In Folgen der Corona-Krise will die EZB für 750 Mrd Euro Anleihen an den Kapitalmärkten kaufen, um so mehr Geld in Umlauf zu bringen (Siehe SZ-Beitrag). Für das Gesamtjahr 2020 rechnen Ökonomen mit einem wirtschaftlichen Rückgang um mehr als 6% in Deutschland (siehe Deutschlandfunk-Beitrag), was der größten Einbruch seit 1945 bedeuten würde.
Pessimistische Zukunftsaussichten wegen der Corona-Krise
Kein Wunder, dass sich Anleger derzeit düstere Zukunftsaussichten ausmalen. Nicht wenige halten mittelfristig eine höhere Inflation im Euro-Raum für wahrscheinlich. Und obwohl in den Wochen seit den Tiefständen am 18.3.2020 bis heute (4.5.) um etwa 24% wieder gestiegen sind, glauben einige an einen erneuten dramatischen Abschwung der Aktienkurse. Das Argument dafür ist: Jetzt im Moment ist der wirtschaftliche Schaden der Corona-Pandemie noch nicht genau bezifferbar, – sobald das aber klar ist, dann müssten die Börsen wieder stark fallen.
Ohne Zweifel wird die EZB alles in ihrer Macht stehende tun, um die Krise abzufedern. Folgt daraus notwendigerweise, dass wir in nächster Zeit eine hohe Inflation zu erwarten haben?
Die Macht der EZB wird überschätzt
Wie so oft, wird der Einfluss der EZB auf das Geldmengenwachstum überschätzt. Die EZB kontrolliert nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Geldmenge, der große Rest der Geldmenge sind Kredite von Privatbanken an Unternehmen. Und eines ist ziemlich klar: Im Zuge der Krise werden Banken zurückhaltender mit der Kreditvergabe an Unternehmen sein. Wer gibt in der aktuellen Situation beispielsweise einem Hotel einen Kredit? Das heißt: Die Zeichen stehen derzeit eigentlich auf Rückgang der Geldmenge und somit sieht tendenziell alles eher nach einem Deflationsszenario aus.
Überhaupt bedeutet Wirtschaftskrise so gut wie immer Deflation und nicht Inflation. Dass das aktuell der Brennpunkt ist sieht man auch daran, dass die Aktien gefallen sind (Geld also mehr wert geworden ist) und auch der Immobilienmarkt scheint zurückzugehen (also auch hier wird man mehr Immobilie für sein Geld bekommen, Geld ist also wertvoller).
Die Mehrheit liegt meistens falsch
Selbstverständlich kann sich das alles ändern. Dass die Dinge aber so klar und einfach sind: Höhere Verschuldung der Staaten wegen der Corona-Krise, ALSO Inflation. Das ist wirklich viel, viel zu simpel. Ich weiß, dass das derzeit viele glauben. Aber ehrlich gesagt ist das ein weiteres Indiz dafür, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit genau nicht so kommen wird.
Es ist immer dasselbe. Beispielsweise waren sich im Januar 2019 wirklich alle Analysten einig und viele Privatanleger folgten dieser Einschätzung, dass 2019 ein sehr schwieriges Börsenjahr werden würde mit rückläufigen Aktienkursen. Wer damals entsprechend disponiert hat, hat die gigantischen Kursgewinne des Jahres 2019 nicht mitgemacht. Interessanterweise kippte die Stimmung der großen Mehrheit etwa ab Dezember 2019 ins Positive, gerade rechtzeitig, damit alle, die vorher die Kursgewinne nicht mitgemacht haben, jetzt ihr Geld mit der Corona Krise verlieren konnten.
Die große Mehrheit liegt bei Kapitalmarktprognosen so gut wie immer falsch. Man kann das direkt als Konterindikator verwenden. Aus meiner 30-jährigen Erfahrung an den Kapitalmärkten kenne ich dutzende Geschichten von Fehleinschätzungen.
Beispielsweise besuchte ich in 2007 eine Konferenz, bei der die Top-Volkswirte der deutschen Großbanken Vorträge hielten. Nicht einer sah die aufziehende Finanzkrise voraus. Kaum aber war sie da, überschlugen sie sich mit Negativprognosen für das Jahr 2009. Und was passierte? Das Jahr 2009 endete mit etwa 10% Plus.
Naja, ob der Aktienmarkt noch einmal in den Crash-Modus kommen wird, das kann natürlich niemand sagen. Jedenfalls niemand Seriöses. Klar ist nur folgendes:
Wenn man in Aktien investiert, dann sollte man das bitte nur tun, wenn man einen Anlagehorizont von mindestens 5 Jahren hat, am besten noch länger. Wenn man aber einen langfristigen Anlagehorizont hat, dann brauchen einen kurzfristige Marktbewegungen oder Crashs eigentlich gar nicht zu interessieren, weil man ja die Zeit hat, schlechte Zeiten auszusitzen. Hat man die Zeit aber nicht, so war es von Anfang an falsch in Aktien zu investieren.
Ein Kardinalfehler der meisten Menschen bei der Einschätzung der Börsenentwicklung besteht darin, dass immer und immer wieder einfache Kausalitäten angenommen werden. Nach dem Motto: Aus weiteren schlechten wirtschaftlichen Meldungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise FOLGT NOTWENDIGERWEISE ein weiterer Kursverfall.
So einfach funktioniert aber Börse nicht. Die Börse reagiert meist extrem negativ a) auf Unerwartetes und b) auf nicht klar definiertes Negatives. Corona ist inzwischen keine negative Überraschung mehr, man hat sich mehr oder weniger daran gewöhnt, daher wüsste ich nicht, wie hier ein neuer Crash kommen sollte. Es sei denn natürlich es geschieht in der nächsten Zeit etwas stark Negatives, mit dem bisher keiner gerechnet hat.
Aber im Moment sagen ja alle: Corona hat ganz schlimme wirtschaftliche Folgen. Ja, aber daran ist nichts Überraschendes mehr.
Was die Märkte wirklich erschreckt
Und das Schlimme im März war eben, dass eine Krise kam, keiner aber die negativen Folgend klar abschätzen konnte. Dann fällt die Börse. Sobald aber die Zahlen klar sind, und seien sie noch so negativ. Alleine dadurch dass es sich um konkrete Zahlen handelt und nicht mehr Mutmaßungen und dunkle Befürchtungen, wird es keinen allzu negative Wirkung auf die Märkte haben. Die Märkte „hassen“ Ungewissheit und Unklarheit. Gewissheit und Klarheit, selbst wenn sie sich auf negative Zahlen beziehen, haben meist steigende Kurse zur Folge.
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