Als Vermögensverwalter habe ich immer wieder Neukunden, die größere Beträge anlegen möchten, sich aber unsicher sind, ob es nicht vielleicht besser ist, anstatt einen großen Betrag einmal anzulegen vielleicht besser mehrer kleinere Beträge z.B. über ein Jahr verteilt. Dabei wird gerne mit dem sog. Cost-Average-Effect argumentiert.

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Fonds-Sparpläne werden oftmals beworben mit dem Verweis auf den sog. Cost-Average-Effect. Demnach würden Kursrückgänge für Sparer nicht so schmerzhaft sein. Natürlich würde auch das bisher Angesparte an Wert verlieren, andererseits legt man aber einen Sparbetrag neu an, und zwar jetzt zu niedrigeren Kursen. So wird ein Aktiencrash gewissermaßen positiv bewertet, weil man ja billiger neu einsteigen kann. Der Durchschnitt (“Average“) der Einstiegskosten wird so gemindert.

Gilt dieselbe Argumentation aber auf für Einmalinvestitionen? Ist es somit klug, sagen wir, einen Betrag von 500.000 Euro nicht mit einem Schlag anzulegen, sondern lieber 50.000 Euro über zehn Monate?
Viele Anleger glauben, dass das wirklich eine gute Idee sei. Denn wenn es schlecht läuft, legt man die 500.000 Euro an und ein paar Tage danach kommt der große Kursabsturz. Dann ist es doch besser, so denkt man, erst einmal nur mit 50.000 Euro angefangen zu haben, so dass eventuelle spätere Kursrückgänge zum kostengünstigen Nachkaufen genutzt werden können. Man würde dann über 10 Monate hinweg zehn Mal hintereinander 50.000 Euro investieren. Käme es in dieser Zeit zu einem starken Kursrückgang, dann ist es ja nicht so schlimm, weil man dann ja wieder günstig nachkaufen kann. So wie beim Cost-Average-Effect von Sparplänen.
Ich kann es gut verstehen, dass Anleger bei dieser Vorgehensweise ein besseres Gefühl haben. Ich denke aber dennoch, dass es falsch ist und in der Regel zu subopimalen Ergebnissen führt. Und das aus mehreren Gründen.

Der erste Grund ist, dass man sich mit diesem Vorgehen nur scheinbar mehr Sicherheit verschafft. Wer sagt nämlich, dass der große Carsh nicht stattfindet, direkt nachdem die zehn Einzahlungstranchen geleistet worden sind? Man verschiebt das Risiko nur, ohne dass es irgendwie geringer wird.

Zweitens wettet man gegen die Wahrscheinlichkeit. Statistisch betrachtet gibt es am Aktienmarkt einen Aufwärtstrend. Sieht man sich lange Kursreihen z.B. des DAX an, dann hat man, je nach gewähltem Zeitraum eine langfristige Durchschnittsrendite von 7 bis 10% p.a. Wenn man also heute Geld in den DAX anlegt (z.B. mittels eines ETFs), dann ist nach einem Monat ein Gewinn wahrscheinlicher als ein Verlust. Wenn man also heute Geld hat, das man in jedem Fall investieren möchte, dann ist es vernünftig es sofort zu tun, und nicht in die Zukunft zu verschieben. Denn, wie gesagt, rein statistisch ist es wahrscheinlich, dass später die Kurse höher sind. Man kann das vergleichen mit einem Wettspiel mit einer unfairen Münze. Nehmen wir an man hat eine Münze, bei der die Wahrscheinlichkeit für „Zahl“ 53% ist, und die Wahrscheinlichkeit für „Wapp“ 47% ist. Dann ist es vernünftig immer aur „Zahl“ zu setzen. Ähnlich kann man sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Kurse von heute auf morgen steigen im geringfügig wahrscheinlicher, als dass sie fallen. Also macht es keinen Sinn, mit seiner Investition zu warten.

Das Abwarten birgt außerdem gewisse psychologische Fallen. Steigen nämlich die Kurse, dann fällt es einem schwer anzulegen. Man ist also geneigt, noch weiter abzuwarten. Steigen die Kurse aber noch weiter, wird das Investieren immer schwieriger. Fallen andererseits die Kurse, dann geraten Anleger nicht selten in ein anderes Dilemma. Fallende Kurse sind ja zumeist mit bestimmten negativen Ereignissen oder negativen Erwartungen verbunden. Die Kurse fallen, weil gerade der Pessimismus am Markt Überhand gewinnt. Pessimismus ist aber ansteckend. Man müsste jetzt also investieren, obwohl man jetzt eigentlich ein mulmiges Gefühl bekommen hat, was den Aktienmarkt betrifft. Außerdem, so könnte man meinen: wenn die Wertpapiere jetzt schon gefallen sind, dann fallen sie vielleicht noch weiter, und dann wäre es doch schlecht zu früh zu kaufen. Also wartet man ab und es wird immer schwerer, zu einer Entscheidung zu kommen.

Daher rate ich, wenn man schon das Investieren auf mehrere Male strecken möchte, sich fixe Termine zu setzen, an denen man, egal was ist, anlegt. Oder natürlich, dass man sowieso gleich alles mit einem Schlag anlegt. Jedenfalls sehe ich keinen Vorteil darin, den Anlagebetrag über mehrere Monate zu verteilen, eher Nachteile und Risiken. Zumal ja noch eines dazukommt. Wenn man in Aktien investiert, dann sollte man sowieso einen eher langfristigen Anlagehorizont mitbringen. Dann sind aber die Einstiegskurse oft weniger wichtig als man denkt. Nehmen wir als Beispiel die Crash-Phase in 2008. Im September war der DAX etwa bei 6200 Punkten. Wer zu diesem Zeitpunkt investierte, hat bis heute eine Rendite von 6,2% p.a. erzielt. Zwei Monate später, im November 2008, war der DAX etwa 20% niedriger. Hätte man zu diesem Zeitpunkt investiert, dann hätte man bis heute 7,8% p.a. Rendite erzielt. Ich gebe zu, dass das schon eine gewisse Differenz ist. Man muss aber bedenken, dass es sich hier um einen Extremfall handelt. Und wenn man das berücksichtigt, letztlich zählt, dass man auch mit einer Rendite von 6,2% p.a. langfristig ein schönes Plus erzielen konnte.

