Die meisten Finanzberater beraten prozyklisch

Ich selbst arbeite seit vielen Jahren als Vermögensberater in München. Im Finanzbereich tätig bin ich seit 1989 und habe unter anderem in den 1990er-Jahren im Kapitalanlagebereich der Allianz AG gearbeitet. Was mir sehr häufig bei anderen Finanzberatern auffällt, ist, wie prozyklisch sie beraten. Was meine ich damit?

Damit meine ich, dass meistens das empfohlen wird, was in den letzten Monaten oder den letzten zwei, drei Jahren gut gelaufen ist. Fast schauen ausschließlich auf die unmittelbar zurückliegende Vergangenheit, die langfristige Perspektive fehlt aber so gut wie immer.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Gold …

Interessant ist, dass in den 1990er Jahr kaum ein Privatanleger oder Vermögensberater meinte, Gold sei eine vertretbare Geldanlage. Wirklich so gut wie niemand. Und warum? Weil von Anfang der 1980er Jahr bis 2000 Gold Jahr für Jahr gefallen ist. Wer 1980 Gold gekauft hatte, hatte bis 1990 einen Verlust von 40 %. Wer noch weiter daran festhielt hatte bis August 2000 einen Verlust von sage und schreibe 57 %.

Jeremy Siegel hat 1994 ein Buch veröffentlicht: „Stocks for the long Run“. Auf Seite 6 hat er vorgerechnet, was aus einem Dollar wurde, den man im Jahr 1802 (hypothetisch) a) in Gold, b) in Anleihen c) in Aktien investiert hätte. Das Ergebnis:

  • 1 Dollar, 1802 in Gold investiert, war 1992 13,40 Dollar wert
  • 1 Dollar, 1802 in Anleihen investiert, war 1992 6.620 Dollar wert
  • c) 1 Dollar, 1802 in Aktien investiert, war 1992 etwas über 3 Mio Dollar wert (!!!)

Angesichts dieser historischen Tatsachen, war  Gold lange Zeit eine ausgesprochen verachtete Anlageform. Kein ernsthafter Banker oder Finanzberater hätte damals Gold empfohlen.

Heute hat sich das Blatt gewendet. Wahrscheinlich hält heute jeder zweite Vermögensberater Gold für eine vertretbare Anlageform und empfiehlt zumindest eine Beimischung dieses Edelmetalls.

Wie ist es zu diesem Sinneswandelt gekommen?

Meiner Meinung nach hat das ausschließlich damit zu tun, dass der Goldpreis in den letzten zehn Jahren eine unglaubliche Entwicklung genommen hat. Hätte es diese Entwicklung nicht gegeben (wie eben 1980 bis 2000) dann würde auch heute niemand von Gold auch nur sprechen.

Das ist aber genau das, was ich mit „prozyklisch“ meine. Und das geschieht zum Teil, ich möchte schon sagen, auf einer direkt unterbewussten Ebene. Die Geldanlage X erscheint positiv, man denkt ernsthaft darüber nach, hier auch zu investieren. Ja und warum denkt man überhaupt darüber nach? Antwort: Weil X in den letzten paar Monaten oder Jahren eine gute Wertentwicklung hatte.

Was Gold betrifft, so habe ich eben die sehr langfristige Perspektive (siehe Jeremy Siegel oder Entwicklung seit 1980), die meisten anderen sehen nur auf die letzten 5 Jahre. Das ist der Unterschied.

Diesen Vorwurf muss ich leider den allermeisten Vermögensberatern, Finanzberatern oder Bankberatern machen: Sie empfehlen das, was gerade die letzten Jahre gut gelaufen ist. Das Rückgrat für eigene Sichtweisen hat fast keiner. So gut wie keiner hat die langfristige Perspektive. Die wenigsten haben Ahnung von der einschlägigen Fachliteratur oder von irgendwelchen Forschungsergebnissen. Behauptet wird einfach das, was gerade der Abteilungsleiter oder die Geschäftsleitung (aus Eigeninteresse) vorgibt. Anleger werden immerzu verleitet, auf einen bereits abgefahrenen Zug aufzuspringen. Wenn das dann nicht klappt, dann versucht man eben auf den nächsten.

