„Kaufe nur, was du verstehst“ – wirklich?

Warren Buffet wird der Satz zugeschrieben: „Kaufe nur, was du verstehst!“

Viele Anleger versuchen diese Maxime zu erfüllen und investieren daher mit Vorliebe:

  1. in Wertpapiere des eigenen Heimatlandes;
  2. in Branchen, die sie selbst kennen, weil sie beispielsweise ihr eigenes Geld in dieser Branche verdienen.

So neigen Deutsche dazu deutsche Aktien zu kaufen, Franzosen kaufen französische Aktien und Amerikaner kaufen eben US-Aktien. Und genauso kauft jemand, der in der Software-Branche arbeitet, sehr gerne Software-Aktien, oder ein Apotheker kauft bevorzugt Pharma-Aktien.

Ist das tatsächlich vernünftig? Oder wird hier Warren Buffets Aussage missverstanden?

Fakt ist, dass man auf diese Weise in jedem Fall sehr einseitig ausgerichtete Wertpapier-Portfolios erhält. Wer deutsche Aktien bevorzugt, nur weil er eben (zufälligerweise) selbst in Deutschland lebt, wird meilenweit von einer weltweiten Diversifikation entfernt sein. Ebenfalls wird ein z.B. auf Pharma-Aktien konzentriertes Depot (weil man als Apotheker meint, sich hierin besonders gut auszukennen) sicherlich sehr schlecht diversifiziert sein.

Sicher lag Warren Buffet Diversifikation am Herzen

Wer Buffets Regel also so versteht, wird unter Garantie das elementare Prinzip der Risikodiversifikation missachten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Warren Buffet das tatsächlich so gemeint haben könnte.

Gerade bei Branchen, in denen man selbst arbeitet, kommt noch ein weiteres Risiko hinzu. Erhalte ich nämlich meinen Lebensunterhalt beispielsweise von einem Software-Unternehmen und investiere ich all mein Erspartes auch noch in Software-Aktien, dann bin ich doppelt von dieser Branche abhängig. Geht es dieser Branche schlecht, so werde ich vielleicht weniger verdienen oder sogar arbeitslos werden – außerdem wird auch noch meine ersparten Rücklagen Verluste erleiden.

Offenbar ist es also klüger, gerade dort NICHT zu investieren, wo man selbst arbeitet. Wie dramatisch es schief gehen kann, wenn man dies nicht beachtet, zeigt die Enron-Pleite. Vor etwa 10 Jahren ging der US-Amerikanische Energiekonzern Enron vollkommen unerwaretet pleite. Viele Enron-Angestellte verloren ihre Arbeit. Die Sache wurde für viele aber dadurch noch verschlimmert, weil sie auch ihr Erspartes und ihre Altersvorsorge auf die Enron-Aktien gesetzt hatten. Neben dem Job war dann auch dieses Geld weg. Zuvor hatten sicherlich viele Enron-Angestellte gedacht, sie könnten unbeirrt Enron-Aktien kaufen, weil sie ja näher an dem Unternehmen dran sind als jeder andere und daher Enron sehr gut kennen würden. Leider letztlich eine bittere Täuschung.

Ich möchte sogar sagen, dass man gerade bei den Dingen, die einem sehr nah und vertraut zu sein scheinen, besonders leicht Täuschungen unterliegen kann.

Wie könnte man stattdessen Buffets Regel auffassen, nur in das zu investieren, was man auch versteht?

In letzter Zeit gab es Berichte darüber, welche Weisungen Buffet seiner Ehefrau gegeben hat für den Fall, dass er versterben sollte. Seine Ehefrau solle sich als Witwe vor allem ETFs kaufen. Es kann ja wohl keine Rede davon sein, dass sich Buffets Frau mit den Geschäftsmodellen alles S&P-500-Aktien auskennt. Was man aber sagen kann ist, dass ETFs für sich genommen leicht verständliche und transparente Anlageformen sind.

Es geht darum komplexe Anlageprodukte zu meiden

So verstehe ich Buffets Regel. Investiere nicht in komplizierte Strukturen, die man selbst letztlich nicht verstehen kann. Meide also beispielsweise solche Dinge wie Turbo-Zertifikate oder Express-Zertifikate oder auch komplizierter strukturierte Anleihen oder Genussrechte. Zu vermeiden sind selbstverständlich auch viele Angebote des sogenannten grauen Kapitalmarktes.

All das soll man, wie gesagt, nicht deswegen meiden, weil das dahinterliegende Geschäftsmodell nicht verständlich ist. Bei einem geschlossenen Immobilienfonds beispielsweise ist das Geschäftsmodell für die meisten mehr als klar. Nein, man soll diese Dinge meiden, weil die Strukturen solcher Anlageprodukten zu komplex und intransparent oder eben zu schwer verständlich sind.

8 Kommentare
  1. Claudius
    Claudius sagte:

    Ich verstehe Buffett Aussage ebenfalls so. Wenn man ein Unternehmen durchschaut, dann kann das das Risiko mindern. Man kann sich aber heute über Internet über Unternehmen vom anderen Ende der Welt informieren (auch wenn Buffett glaube Ich lieber auf Papier liest 😉 ).