Immer mehr Anleger erkennen die Vorteile des passiven Managements und von ETFs. In der Presse findet man zahlreiche Artikel darüber. Was man dabei wirklich beachten sollte, will ich nachfolgend beschreiben.

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Am 24. Februar 2022 überfielen russische Truppen die Ukraine. Und das, obwohl Russland im Jahre 1994 das sogenannte Budapester Memorandum im Rahmen einer KSZE-Konferenz mit unterschrieben hat. Dafür, dass die Urkaine alle ihre Atomwaffen an Russland abtritt, verpflichtete sich Russland, die ukrainischen Grenzen zu garantieren.

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Ich habe letztens den Artikel „Chancen und Risiken der Anlage in ETFs“ (Autorin: Anke Heinhaus) gelesen. In diesem Artikel wird die günstige Kostenstruktur als Vorteil von ETFs genannt. Allerdings wird auch ein angeblicher Nachteil genannt: ETFs würden, gerade weil sie so kostengünstig sind, zum zocken verleiten. Diese Aussage halte ich für sehr fragwürdig.

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Der Angriff Putins auf die Ukraine ist eine unbeschreibliche Tragödie. Ich persönlich habe es noch vor ein paar Wochen nicht für möglich gehalten, dass Putin diesen Schritt gehen wird. Es ist so unfassbar und traurig, was der Ukraine angetan wird und wie Putin nicht nur die ganze Weltgemeinschaft in Angst und Schrecken versetzt, sondern auch sein eigenes Land in den Ruin führt. Mein Mitgefühl gilt vor allem den Ukrainern, die jetzt um ihre Heimat bangen müssen, ihr Leben und ihr Hab und Gut verlieren, auf der Flucht sind oder heldenhaft ihr Land verteidigen. Mir tut auch das russische Volk leid, das von solch einem Mann belogen und zu Untaten verführt wird. Nach wie vor bin ich ein so unverbesserlicher Optimist, dass ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass sich letztlich die Menschlichkeit gegen das Böse durchsetzen wird.

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Wenn ich andere Vermögensberater oder Bankberater höre, dann dreht sich mir regelmäßig der Magen um. Ohne Ende werden vollkommen sinnlose Anglizismen und Fachbegriffe verwendet, die der Kunde in der Regel nicht versteht:

  • „Candlestick-Charts“
  • „KGV“
  • „Lockback-Zertifikate“
  • das Unternehmen hat ein gutes „Ebit“
  • eine „long Position“ eingehen
  • Unternehmen schaffen ihren „Turnaround“
  • eine Aktie ist ein „strong buy“
  • der eine Asset Manager geht „bottom up“ der andere „top down“
  • etc. etc.

Man kann sich fragen, warum diese Berater überhaupt so sprechen. Warum wird eine solche Sprache verwendet, die ein normaler Mensch nicht verstehen kann?

Meine Meinung ist, dass Finanzberater gerne ihre Dienstleistung „mystifizierten“.  Es geht nicht darum, die Kunden so zu informieren, dass sie eigenständig eine rationale Anlageentscheidung treffen können. Vielmehr ist der Zweck einer solchen Sprache, den Kunden einzuschüchtern und ihm seine vermeintliche Unwissenheit klarzumachen. Der Berater hingegen stellt sich als (vermeintlich) wissender Experte dar. Der Anleger soll das Gefühl bekommen, dass er ohne den Berater hoffnungslos verloren wäre.

Letztlich ist das nicht viel anders als das Vorgehen der Priester, Weissager und Vogelschauer in der Antike. Auch diese Herrschaften bedienten sich Rituale und einer unverständlichen Sprache, um den Menschen ein angebliches Wissen vorzuspielen. Letztlich nicht zum Nutzen dieser Menschen, sondern nur zum eigenen Vorteil.

Immerhin, und das scheint man heutzutage immer wieder zu vergessen, leben wir heute ja eigentlich in einem aufgeklärten Zeitalter. Um so merkwürdiger, was man im Bereich Vermögensverwaltung und Geldanlage zu lesen oder zu hören bekommt. Genau betrachtet handelt es sich fast immer um eine Art Aberglauben und um vage Heilsversprechungen.

Sehr vielen Menschen scheint dies gar nicht aufzufallen. Beispielsweise bieten auch Volkshochschulen Kurse in Chart-Analyse an. Menschen besuchen entsprechende Seminare, und auch die Medien sind voller Finanz-Mystizismus.

Tatsächlich werden den Anlegern ein Scheinwissen vorgegaukelt, das nicht existiert, nur um für die eigene Dienstleistung eine fadenscheinige Existenzberechtigung zu konstruieren.

Ich bin ja selbst in der Vermögensverwaltung und Vermögensberatung tätig. Und selbstverständlich glaube ich, dass meine Tätigkeit ihre Berechtigung hat und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Aber die Begründung dazu sollte bitte ehrlich und aufrichtig sein.

Und die beste Begründung ist: die Vermögensverwaltung stellt eine Dienstleistung dar, um dem Anleger etwas abzunehmen, wozu er selbst entweder keine Lust oder keine Zeit hat. Aber selbstverständlich könnte er es auch alleine und ohne fremde Hilfe erledigen (wenn er/sie wollte). Man soll zu den Leuten so ehrlich sein, und zugeben, dass es im Geldanlagebereich kein mysteriöses Spezial- oder Geheimwissen gibt.

