden, und die wahren Sachverhalte durch ein kompliziertes, für den Laien nicht nachvollziebares Zahlenwerk verschleiert wird.

 

 

1 Kommentar
  1. Dennis
    Dennis sagte:

    Danke für diesen Beitrag, die genannten Zahlen sind erschreckend und zeigen wieder einmal mehr wie viele Versprechen durch die Versicherungsagenturen generiert werden und auf das Gutglauben der Versicherungsnehmer spekulieren.

    Antworten

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