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  2. Robert K.
    Robert K. sagte:

    Nachdem ich überall im Netz, gerade jetzt im Mai wo Berkshire Hathaway (Warren Buffets Investmentholding)
    seine Jünger In Omaha versammelt, lese was Warren Buffet und Charly Munger sagen, tun oder raten, ist es doch am einfachsten
    einfach die Akten von Berkshire Hathaway zu kaufen. Dann machen die Jungs genau
    das was sie anderen raten mit einer Perfektion, die ich nie hin bekomme, und wahrscheinlich
    viele Finanzberater auch nicht.
    Was spricht also dagegen 2 Profis zu kombinieren, Warren Buffet mit Berkhire Hathaway-Aktien
    und Andre Kostolany mit „Kaufen und schlafen gehen“?

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Nur merkwürdig, dass Warren Buffet selbst seine Frau für den Fall, dass er sterben würde, empfiehlt, NICHT die Berkshire Hathaway Aktie zu halten, sondern stattdessen in ETFs zu gehen. Und wenn mein ein ETF-Portfolio professionell aufziehen möchte, so sollte man immer wieder mal ein sogenanntes Rebalancing vornehmen. Dann ist es mit der Maxime „Kaufen und schlafen gehen“ auch noch nicht so ganz getan. Aber zumindest steht man so schon mal besser da, als die allermeisten anderen Privatanleger, die durch ständiges Umschichten meinen einen Mehrwert generieren zu können.

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  3. Thinking
    Thinking sagte:

    Kann man es auch so sehen: Berkshire ist vergleichbar mit einem internationalen Fonds, der in Aktien und Anleihen und Optionen anlegt.
    Warren Buffett ist sicher einer der besten „Fondsmanager“ der Welt. Die derzeitigen ETFs, die im EURO-Raum anlegen, werden möglicherweise durch Griechenland und später das Austritts-Referendum von Großbritannien erheblich an Wert verlieren. Dann doch besser gleich auch Berkshire in das Depot nehmen.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Naja, wenn es denn nur so leicht wäre. Es ist alles andere als klar, dass man mit Griechenland-Aktien Verluste machen wird. Und Griechenland-Aktien machen in allen Europäischen ETFs einen so einen kleinen Anteil aus, dass hier größere Verluste von Griechenland-Aktien kaum bemerkbar wären.
      Nun zu Warren Buffet. Das, was Buffet vor allem richtig macht (aus meiner Sicht), sind vor allem zwei Dinge. Erstens investiert er antizyklisch (und das würde übrigens sogar gerade für Griechenland-Aktien sprechen) und zweitens sorgt er dafür, immer eine gute Liquiditätsreserve zu haben. Beides Dinge, die normale Privatanleger fast immer falsch machen. Erstens investieren sie fast immer prozyklisch, und zweitens neigen sie dazu, wenn sie in Aktien gehen, dann mit 100% ihres Vermögens.
      Bestes Beispiel war das Jahr 2009. Erinnern wir uns. Die Bankenkrise tobte, Bankenaktien fielen ins Bodenlose. Was machte Buffet? Er stiegt im großen Stil in Banken ein. Erstens agierte er also antizyklisch. Er kaufte dann, als sich sonst niemand traute (und alle sich sehr sicher waren, dass es mit den Banken nur noch weiter runter gehen könnte, ähnlich wie jetzt viele glauben, dass es mit Griechenland nur noch weiter runtergehen könnte). Zweitens war es aber (wenn man es richtig bedenkt) erstaunlich, dass Buffet in 2009 gerade so viel flüssige Mittel hatte, um dafür in Banken einzusteigen. Die allermeisten hatten sich vor der Krise bis zum Anschlag mit Aktien eingedeckt, und als es dann nach unten ging hatten sie keinen Spielraum mehr, nachzukaufen.
      Und dieses Vorgehen: a) antizyklisch Investieren plus b) immer auf eine Liquiditätsreserve zu achten, machen wir in dem Global Strategy ETF-Dachfonds exakt genauso.

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  4. Klaus-Dieter
    Klaus-Dieter sagte:

    An der Aussage von Warren Buffet „Kaufe nur was du verstehst“ ist für den „normalen“ Privatanleger so viel Wahres dran.
    Ich würde sogar sagen, dass es für Privatanleger eine der wichtigsten Börsenweisheiten ist. Ich beobachte immer wieder, dass sich einige Anleger von ihre Gier leiten lassen und in Produkte investieren die sie nicht gut genug (oder gar nicht) verstehen. Dies sind oft Zertifikate oder „Hebelprodukte“. Es ist nicht selten zu beobachten das dort leider hohe Verluste eingefahren werden.

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  5. Dr. Jürgen Nawatzki
    Dr. Jürgen Nawatzki sagte:

    Ich verstehe den Satz von Warren Buffet auch eher so, dass die Anlageprodukte transparent und verständlich sein müssen, in die man investiert. Deshalb sollte man nie irgendwelche komplexen Derivate kaufen, bei denen der eine oder andere Fallstrick lauert. Ich persönlich bevorzuge ETFs: die sind nicht nur transparent, sondern auch noch kostengünstig und relativ pflegeleicht.

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  6. Andrea
    Andrea sagte:

    Sehr ausführlicher Artikel, es stimmt voll kommen “Kaufe nur was du verstehst” man sollte nur da investieren, wenn man die Zusammenhänge versteht. Ihre Ausführung deckt sich mit meiner Erfahrung und ETFs sind sehr transparent und pflegeleicht.

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