Ich denke, dass eine Vermögensverwaltung nicht viel anders ist als viele andere Dienstleistungen auch. Beispielswiese dem Reifenwechsel. Selbstverständlich kann jeder, wenn man nur will, selbst die Reifen seines Autos wechseln. Es gibt aber einige (mich eingeschlossen), die dazu keine Lust haben oder die Zeit haben. Das ist auch in Ordnung so, da wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft leben. Der eine hat sich auf das eine spezialisiert, der andere auf etwas anderes.

Genauso nüchtern und entmystifiziert sollte man, meiner Meinung nach auch eine Vermögensbetreuung auffassen. Als Finanzprofi ist man auf sein Gebiet spezialisiert und kann daher manches effizienter und kostengünstiger umsetzen als der Anleger. Außerdem nimmt der Vermögensverwalter durch seine Dienstleistung dem Privatanleger Arbeit ab.

Das ist so alles schön und gut. Vermögensverwaltung oder Finanzberatung ist aber keine mysteriöse Tätigkeit, die Wunder bewirkt. Beispielsweise kann kein Finanzprofi in die Zukunft schauen, oder mit minimalen Risiken hohe Renditen erzielen, oder stets nur durchgehend hohe Renditen erzielen. Das gibt es einfach nicht. Wer so etwas behauptet, lügt entweder oder er weiß es nicht besser. Und als aufgeklärter Anleger sollte man an so etwas auch nicht glauben.

Wer  solche „Wunder“ erwartet, darf sich nicht wundern, wenn er bzw. sie irgendwann einmal enttäuscht werden wird.

In meinen Gesprächen mit Anlegern fällt mir auf, dass manche sehr allgemeine, abstrakte Ängsten haben. Beispiele für solche Befürchtungen sind:

  • „In näherer Zukunft wird das gesamte Finanzsystem zusammenbrechen“
  • „Der Euro wird wertlos werden“
  • „Die EZB betreibt eine Geldpolitik, die letztlich zu einer hohen Inflation führen wird.“
  • „Die Überschuldung bestimmter Länder wird zu einer Krise führen“
  • etc. etc.

Nicht selten gibt es auch bestimmte Bücher, deren Autoren (anscheinend) überzeugende Argumente für die jeweilige Befürchtung haben. Man schaue nur in einen Bücherladen in die Abteilung Wirtschaftsbücher. Da liegt ein Weltuntergangsprophet neben dem anderen. Offenbar lässt sich mit den Ängsten der Menschen gutes Geld verdienen.

Nur am Rande bemerkt. Ich kann mich noch gut erinnern, welche Bücher so um das Jahr 2005 gut gingen, damals vor dem Beginn der Finanzkrise. Das waren solche Bücher die einem erklärten, wie man schnell reich wird oder dass 15% Rendite am Aktienmarkt Normalität sind. Damals, nach den haussierenden Börsen der 1990er Jahre, war die Stimmung komplett anders als heute. Seinerzeit war die vorwiegende Emotion Gier, und nicht Angst.

Naja, heute ist es die Angst, die viele Menschen in Geldanlagefragen umtreibt. Und der Phantasie für Ängste und Befürchtungen sind keine Grenzen gesetzt. Außerdem kann man ja als Autor auch mal einen Glückstreffer landen. So schrieb Max Otte kurz vor der Finanzkrise sein Buch „Der Crash kommt“. Das Timing war perfekt und auch der Titel. Leider nicht der Inhalt.

Denn wer in das Buch selbst hineingeschaut hat, kann feststellen, dass Otte zwar von einem unmittelbar bevorstehenden Crash geschrieben hat. Das was er aber voraussah, hatte nicht mal annähernd Ähnlichkeit mit dem, was tatsächlich geschah. So gut wie jede konkrete Aussage Ottes im Buch ist falsch. Beispielsweise gibt er auch ganz zum Schluss konkrete Vorschläge, mit welchen Investments man sich, seiner Meinung nach, vor dem kommenden Crash schützen könne. Sieht man sich diese Empfehlungen an, so wird man feststellen, dass die allermeisten davon gerade in der schlechten Phase ab 2007 alles andere als gut gelaufen sind.

Otte hatte einen Glückstreffer mit seinem Titel. Das, was er geschrieben hatte, hat sicherlich keinem einzigen Anleger geholfen. Und auf diese Masche möchten nun auch andere Autoren aufspringen. Hauptsache, man macht eine Angst-machende Prognose. Sobald etwas eintritt, was nur irgendwie an diese Prognose erinnert, ist man ein gemachter Mann. Der konkrete Inhalt des Buches, wie z.B. Argumentationsketten oder Empfehlungen, wie man sich schützen kann, sind eher zweitrangig.

An sich kann man sich als Leser ja auch beschäftigen, womit man will. Wenn es einem Spaß macht, solche Bücher zu lesen, dann soll man es halt machen. Man soll aber nicht wirklich damit rechnen, dass man hier gute Ratschläge für die eigene Geldanlage bekommt. Hierfür sind solche Bücher eher hinderlich. Denn sie lenken von dem wirklich Wesentlichen ab.

Und was ist, meiner Meinung nach, wirklich Wesentlich? Naja, die konkreten Anlageziele oder finanziellen Probleme, die man als Privatanleger so haben kann. Typische konkrete Anliegen sind z.B.:

  • die Altersvorsorge: Wie muss ich ansparen bis zu welchem Zielvermögen, damit ich im Alter gut leben kann?
  • Wie kann ich mir eine Immobilie kaufen und möglichst bald wieder schuldenfrei sein?
  • Wie soll ich Geld für meine Kinder anlegen, damit sie einen guten Start in ihr Leben haben werden?
  • etc.

