Nicht jeder Honorarberater ist wirklich unabhängig
Ich selbst bin ja Honorarberater hier in München. Das heißt, dass ich zu Geldanlage- und Finanzfragen auf Stundenhonorarbasis berate. Sehr vorsichtig bin ich mit der Begriff „unabhängig“. Denn meiner Auffassung nach, sind eigentlich so gut wie kein Anlageberater wirklich 100%ig unabhängig und neutral. Mir ist es wichtig, dem Kunden hier keinen falschen Schein vorzugaukeln. Viel besser, finde ich, ist es, die eigenen Abhängigkeiten dem Kunden offenzulegen.
Ich glaube, dass es schlecht und unehrlich ist, sich dem Kunden als „unabhängigen“ Honorarberater zu präsentieren, obwohl man es faktisch gar nicht ist. Viel besser ist es doch, dem Kunden gegenüber mit offenen Karten zu spielen und genau zu sagen, wo die eigenen Abhängigkeiten liegen. Am Ende dieses Artikels werde ich noch eine weitere Art und Weise darlegen, wie man eine weitestgehende Unabhängigkeit bei einem Honorarberater erreichen kann.
Nachfolgend möchte ich aber noch auf angeblich „unabhängige“ Honorarberater, die faktisch nicht sind, was sie vorgeben zu sein…
Und zwar habe ich Fälle erlebt, in denen ein Anleger bei einem angeblich unabhängigen Honorarberater war. Nennen wir den Kunden A und den Honorarberater B.
Herr B. hat es geschafft, dass er auf Internet-Plattformen sehr viele, positive Bewertungen erhalten hat. Herr A. ist von diesen vielen positiven Bewertungen beeindruckt und sieht sich die Homepage des Honorarberaters an. Hier wirbt B mit einer „unabhängigen und neutralen“ Beratung. Ferner heißt es dort, dass er ein Honorar verlangen würde auf Stundenbasis.
Herr A beschließt also, Kontakt zu Herrn B aufzunehmen. Dieser nimmt sich Zeit, um die Finanzsituation des Anlegers genau zu erfragen, ebenso dessen Risikoneigung, seine Erfahrungen und Kenntnisse mit Finanzprodukten und so weiter. Auf dieser Basis erstellt der Honorarberater B dann einen Anlagevorschlag.
Die erste Überraschung ist nun, dass Herr B am Ende nicht etwa ein Honorar auf Stundenbasis verlangt, sondern sein Honorar in Prozent des anzulegenden Anlagebetrags in Rechnung stellt.
Die zweite Überraschung sind aber die empfohlenen Anlageprodukte. Denn hierunter befinden sich einige geschlossene Fonds. Herr A wundert sich: Sind nicht geschlossene Fonds bekannt dafür, hohe Anfangskosten zu haben? OK, der Honorarberater sagt, dass er alle Provisionen im Zusammenhang mit der Anschaffung der vorgeschlagenen Finanzprodukte dem Kunden rückvergüten wird. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Honorarberater nicht nur das Agio zurückerstatte, sondern auch die internen Vermittlungsprovisionen. Bei manchen geschlossenen Fonds belaufen sich diese inneren Vertriebsprovisionen auf bis zu 10 % des Anlagebetrags.
Eine weitere Überraschung erlebt der Anleger A jedoch damit, dass Herr B. ihm vorschlägt, viel Geld in folgende drei Anlageprodukte zu investieren:
- Orderschuldverschreibungen der Future Business KGaA
- Namensgenussrechte der Prosavus AG
- Orderschuldverschreibungen der ecoCosonsort AG
Die Zinsausschüttungen wären hier garantiert, so die Behauptung des Honorarberaters. Außerdem würde es sich hierbei um eine gute Diversifikation handeln.
Schaut man jedoch in die Verkaufsprospekte dieser drei Finanzprodukte, so wird jedes Mal auf die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen.
Seltsam ist auch, dass diese drei Firmen zu einem Unternehmensnetzwerk gehören rund um den Finanzdienstleister Infinus AG. Siehe hierzu auch: Infinus etc.
