Börse und Biologie

Viele Anleger glauben an die Vergangenheit. Um einen guten professionellen Geldmanager oder Vermögensverwalter zu finden, sollte man sich am besten ansehen, wie er in der Vergangenheit gewirtschaftet hat. Hat er es gut gemacht, kommt er in die engere Auswahl. So glauben es viele.

Vor ein paar Tagen habe ich ein Interview in der Süddeutschen Zeitung gelesen mit John Coates. Er war erfolgreicher Börsenhändler, bis er in die Forschung wechselte. Das Interessante bei dem Interview war, meiner Meinung nach, dass es den vergangenen Erfolg als Auswahlkritierum als sehr fragwürdig erscheinen lässt

Nachfolgend ein paar Zitate aus diesem Interview (SZ vom Freitag, 20. Juli, S. 26)…

Was fanden Sie heraus?

Die Biologie des menschlichen Körpers reagiert über. Es ist wie bei Haien: Wenn die Chanchen zu groß sind, wenn zu viel Beute im Wasser ist, werden sie verrückt. Wir beobachten einen Effekt aus dem Tierreich: Wenn ein Tier einen Kampf mit einem Rivalen gewinnt, steigt sein Testosteron-Spiegel, beim Verlierer sinkt er. Jeder Sieg erhöht also die Wahrscheinlichkeit, beim nächsten Mal zu siegen. Das ist wie Selbstdoping.

Und was ist dabei schlimm?

Nach zu vielen Siegen steigt das Testosteron zu hoch. die Tiere vertrauen sich zu sehr, sie verlassen zu leicht die Deckung, nehmen sich ein zu großes Gebiet vor. Sie verlieren alles, oft sterben sie.

Was hat das mit Börsenhändlern zu tun?

Da messen wir bei Probanden an der Londoner Börse dieselbe Steigerung des Testosterons. Wenn sie zu viel gewonnen haben, riskieren sie viel zu viel, verführt auch durch die hohen Boni. Und dann verlieren sie alles. Sie verlieren viel mehr, als sie vorher gewannen. Viele Fälle, bei denen es riesige Börsenverlsute gegeben hat, folgen genau diesem Schema.

Die Banken verschärfen das Problem noch. Wenn ein Händler gewonnen hat, erhöhen sie seine Risikolimits.

Was schlagen Sie vor, um dieses Turbo-Trading zu stoppen?

Die Banken müssten Händler nach einigen Erfolgen für eine Weile aus dem Verkehr ziehen, damit ihr Testosteronspiegel moderat bleibt.

Die Überreaktion der Biologie bei den Männern findet nicht nur während der Finanzblase statt, sondern auch in der Baisse, wenn die Blase geplatzt ist.

Wie soll das gehen?

Wenn jemand unter extremen Stress leidet, startet der Körper ein Notprogramm … Jetzt stellen Sie sich vor, dass Börsenhändler über Jahre unter exteremen Stress leiden, Eine Entscheidung … kann dramatische Konsequenzen auslösen. Ungewissheit erzeugt Stress. Die Börsenschwankungen erzuegen Stress.

Und dann?

Die Folge ist, dass die Händler auch in Baissezeiten irrational handeln. Aber ander als im Boom. In der Absturzphase gehen sie nicht zu viele Risiken ein, sondern zu wenige. Sie werden völlig risikoavers …

Puh. Das heißt: Die Biologie pumpt die Blase auf, und sie verschlimmer den Crash?

Genau.“

Versteht man John Coates richtig, so warnt er sogar letztlich vor Geldmanagern, die eine Zeitlang zu viel Erfolg hatten. Das Problem ist, sie werden übermütig, gehen zu hohe Risiken ein. Weil sie sich selbst für unfehlbar halten. Und dann wird es gefährlich. Denn schneller als man schaut, haben sich die schönen Gewinne in Verluste verwandelt.

Man kann es immer wieder beobachten: Anleger, die vor allem auf Geldmanager setzen, die ein paar Jahre lang erfolgreich waren, werden immer wieder enttäuscht. Und kommen nicht auf den grünen Zweig.

Die richtige Konsequenz ist, dass man vergangene Erfolge gar nicht als Kritierium heranzieht. Es ist einfach zu unzuverlässig. Regelmäig wird nämlich der Faktor Glück und Zufall unterschätzt. Das wäre in etwa so, als würde man jemanden, der drei Mal hintereinander eine 6 gewürfelt hat, zutrauen, noch weitere drei Mal eine 6 zu würfeln. Das knn zwar sein. Aber die eben geworfenen 6er sind kein Indiz auf künftige gute Würfelergebnisse.

Was sind stattdessen gute Kriteren?

Meine Antwort lautet: a) Die Gebühren sollten möglichst gering sein. Und b) eine gute Risikomanagment-Strategie sollte möglichst quantitativ festgelegt sein. So, dass Emotionen möglichst keine Rolle spielen. Schwer genug, kann ich nur sagen.

5 Kommentare
  1. Simon
    Simon sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr. Dr. Perterreins,
    ich bin Ihrer Meinung wenn Sie sagen „Die richtige Konsequenz ist, dass man vergangene Erfolge gar nicht als Kritierium heranzieht. Es ist einfach zu unzuverlässig. Regelmäig wird nämlich der Faktor Glück und Zufall unterschätzt.“ und kommuniziere dies auch in meinem Freundeskreis.
    Jetzt kam aus gegebenen Anlasse – Olympia – eine Diskussion zustande. Aufgrund vergangender Erfolge bei Sportlern (z.B. Tour de France und Armstong) oder Boxen, oder Sprinten…verhält es sich anders. Vergangene Erfolge sind ein Indikator für zukünftige.