Der Unterschied zwischen den erstgenannten Ängsten und diesen Fragen ist, dass letztere konkret sind. Nicht abstrakt und (ich sag mal) abgehoben.

Konkrete Probleme kann man konkret mit bestimmten Berechnungen lösen. Man erhält konkrete Handlungsempfehlungen und kann abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass man sein Anlageziel erreicht.

Abstrakte Ängste lähmen nur bzw. noch schlimmer: führen zu absurden Investitionen. Die konkreten Lebensziele werden jedenfalls so – fast mit Sicherheit – verfehlt. Und letztlich weiß man ja nicht, ob ein bestimmtes Horrorszenario tatsächlich eintritt, noch weiß man, wann genau es so weit sein wird. Und man weiß auch nicht, was genau einen dann, falls es tatsächlich eintreten sollte, tatsächlich retten wird. Es handelt sich um einen Wust von Spekulationen.

In diesem Zusammenhang finde ich die Anekdote um den berühmten Wirtschaftstheoretiker John Maynard Keynes sehr lehrreich. Nach dem Ersten Weltkrieg sah er (richtig) voraus, dass es in Deutschland zu einer sehr starken Inflation kommen müsse. Auf der Basis dieser Prognose sammelte er unter Freunden und Bekannten viel Geld ein, um gemeinsam in einer Art Investmentfonds auf eine Hyperinflation in Deutschland zu wetten. Wir wissen ja, dass es 1923 tatsächlich zu einer Hyperinflation kam. Dennoch verlor aber Keynes fast das gesamte eingesammelte Geld. Diese Anekdote ist ein gutes Beispiel dafür, dass man selbst mit richtigen Prognosen viel Geld verlieren kann.

Ich kann nur jedem raten, sich in seinen Anlageentscheidungen nicht (keinesfalls!) von dergleichen abstrakten Ängsten und Befürchtungen leiten zu lassen. Vielmehr sollte man sich Gedanken über seine persönlichen, konkreten Anlageziele machen und wie man sie konkret erreichen kann. Das sind die wichtigen Themen, wenn man sich mit seinen Finanzen beschäftigt. Allgemeine Ängste lenken davon nur ab.

Vielleicht noch eine Bemerkung zu den „schlauen“ Argumentationsketten, die viele (selbsternannte oder auch echte) Experten ins Feld führen, um ein bestimmtes Szenario als unausweichlich darzustellen. Ich bin seit über 30 Jahren im Finanzbereich tätig. Und solche Argumentationsketten hat es schon immer gegeben, und ich kann eines sagen: Ich kann mich an keine einzige erinnern, die tatsächlich eingetreten ist. Die Grunderkenntnis im Finanzbereich ist, dass es immer anders kommt, als man denkt. Etwas süffisanter könnte man den netten Spruch zitieren: Der Mensch dachte, Gott lachte.

Ich möchte nicht behaupten, dass wir nichts zu befürchten hätten. Natürlich kann es zu dramatischen Verwerfungen und Crash-Situationen kommen. Aber eines ist auch gewiss: Es werden genau solche Szenarien sein, die heute niemand voraussieht. Das wirklich Gefährliche ist das komplett Unerwartete. Das was sich heute keiner erträumen kann. Weil das aber heute keiner kann, muss es auch jetzt für unsere Anlageüberlegungen unberücksichtigt bleiben.

Und all das, was uns mittels vermeintlich schlauer Milchmädchenrechnungen an Horroszenarien prognostiziert wird, das macht mir tatsächlich am allerwenigsten Angst.

Anlageberater Dr. Peterreins aus München

Ich habe Mathematik und Philosophie in München studiert und habe in beiden Fächern promoviert. Von 1995 bis 1998 arbeitete ich im Risikocontrolling der Kapitalanlagen weltweit bei der Allianz AG.  1998 machte ich mich selbständig und gründete mein Unternehmen. Seit dieser Zeit arbeite ich als BaFin-lizenzierter Vermögensverwalter.

Für meine Kunden lege ich Geld größtenteils so an, wie es David F. Swensen in seinem Buch „Erfolgreich investieren“ beschrieben hat. Swensen ist langjähriger, sehr erfolgreicher Vermögensverwalter des Yale-Stiftungsvermögens gewesen.

Ein Kernpunkt bei dieser Anlagestrategie ist die Erkenntnis, dass sich ein aktives Management nicht lohnt. Swensen schreibt:

„Es existieren Daten, die eindeutig belegen, dass Investmentfonds-Anleger, die sich Erträge erhoffen, welche über der Marktrendite liegen, so gut wie sicher enttäuscht werden … Es gibt keinen Zweifel, dass ein aktives Management keine zufriedenstellenden Ergebnisse für Privatanleger hervorbringt.“

Selbstverständlich gibt es aktive Fondsmanager, die über ein paar Jahre hinweg besser waren als der Markt. Dies wird gerne als Beleg dafür genommen, dass sich aktives Management doch lohnen würde. Wenn ein Manager beispielsweise fünf Jahre hintereinander besser als der Markt war, dann wird gerne so argumentiert: „Fünf Mal hintereinander besser als der Markt, das kann doch kein Zufall sein. Das wäre ja etwa so wahrscheinlich, wie fünf Mal hintereinander Zahl mit einer Münze zu werfen.“

Der Denkfehler hierbei ist, dass wir solche vermeintlich herausragenden Manager immer nur im Nachhinein erkennen, niemals im Vorhinein. Weltweit gibt es sicher mehr als 10.000 Manager und Vermögensverwalter, dann ist das richtige Münzwurf-Modell so: Nehmen wir z.B. eine Gruppe von 10.000 Menschen in einem Stadion an, jeder ausgestattet mit einer Münze, und jeder wirft die Münze fünf Mal hintereinander. Dann kann man sich die Frage stellen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es unter diesen 10.000 Menschen mindestens einer schafft, fünf Mal hintereinander Zahl zu werden. Die Antwort darauf liefert die Mathematik und diese sagte, dass die Wahrscheinlichkeit bei 100% liegt.