Übrigens hat diese prozyklische Beratung nichts damit zu tun, ob jemand auf Honorarbasis berät oder auf Provisionsbasis. Ich bin ein großer Anhänger des Honorarberatungsmodells. Man darf aber nicht den Fehler machen zu glauben, dass alleine dadurch, dass ein Honorar verlangt wird, deswegen schon die Beratungsqualität besser ist. Das kann sein und ist wünschenswert, ist aber in der Praxis oft genug nicht der Fall.

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4 Kommentare
  1. E.M.
    E.M. sagte:

    Sehr geehrter Herr Petereins,

    wieder ein mal ein interessanter Artikel. Da sie hier das Gold
    ansprechen, eine Frage dazu.

    Welche Bedeutung hat Gold ihrer Meinung nach überhaupt, allgemein und in Bezug auf Geldanlagen bzw. Vermögensvverwaltung ?

    Viele Grüße
    EM

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ich glaube, dass in den letzten Jahren die Bedeutung von Gold stark überschätzt wurde. Viele meinten ja, dass eine Rückkehr zum Goldstandard Probleme lösen würde und künftige Krisen vermeiden würde. Wenn man in die Geschichte schaut wird man allerdings eines Besseren belehrt. Im 19. Jahrhundert, also der Zeit des Goldstandards (vorher gab es ja keinen Goldstandard) hatten wird ungefähr alle 10 Jahre sehr schwere Finanzkrisen. Es ist schlicht eine historische Tatsache, dass der Goldstandard keine Krisen verhindert. Im Gegenteil gibt es eher Indizien dafür, dass der Goldstandard damals Krisen sogar verschlimmert hat. Als beispielsweise Roosevelt während der Großen Depression auf Anraten eines Agrar-Professors (und entgegen des Rats vieler Ökonomen) den Goldstandard in den USA abschaffte, begann sich die US-Wirtschaft zu erholen. Das war damals der erste Schritt aus der Krise.

      Dass man Rohstoffe als Beimischung in seinem Depot haben sollte, das finde ich auch. Aber dann bitte einen weit gestreuten Rohstoff-ETF, bei dem Gold einen kleinen Anteil ausmacht.

      Wie gesagt, glaube ich nicht, dass Gold eine bessere Währung wäre im Vergleich zu dem, was wir momentan haben. Auch in Krisen- oder Kriegszeiten ist Gold keine Währung. Dafür sind schon kleine Einheiten von Gold viel zu wertvoll. In wirklichen Krisenzeiten etablieren sich solche Währungen wie Damenstrümpfe oder Zigaretten. Oder Kartoffeln. Aber nicht Gold.

      Die einzige gute Funktion, die ich Gold zubillige ist folgende: Gold ist ein gutes Wertaufbewahrungsmittel. Wenn man beispielsweise in Krisen- oder Kriegszeiten in ein anderes Land fliehen muss, dann lässt sich das Vermögen in Form von Gold mitnehmen. Oder dass man sein Vermögen als Goldschatz im Garten vergräbt und bessere Zeiten abwartet. Das sind dann aber letztlich sehr extreme Situationen.

      Antworten
  2. E.M.
    E.M. sagte:

    Vielen Dank für Ihre Antwort.

    Da sie das Thema Rohstoff ETF angesprochen habe,
    was sind da ihre Favouriten und was halten sie zum Beispiel von folgenden Rohstoff-Fonds ?
    LBBW Rohstoffe 1 I (ISIN: DE000A0MU8J9)
    LBBW Rohstoffe 2 LS I (ISIN: DE000A0X97E0)

    Schönes Wochenende
    EM

    Antworten
  3. Der Couponschneider
    Der Couponschneider sagte:

    Ich halte Gold für ein geradezu überflüssiges Investment. Und wie Herr P. bereits schrieb: Allein für Extremsituation lohnt es sich, physisch Gold zu kaufen. Am besten in Form von Schmuck. Da hat die Frau auch in normalen Zeiten etwas davon.

    Ich sehe auch das Treiben des Herrn Müller sehr kritisch, der 10 bis 20 % Gold als Beimischung empfiehlt.

    Antworten

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