    Viele Grüße
    Simon

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Sehr geehrter „Simon“,
      die Aussage, dass vergangene Erfolge kein Indiz für künftige Erfolge sind, ist natürlich nicht allgemeingültig. Es gibt Bereich, bei denen diese Aussage stimmt, und solche, bei denen sie nicht stimmt.

      Beispiele, bei denen diese Aussage, meiner Meinung nach, größtenteils stimmt:
      * Sport
      * musische oder künstlerische Leistungen
      * bei Handwerkern (einem Handwerker, der gute Dinge vollbracht hat, traut man das auch für die Zukunft eher zu)

      Beispiele, bei denen diese Aussage, meiner Meinung nach, größtenteils nicht stimmt:
      * Glücksspiel (wer einmal beim Glücksspiel Glück hatte, muss es es nicht immer haben)
      * Leitung eines großen Unternehmens
      * Management eines Fonds / Geldanlage allgemein

      Der Unterschied besteht darin, wie sehr der Erfolg entweder
      a) von Können oder
      b) von Glück und Zufall
      abhängt.

      Natürlich gibt es hier Vermischungen. Beispielsweise hängt der Ausgang eines Fußballspiels natürlich in erster Linie von dem Können der jeweiligen Mannschaften ab, aber Glück und Zufall spielt eben auch eine gewisse Rolle.

      Umgekehrt wird ein komplett unfähiger Firmenmanager höchstwahrscheinlich auch eine Firma gegen die Wand fahren. Dennoch hängt der Erfolg auch eines sehr fähigen Firmenmanagers zu einem viel größerem Teil von Glück und Zufall ab, als viele Menschen glauben. Sie dazu das Buch von Phil Rosenzweig: Der Halo-Effekt.

      Auch als Fondsmanager kann man grundlegende Prinzipien missachten und durch pure Unfähigkeit viel Geld vernichten. Erstaunlich aber ist, dass nicht selten außerordentlich unfähige Fondsmanager über eine gewisse Zeitlang recht erfolgreich sind. Siehe hierzu das Buch von Nassim Taleb: „Narren des Zufalls“. Und umgekehrt, können fachlich sehr versierte Fondsmanager bemerkenswert oft daneben liegen. Und selbst wenn ein fachlich gut ausgebildeter Fondsmanager über viele Jahre Glück hatte, so ist das kein Indiz dafür, dass er auch in der Zukunft Glück haben wird. Das ist in etwa so, als würde man bei jemanden, der drei Mal hintereinander eine Sechs gewürfelt hat, glauben dass er „Zauberhände“ hat und deswegen auch weiterhin nur Sechser würfeln wird. Tatsächlich spricht man ja auch vermeintlichen „Aktiengurus“ so etwas wie hellseherische Fähigkeiten oder zumindest ein gutes „Bauchgefühl“ zu – alles Dinge, die natürlich eher im mystischen oder esoterischen Bereich anzusiedeln sind.

      Auf der anderen Seite denke ich durchaus, dass es so etwas wie ein gutes Handwerk des Vermögensverwaltens gibt. Und dieses gute Handwerk besteht in erster Linie im Risikomanagement. Gutes Risikomanagement kann aber leider Verluste nicht vermeiden. Genausowenig wie die Feuerwehr durchgängig Feuer vermeiden kann, es geht nur darum, im Falle des Falles die richtigen Dinge schnell zu tun. Und das kann man mehr oder weniger gut. Ähnlich ist es im Bereich der Vermögensverwaltung oder des Fondsmanagements.

      Risikomanagement ist das, was ein Fondsmanager tun kann und selbst im Griff hat. Das Problem ist, dass sich alle Welt auf etwas beim Geldanlegen konzentriert, was kein Mensch im Griff haben kann: nämlich Prognosen. Um es mal so zu sagen: Die Prognosefähigkeit von jedem einzelnen Menschen mit Bezug auf die Kapitalmärkte (darüber gibt es genügend wissenschaftliche Studien) geht etwa gegen Null. Lustigerweise ist das aber exakt die eigene Prognosefähigkeit mit bezug auf die Kapitalmärkte, bei der sich viele Privatanleger und noch mehr sog. Profis permanent selbst überschätzen.

      Kapitalmarktprognosen – das ist exakt der Bereich von Glück und Zufall. Man hat mal recht (juhu!) und dann liegt man mal wieder falsch. Und wenn man ehrlich zu sich ist (was die meisten nicht sind), dann ist das Verhältnis in etwa bei 50%/50%. Wie beim Münzwurf. Hier ist aber nichts zu können und dementsprechend langfristig nichts zu gewinnen.

      Wo aber etwas, wie gesagt, zu können ist, ist beim Risikomanagement. Das vernachlässigen aber fast alle Privatanleger und schätzungsweise 90% der sog. Profis.

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  2. Fritz
    Fritz sagte:

    Ich kann mich anschließen. Sehr schöner Kommentar.

    Eine gute Strategie ist meiner Meinung nach auch das A und O.
    Nur es gibt auch ausnahmen, der Vermögensbildungsfond I zB. ist seit Jahren mehr oder minder total erfolgreich. Und ich meine auch mal einen Artikel gelesen zu haben.. Das ist ein noch ziemlich junger Mann der da die Strippen zieht.
    Es muss also nicht immer schief gehen! 😉

    Beste Grüße
    Fritz

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      A sagt: Wer drei Mal die Sechs würfelt hat keine Garantie dafür, dass die Sechs auch noch beim vierten oder fünften Mal kommt.
      B sagt: Ich habe mal einen getroffen, der hat aber tatsächlich fünf Mal hintereinander die Sechs gewürfelt.
      A: Naja, dann lag er eben beim sechsten Mal daneben, oder?

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