Dass man immer wieder – im Nachhinein – einen herausragenden Manager findet, der rein zufällig über einige Jahre hinweg besser als alle anderen war, liegt absolut im Bereich der Wahrscheinlichkeit. Es wäre eher verwunderlich, wenn man einen solchen Manager nicht finden würde.

Das sind dann genau die Manager, die auf Rankinglisten ganz oben erscheinen. Die allermeisten Anleger und auch Anlageberater meinen, mittels solcher Rankinglisten zu stichhaltigen Anlageentscheidungen kommen zu können. Dabei wird, wie gesagt, verkannt, dass solche Manager einfach nur Glück hatten, und dass das nichts mit Können zu tun haben muss.

Es läuft dann so ab, dass sich die Anleger im großen Stil diesen vermeintlich guten Managern zuwenden. Meistens sind diese Manager aber genau dann kurz vor ihrem Zenit. Und nachdem viel Geld eingesammelt worden ist, verlieren sie ihre Glücksträhne. Einige Zeit danach sehen die Rankinglisten ganz anders aus, und die Anleger glauben, zu denjenigen Managern umschichten zu müssen, die jetzt neu ganz oben stehen. Kein Wunder, dass es so viele Menschen beim Geldanlegen zu nichts bringen!

Hier noch ein Zitat aus dem Buch von Daniel Kahnemann „Schnelles Denken, langsames Denken“:

„Investmentfonds werden von äußerst erfahrenen und tüchtigen Fachleuten gemanagt, die Aktien kaufen und verkaufen, um die bestmöglichen Ergebnisse für ihre Kunden herauszuholen. Dennoch ist die Datenlage nach über fünfzigjähriger Forschung eindeutig: Die Auswahl von Einzeltiteln gleicht eher einem Würfel- als einem Pokerspiel. Im Allgemeinen ist die Wertentwicklung bei zwei von drei Investmentfonds in jedem beliebigen Jahr schlechter als die des Gesamtmarktes.

… Die erfolgreichen Fonds in jedem beliebigen Jahr haben einfach das meiste Glück; sie haben gut gewürfelt. Es besteht Einigkeit unter den Forschern, dass fast alle Stockpicker, ob sie es wissen oder nicht – und nur wenige wissen es –, ein Zufallsspiel spielen.“

Wenn man all das weiß, dann kommt eigentlich nichts anderes in Frage als Indexfonds oder ETFs. Die Frage ist nur, auf welche Weise man das am besten tut. In seinem Buch behauptet David Swensen, dass man am besten wie folgt vorgehen sollte:

Erstens. Man überlegt sich das Anlageuniversum. Was ist wirklich relevant? Ich habe für mich die Frage so beantwortet:

  • Europäische Aktien (Stoxx Europe 600, EuroStoxx 50, MSCI Europe)
  • US-Aktien (S&P 500, Russel 2000, etc.)
  • Japanische Aktien (Nikkei 225, MSCI Japan)
  • Schwellenländer (MSCI Emerging Markets)
  • Europäische Staatsanleihen
  • US-Staatsanleihen

Zweitens. Danach legt man Soll-Quoten fest. Beispielsweise

  • Europäische Aktien: 35 %
  • US-Aktien: 28 %
  • Japanische Aktien: 10 %
  • Schwellenländer: 10 %
  • Europäische Staatsanleihen: 12 %
  • US-Staatsanleihen: 5 %

Drittens. Entsprechend dieser Soll-Quoten investiert man mithilfe passender ETFs.

Viertens. In regelmäßigen Zeitabständen vergleicht man die Ist-Quoten mit den Soll-Quoten und nimmt gegebenenfalls ein Rebalancing vor.

Das heißt: Liegen europäische Aktien beispielsweise bei 38 % (Soll: 35 %) und Staatsanleihen bei 9% (Soll 12%). Dann muss man für 3% europäische Aktien verkaufen und für 3% Staatsanleihen-ETFs nachkaufen, um die ursprünglich festgelegten Soll-Quoten wiederherzustellen.

Liegen umgekehrt europäische Aktien beispielsweise aufgrund einer schwachen Börse bei 30% (Soll: 35%) und Staatsanleihen bei 17% (Soll: 12%). Dann muss man für 5% Staatsanleihen verkaufen und für 5% Aktien-ETFs nachkaufen.

Ein wesentlicher Effekt dieser Strategie besteht darin, dass man immer strikt antizyklisch anlegt. Man kauft immer tendenziell das, was gerade gefallen ist, und verkauft tendenziell das, was gerade gut gelaufen ist. Ziemlich genau umgekehrt im Vergleich zu dem, wie die große Masse der Anleger agiert.

Denn die allermeisten Anleger handeln prozyklisch. Und das ist einer unserer großen menschlichen Schwächen, die einem Börsenerfolg entgegenwirken. Wir neigen dazu, das gut zu finden und kaufen zu wollen, was gerade in der letzten Zeit ein gute Wertentwicklung hatte. Das hingegen, was gerade an Wert verloren hat, meiden wir.

In meiner Praxis mit Privatanlegern könnte ich dazu dutzende Anekdoten erzählen. Zum Beispiel habe ich März 2009 Anlegern zum Kauf von Aktien geraten, die mir dann entgegenhielten, dass ich wohl nicht über die aktuell wütende Finanzkrise informiert sei. Dieselben Anleger kamen dann Jahre später wieder auf mich zu, fest entschlossen, jetzt in Aktien anlegen zu wollen. Allerdings waren da die Kurse 40% höher als 2009. Merkwürdigerweise fällt es vielen Anleger leichter bei hohen Kursen einzusteigen als bei niedrigen.

