Warum Computerfonds nicht besser sind

Derzeit gibt es einen neuen Trend in der Finanzbranche. Immer wieder werden neue sogenannte Computerfonds neu aufgelegt. In der Zeitschrift Euro am Sonntag (Nummer 32) konnte man auf Seite 17 lesen:

„Hinter solchen Strategien steht eine faszinierende Idee: dass die chaotischen Finanzmärkte durch mathematische Berechnungen zu bändigen sind …

Jede Information kann wichtig sein: Makroökonomische Daten wie Zinsentwicklung und Wirtschaftsleistung; Bilanz- und Bewertungskennziffern; historische Kursmuster; selbst Wetterberichte können Hinweise geben, wohin sich die Notierungen künftig bewegen. Das Ganze ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen: Wer aus dem Datenwust die richtigen Formeln herauswühlt, kann das Risiko seines Portfolios reduzieren und überdurchschnittliche Renditen erzielen.“

Was ich in jedem Fall an quantitativen Methoden gut finde, ist, dass Emotionen ausgeschaltet werden. Mit der größte Feind des Anlegers sind seine Emotionen. Kaum rutschen die Kurse, wird der eine oder andere von Panik erfasst. Legendäre Fehlentscheidungen wurden letztes Jahr unmittelbar nach der Brexit-Wahl und nach des US-Präsidentschaftswahl getroffen. Und warum ließ sich ein Anleger nach der Wahl Trumps zum Verkauf verleiten? Weil die Person Trumps bei dem Anleger emotional negativ belegt war.

Dass man aber mit mathematischen Formeln ein Chance hat, die Entwicklung an den Börsen vorwegzunehmen, das halte ich für ein unhaltbares Märchen. Direkt von naiv ist der Glaube, man müssen nur genug Daten zur Verfügung haben und die richtige Formel – und schon steht einem der Blick in die Zukunft offen. Recht betrachtet hat das stark etwas von Astrologie. Auch Astrologie ist sehr mathematisch, das ist aber noch keine Garantie für deren Richtigkeit.

Außerdem ist die Idee, mit geeigneten mathematischen Modellen die Aktienkurse in den Griff zu bekommen, sehr alt. Im wissenschaftlichen Bereich beschäftigt man sich damit schon mindestens ein halbes Jahrhundert. Man hat es mit statistischen Methoden versucht, mit Fuzzy-Logik, mit Chaostheorie, mit Extremwerttheorie, ich weiß nicht mit was alles. Meines Wissens ist bis heute nichts wirklich Handfestes dabei herausgekommen.

Die Hoffnung, mittels Mathematik einen Wissensvorsprung an der Börse zu haben, halte ich für sehr illusionär. Und immerhin bin ich selbst Mathematiker. Überhaupt ist mein Gefühl, dass, je weniger Ahnung jemand von Mathematik hat, umso eher sich jemand dazu verführen lässt, Mathematik für die Heilsbringerin bei Finanzprognosen zu halten.

Aus meiner Sicht ist klar, dass Computerfonds und deren quantitativen Modelle vor allem eines sind: ein Marketing-Instrument, um Kundengelder anzulocken. Eine Mode, wie es sie immer wieder im Finanzbereich gibt. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere: vor etwa 15 Jahren galten Hedgefonds als die große Erleuchtung. Heute redet niemand mehr davon.

Normalerweise gehen Entwickler quantitativer Modelle so vor. Es wird ein Pool von Vergangenheitsdaten hergenommen, der einige Jahre zurückreicht. Auf dieser Basis wird versucht, eine mathematische Formel zu finden, in die man als Input bestimmte Vergangenheitsdaten eingibt und dann die Aktienkurse als Output erhält. Die Formel wird so lange verbessert, bis die Vergangenheitsdaten möglichst gut die historischen Börsenverläufe modellieren.

Haben die Entwickler endlich eine solche Formel, dann sind sie zuversichtlich, sie auch auf neue Datensätze anzuwenden. Das ist dann sozusagen die Nagelprobe. Man nimmt also beispielsweise die aktuellen Wirtschaftszahlen etc., steckt sie in die Formel und sieht zu, was das Modell über die künftige Aktienkursentwicklung sagt. Wenn die Entwickler Glück haben, dann erhalten sie tatsächlich eine zutreffende Prognose. In diesem Fall ist der Jubel groß und man glaubt, wirklich ein gutes mathematisches Modell gefunden zu haben.

Oft genug stimmt die Prognose aber nicht. Dann machen sich die Entwickler wieder an die Arbeit, verbessern ihre Formel, damit jetzt auch die neuesten Datensätze das richtige Ergebnis liefern. Und dann kommt wieder der nächste Test anhand aktueller Daten. Und wieder haben die Entwickler entweder Glück oder Pech. In letzterem Fall wird die Formel einfach „weiterentwickelt“. Die Hoffnung ist, so eine immer bessere Annäherung an die „Wahrheit“ zu bekommen.

Die traurige Erkenntnis wird aber über kurz oder lang kommen: So sehr sie sich auch bemühen und immer wieder ihre Formel weiter anpassen, die Prognosegüte ihres mathematischen Modells wird jedes Mal aufs Neue nicht viel höher sein als 50%. Und dann könnte man sich diese ganze Arbeit auch sparen.

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