Nun beginnt sich Herr A für die weiteren Zusammenhänge zu interessieren. Und da kann er nun seine allergrößte Überraschung erleben. Der angeblich unabhängige Honorarberater B. ist nämlich tatsächlich ein sogenannter gebundener Vermittler der Infinus AG. Dies kann man leicht herausfinden, indem man auf die Internet-Seite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) geht und dort nach dem öffentlichen Register der vertraglich gebundenen Vermittler sucht:
Pikant daran ist: Der angebliche unabhängige und neutrale Honorarberater empfiehlt im großen Stil Anlageprodukte solcher Unternehmen, die zum Unternehmensnetzwerk eines Finanzdienstleistungsinstituts gehören, für das genau dieser Honorarberater als vertraglich gebundener Agent registriert ist. Dass er ein solcher vertraglich gebundener Agent ist, hat Herr B aber seinem Kunden gegenüber mit keinem Wort erwähnt.
Kann man hier tatsächlich von einer unabhängigen Beratung ausgehen? Vielleicht sind ja die Infinus-Finanzprodukte in Ordnung, wäre es dann aber nicht korrekt gewesen, auf dieses Abhängigkeitsverhältnis hinzuweisen?
Dies als Beispiel einer Art von angeblich unabhängiger Honorarberatung, die faktisch nicht unabhängig ist.
Ich bin ja wie gesagt selbst Honorarberater in München. Ich selbst gehe sehr, sehr vorsichtig mit dem Wörtchen „unabhängig“ oder „neutral“ um. Meine Weise der Unabhängigkeit besteht folgendermaßen: Ich erstelle meinen Anlegern einen Anlagevorschlag, den sie, wenn sie möchten, völlig eigenständig und ohne meine Hilfe umsetzen können. Ich gebe auch gerne Hinweise und Tipps, wie man die vorgeschlagenen Finanzinstrumente möglichst kostengünstig alleine erwerben kann.
Selbstverständlich kann ich aber auch dem Kunden dabei behilflich sein, den Anlagevorschlag zu realisieren. Das geht auch, aber es ist definitiv nicht das vorrangige Ziel meiner Erstberatung.
Wenn Sie erleben, wie Anleger ihnen nach rennen und ihnen das Kapital aufdrängen, dann wissen Sie, warum diese Produkte mit 6-8% so attraktiv für Berater sind. Charlie Munger sagte einmal, er rufe sich diese Incentives/Provisionen etc. -whatever- immer wieder ins Gedächtnis bei Geschäften, die er macht oder eben nicht. Trotzdem würde er diese Kräfte immer wieder unterschätzen, obwohl er 85 Jahre alt ist und schon viel erlebt hat. Beispiele wie Infinus, Libormanipulationen, grauer Kapitalmarkt usw. Das hört nie auf und warum sollte ausgerechnet ein Honorarberater selbstloser Samariter sein? Frustrierend als ehrlicher Honorarberater, aber Konkurrenten und Kunden werden und wollen nicht zuhören. So ist die Welt, ob es uns passt oder nicht. Grüße und ich bin ganz ihrer Meinung, aber schon lange ernüchtert.
Ja, auch ich habe manchmal das Gefühl, manche Anleger wollen regelrecht betrogen werden. Im Zuge der Infinus-Razzia hat eine Dame bei mir angerufen, die mich fragte, was sie jetzt machen solle, sie hätte viel Geld in Infinus-Produkte investiert. Während des Gesprächs sagte sie mir, dass sie jetzt die Anlageform X gefunden hätte und dass hier auch sehr hohe Zinsen bei „absoluter Sicherheit“ versprochen werden. Nun kenne ich zufälligerweise dieses Anlageprodukt X und bin mir sehr sicher, dass die Sache nicht gutgehen wird. Was ich aber fast nicht glauben konnte: Die Dame hat sich gerade die Finger verbrannt, und macht im nächsten Moment exakt denselben Fehler. Die Lernbereitschaft scheint hier gegen Null zu gehen.
Zum Thema Honorarberater. Der Punkt ist der, dass es in den Medien vereinfachend oft so dargestellt wird: Provisionsberatung = schlecht; Honorarberatung = gut. Mir ist sehr daran gelegen, dass die Anleger verstehen, dass diese Gleichsetzungen nicht stimmen. Und das obwohl ich ein Anhänger der Honorarberatung bin. Aber wer so simplifizierend denkt, wird mit ziemlicher Sicherheit, böse Überraschungen erleben.