Es ist wirklich ein Trauerspiel, wie Anleger ständig Geld vernichten, indem sie versuchen auf Trends aufzuspringen, die eigentlich schon kurz vor dem Kippen stehen, nur um dann zu Tiefstkursen wieder in Panik zu verkaufen. Ich halte es lieber umgekehrt. Ich kaufe dann, wenn alle in Panik sind, und stehe auf der Verkäuferseite, wenn alle überoptimistisch sind.

So fielen am Tag nach der Wahl Trumps die Aktienkurse zunächst dramatisch. Ich bekam damals schon Panikanrufe von ein paar Kunden. Der eine oder andere war auch nicht davon abzubringen, all seine Wertpapiere zu verkaufen. Ich stand damals auf der Käuferseite und erwarb im großen Stil Aktien-ETFs für unsere Fonds. Diese ETFs waren bereits eine Woche etwa 10% mehr wert.

Wie gesagt. Das simple Konzept des Rebalancing führt zu einer strikt antizyklischen Anlagestrategie. Und hier hat sich gezeigt, dass es besser ist das Rebalancing häufig durchzuführen. Das ist uns das erste Mal Anfang 2010 aufgefallen.

Wir stellten uns nämlich die Frage, ob es gut war, das Rebalancing wöchentlich vorzunehmen. Dazu betrachteten wir hypothetisch ein Portfolio, das zum 1.1.2009 exakt gemäß unseren Soll-Quoten in ETFs angelegt hätte, und das ganze Jahr über kein Rebalancing durchgeführt hätte. Für dieses Buy-And-Hold-Portfolio berechneten wir die Jahresperformance bis zum 31.12.2009. Diese Performance konnten wir dann damit vergleichen, was unser Global Strategy-ETF-Dachfonds faktisch in 2009 erwirtschaftet hatte.

Das Ergebnis war für uns erst einmal überraschend: Unser ETF-Dachfonds hatte eine Überrendite im Vergleich zu dem hypothetischen Buy-And-Hold-Portfolio von mehr als 2%. Und zwar nach allen Kosten. Das war für uns erst einmal nicht zu verstehen.

Als wir die Sachlage genauer analysierten war klar, woher diese Überrendite kam. Wir nehmen ja mindestens wöchentlich ein Rebalancing vor. Sind die Aktienmärkte tendenziell eher gefallen, kaufen wir Aktien-ETFs zu relativ günstigen Kursen nach. Haben sich nach einer Woche die Kurse wieder erholt, verkaufen wir wieder Anteile an den Aktien-ETFs, diesmal etwas teurer. Und wir streichen Kursgewinne ein. Dann fallen die Kurse wieder und wir stehen wieder auf der Käuferseite. Auf diese Weise sammeln wir, sozusagen wie nebenbei, beständig Kursgewinne ein. Und offensichtlich sind gerade volatile Marktphasen gut für diese Strategie.

Das häufige Rebalancing ist nicht in jedem Jahr besser als Buy-and-Hold gewesen, auf lange Sicht erzielt man so aber durchaus mehr Rendite.

Ich habe gerade in eine Finanzzeitschrift einen Artikel gelesen, dessen Thema die Psychologie des Anlegers ist. Die Idee dabei ist, dass man einige Fehler vermeiden kann, wenn man über die Psychologie des Geldanlegens Bescheid weiß. Dem stimme ich prinzipiell zu.

Aber über einen Abschnitt in diesem Artikel bin ich gestolpert, dem ich beim besten Willen nicht zustimmen kann, nämlich:

„Wer einmal bestimmt hat, welcher Risikotyp er ist, bringt Kontinuität in einen Anlagemix. Also nicht heute nur Aktien und morgen nur Festgeld…“

Die Vorstellung ist hier, dass jeder Mensch einem bestimmten „Risikotyp“ zugeordnet werden kann. So ähnlich wie jeder Mensch ein eindeutiges Sternzeichen hat. Entweder bin ich der Typ „konservativ/absolut Verluste-avers“ oder ich bin „spekulativ/risikofreudig“, oder irgendwelche Mischformen dazwischen. Und diese Zuordnung könne man entweder selbst machen oder mithilfe irgendwelcher psychologischer Tests. Am Ende gehört man aber vermeintlich einer bestimmten Risikoklasse so unverrückbar an, wie man beispielsweise klar ein „Steinbock“ oder ein „Wassermann“ ist, samt der zugehörigen Eigenschaften.

Fakt ist aber, dass das in der Praxis nicht so läuft. Es fängt schon damit an, dass fast alle Menschen Schwierigkeiten damit haben, sich auf eine bestimmte Risikoklasse festzulegen. Wenn man System von beispielsweise sieben Risikoklassen von 1=“ganz konservativ“ bis 7=“hochspekulativ“, so wird man kaum jemanden finden, der sich klar zu den Extremen 1 oder 7 bekennt. Am meisten Anleger werden sich auf die mittleren Plätze zwischen 3 und 5 eingruppieren.

Und selbst dabei werden viele ihre Bauchschmerzen haben. Denn normalerweise „ist“ man nicht generell und absolut so oder so bezogen auf seine Geldanlagen. Vielmehr denken die allermeisten sozusagen in „Anlagetöpfen“. Man sagt zum Beispiel: „Naja, einen Großteil meines Vermögens will ich sehr sicher angelegt haben ohne große Verlustrisiken, daneben will ich aber eine Art ‚Spielgeld‘ von sagen wir 10% meines Vermögens, das durchaus hochspekulativ angelegt sein kann.“

Andere gewichten anders. Aber fast immer denken Anleger so, dass sie ihre Vermögen aufteilen möchten in verschiedene (wie ich es nannte) „Anlagetöpfe“, die für sich genommen eine sehr unterschiedliche Risiko-/Renditestruktur haben können.

Nehmen wir beispielsweise den obigen Anleger, der 90% seines Vermögens ganz sicher auf Tagesgeld- und Festgeldkonten angelegt hat. Er geht nun zu seiner Bank und sagt, dass er einen kleineren Teil seines Geldes in Aktien bzw. Aktienfonds anlegen will. Die Bank kommt jetzt erst einmal und fordert ihn auf, sich in eine Risikoklasse einzugruppieren. Er wird also gefragt: „Sind Sie eher der konservative Typ oder der hochspekulative Typ?“

Wenn er ehrlich antwortet, wird er sagen, dass er eher konservativ ist. Nach dieser Antwort müsste die Bank aber sagen, dass riskante Aktien bzw. Aktienfonds mit hohe Verlustrisiken nicht zu seinem Anlegerprofil passen.

Damit er bei der Bank überhaupt ein risikofreudig ausgerichtetes Wertpapier-Depot einrichten darf, muss er sich als spekulativen Risikotyp kategorisieren lassen, was er ja eigentlich gar nicht ist. Also nur aufgrund einer Art Falschaussage wird er das bekommen, was er will.

Das nächste Problem besteht darin, dass sich die Selbsteinschätzung der Anleger bezüglich ihrer Risikobereitschaft zum Teil dramatisch ändert. Hier ein Beispiel aus meiner Praxis als Anlageberater.

Als ich in den Jahren 2009/2010 Leute beraten habe und feststellte, dass sie auch in Aktien investieren müssten, um ihre Anlageziele zu erreichen, bekam ich nicht selten die Antwort: „Ja, Herr Peterreins, aktuell ist doch Finanzkrise, da kann ich doch nicht in Aktien gehen, das ist mir alles viel zu riskant. Ich möchte unbedingt Verlustrisiken vermeiden.“

Ein paar Jahre später, nachdem der DAX wieder dramatisch nach oben gegangen ist, kamen dieselben Leute und meinten, dass sie jetzt gerne in Aktien anlegen würden. Jetzt mit einem Male haben sie erkannt, dass sie doch nicht konservativ sind, sondern durchaus risikofreudig sind.

Die Erkenntnis ist, dass sich die Selbsteinschätzung ändert je nach Marktlage. Wackeln die Börsen und herrscht gerade Krisenstimmung, entdeckt fast jeder den „konservativen Anlegertyp“ in sich, – Hauptsache keine Verluste. Haben wir aber gerade eine gute Börsenphase mit schönen Kurssteigerungen, dann wollen die meisten auch bei den Gewinnen mit dabei sein und fühlen sich mutig für spekulative Anlageformen.

Die Risikoklasse eines Anlegers ist also beileibe nichts Konstantes, sondern ändert sich je nach Stimmungslage. Und letztlich ist es absurd, auf der Basis von der Selbsteinschätzung der eigenen Risikobereitschaft, einen Anleger zu beraten.

Was stattdessen zählt, sind vor allem die Anlageziele. Als erstes sollte man genau klären, was man mit seinem Vermögen bzw. mit seinem Sparen erreichen will. Als zweites stellt sich die Frage, welche Zielrendite man braucht, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und bezogen auf eine solche Zielrendite sollte man dann sein Geld mehr oder weniger riskant anlegen. Und dabei gilt das Prinzip: So viel Risiko wie nötig, um die Zielrendite realistisch erzielen zu können, aber insgesamt so wenig Risiko wie möglich.

Einer der Dinge, die mich immer und immer wieder verwundern, ist der Glaube fast aller Privatanleger ans Timing. Wenn jemand Geld anzulegen hat, dann höre ich in der Regel die Frage: Ist es jetzt gerade der richtige Zeitpunkt? Oder sollten wir lieber noch etwas warten? Genau dieselbe Fragen bekomme ich umgekehrt, wenn jemand Geld braucht: Ich bräuchte eigentlich jetzt das Geld, ist es aber gerade ein guter Zeitpunkt zu verkaufen? Und bei Anlegern, die sich selbst um ihr Geld kümmern, habe ich auch den Eindruck, dass bei ihnen in der Regel nichts mehr im Vordergrund steht als die Frage des richtigen Zeitpunktes – entweder ein bestimmtes Wertpapier zu kaufen oder zu verkaufen.

All diese Timing-Fragen kann man aber eigentlich nur dann beantworten, wenn man die Zukunft kennt.

Heute (26.07.19) steht der DAX beispielsweise auf etwas über 12.360. Und damit etwa 17% höher als zu Jahresbeginn. Die Aktien hatten also in den letzten Monaten einen rasanten Kursanstieg. Die Kurse stehen somit – gefühlsmäßig – hoch. Sollte ein Anleger, der heute Geld anzulegen hat, deswegen lieber vermeintliche Kursrückgänge abwarten? Mit der Idee dann günstigere Einstiegskurse zu bekommen?

Natürlich kann ich dieses Gefühl verstehen und nachvollziehen. Und dennoch ist es irrational. Denn um beurteilen zu können, ob es jetzt besser ist einzusteigen oder in ein paar Monaten, kann man sich nicht an Vergangenheitsdaten orientieren. Das einzige, was zählt, ist, wie die Kurse sich innerhalb der nächsten Monate entwickeln werden. Und das weiß nun einmal niemand.

Würden die Kurse innerhalb der nächsten Monate fallen, dann kann man sagen: „Am 26.07.19 standen die Aktienkurse höher als heute, daher war es richtig abzuwarten und jetzt zu kaufen.“ Stehen in ein paar Monaten aber die Kurse höher als heute, dann war es sicher falsch abzuwarten. Das heißt: Ob die Kurse heute hoch sind oder nicht, ob heute ein guter Einstiegszeitpunkt ist oder nicht, dafür müsste ich wissen, wie die Kurse in ein paar Monaten sind. – Nicht wie sie in der Vergangenheit waren.

Für diese Zukunftsprognose kann mir ein Blick auf die Vergangenheit nicht einmal ansatzweise helfen.

Der Glaube ans Timing kommt meiner Meinung nach durch den Blick auf Charts. Man sieht sich beispielsweise den Verlauf des DAX der letzten 12 Monate an. Wenn man sich das ansieht, sieht man klar, dass – im Nachhinein betrachtet – ein Einstieg in den Aktienmarkt im Oktober 2018 deutlich ungünstiger war als beispielsweise im Januar 2019. Man sieht einmal sehr hohe Kurse, dann einen starken Kursverfall im Herbst 2018, die ihren Tiefpunkt etwa im Dezember/Januar erreicht haben und von da an sind die Kurse wieder stark gestiegen.

Bezogen auf diesen Vergangenheits-Chart ist die Sachlage absolut klar. Das Problem aber ist, dass es keine Charts künftiger Entwicklungen gibt. Bezogen auf die Zukunft ist die Sachlage alles andere als klar. Und das war sie z.B. damals im Januar 2019 auch nicht. Wir bekommen nur im Nachhinein diesen Eindruck: dass es ja klar war, dass damals ein Tiefpunkt erreicht worden ist, von dem aus es nur noch nach oben gehen konnte. Man unterliegt hier aber so etwas wie einer optischen Täuschung.

Denn in der Situation damals im Januar 2019 waren die Dinge alles andere als selbstverständlich. Alle Probleme, mit denen man den Kursverfall im Herbst 2018 begründet hat (Brexit, Trump, etc.) waren auch im Januar 2019 immer noch ungelöst. Zum Teil hatten sie sich sogar verschärft. Wenn man damals mit Leuten über Geldanlage gesprochen hat (was ich ja von Berufs wegen ständig tue), dann waren im Prinzip alle pessimistisch, was die weitere Kursentwicklung an den Aktienmärkten betraf. Damals im Januar 2019 war absolut nicht klar, dass es wieder stark nach oben geht, das stellt sich uns jetzt ein paar Monate später nur so dar.

Dasselbe gilt auch beispielsweise für den März 2009. Damals ging alles drunter und drüber wegen der Finanzkrise. Heute wissen wir, dass das der beste Einstiegszeitpunkt überhaupt gewesen wäre. Aber ich kann mich noch sehr gut an diese Zeit erinnern. Die allermeisten Anleger machten seinerzeit einen riesen Bogen um Aktien. Wenn ich als Anlageberater Kunden zu einem Aktienportfolio riet, dann wurde ich mit großen, verwunderten Augen angesehen und regelmäßig gefragt: „Ja haben Sie nicht mitbekommen, was gerade am Aktienmarkt los ist, da kann ich doch nicht investieren.“

Schaut man sich den 10-Jahres-Chart aber an, dann möchte man fast weinen, damals nicht bzw.  nicht mehr investiert zu haben. Das sind aber, wie gesagt, Dinge, die einem – im Nachhinein – klar werden.  Und die man zu jenem Zeitpunkt bzw. im Vorhinein einfach nicht wissen kann. Wer damals vor der Frage stand, zu investieren oder nicht, kannte nicht den weiteren Kursverlauf der Aktien. Er musste eine Entscheidung in starker Unsicherheit treffen. Heute wissen wir, wie es weiterging. Die damalige Zukunft liegt sozusagen unbestreitbar vor uns, und so unterliegen wir dem Fehler zu vergessen, dass das damals nicht so war.

Wenn jemand heute Geld anzulegen hat, dann führen alle Timing-Versuche (meiner Meinung nach) definitiv in die Irre. Merkwürdigerweise erlebe ich es in meiner beruflichen Erfahrung fast ausschließlich, dass Privatanleger mit ihren Timing-Versuchen Geld verlieren. Sie wollen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht kaufen in Erwartung eines künftigen Kursverfalls, und was passiert? Die Kurse steigen und steigen.

Oder Anleger verkaufen, weil sie meinen, dass künftig die Kurse nur fallen können. Sie verkaufen also mit der Erwartung, künftig wieder günstiger einzusteigen. Und was passiert? Sie warten monatelang vergeblich darauf, dass die Kurse endlich, wie vermutet, fallen. Und steigen schließlich bei deutlich höheren Kursen wieder ein.

Zu unterschätzen ist auch nicht die psychische Belastung, der solche Anleger sich mit ihren Timing-Versuchen aussetzen. Hat man die Erwartung, dass die Kurse fallen werden, und hat daraufhin seine Wertpapiere verkauft, und dann passiert das Gegenteil, dann hat man schlaflose Nächte. Und kaum fallen die Kurse wieder, dann kommt sofort die Frage, ob das schon der Tiefpunkt war, ob man noch weiter abwarten soll.

Ich denke auch, dass viele meinen, dass man durch richtiges Timing sozusagen das Risiko von Aktien-Investments mindern könne. Wenn man sozusagen „oben“ verkauft oder eben nicht einsteigt, dann ist das Risiko eine Kursverlustes geringer. Bzw. wenn man vermeintlich „unten“ kauft, dann ist die Gewinnchance höher. Auch das ist meiner Meinung nach ein Irrtum. Man macht sich nur selbst etwas vor. Das Risiko eines Kursverlustes bzw. eines Kursanstiegs ist jederzeit gleich.

Schlimmer noch. In der Fachliteratur ziemlich eindeutig belegt ist die Tatsache, dass, je häufiger Anleger, traden, umso schlechter werden ihre Ergebnisse. Das heißt, je häufiger jemand meint, verkaufen zu müssen weil die Kurse vermeintlich „oben“ sind, und zu kaufen, weil die Kurse vermeintlichen „unten“ sind, umso schlechter mit Sicherheit langfristig sein Anlageerfolg.