Gute Vermögensberatung ist leidenschaftlich und fair

Ich lese gerade das Buch „Obliquity: Die Kunst des Umwegs oder Wie man am besten sein Ziel erreicht“ von John Kay. Ich finde dieses Buch sehr interessant und lehrreich. John Kay beschreibt zwei Arten der Zielerreichung:

  1. den direkten Ansatz,
  2. den indirekten Ansatz.

John Kay bringt Beispiele für diese beiden Ansätze aus vielen Lebensbereichen und kommt zu dem Schluss: das indirekte Vorgehen ist fast immer besser als das direkte Vorgehen. Nachfolgend gebe ich eine Übersicht über Kays Ideen und schildere, was das für die Finanzberatung bedeutet …

Idee der Obliquity

Im 20. Jahrhundert gab es viele Menschen, die an die Planbarkeit glaubten. Stadtteile wurden am Reißbretttisch nach rationalen Kriterien geplant und gebaut. Die sozialistsichen Staaten des Ostblocks versuchten ihre Wirtschaft zu planen. Gewinnorientere Unternehmen versuchten und versuchen noch immer durch Planung und Vorgabe von Zielen ihre Mitarbeiter auf Kurs zu halten. Methoden zur rational-systmatischen Entscheidungsfindung (zurückgehend auf Benjamin Franklin). Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Das Ergebnis waren:

  • Hochhauswüsten, in denen niemand leben will.
  • Die sozialistische Mangel-Wirtschaft.
  • Unternehmen, mit denen sich niemand identifizieren kann.
  • Rationale Methoden der Entscheidungsfindung, die sich zwar in der Theorie gut anhören, in der Praxis aber niemals umgesetzt werden.

John Kay bezieht sich auf derartige Beispiele, um seine These der „Obliquity“ zu untermauern: Indirekt kommt man häufig besser ans Ziel.  „Wie man komplexe Absichten verwirklicht und Ziele auf Umwegen erreicht“ (S. 14). Er schreibt ferner:

„Indirekte Ansätze berücksichtigen, dass komplexe Absichten oft ungenau definiert sind und zahlreiche Elemente beinhalten, die nicht oder nicht klar ersichtlich miteinander kompatibel sind.“

Nach Kay sind viele modern-rationale Vorgehensweisen direkt. Solche Ansätze können dann erfolgreich sein, wenn das Problem klar umrissen und nicht zu komplex ist. Beispielsweise bei einfachen Strategie-Spielen (aber selbst Schach ist schon zu komplex).  Oder bei der Lösung einfacher Optimierungsaufgaben. In der Realität sind aber die meisten Probleme so komplex, dass direkte Lösungsmethoden zu schlechteren Ergebnissen führen als indirekte Lösungsmethoden. Direkte Methoden sind rational und planvoll, während indirekte Methoden über Umwegen und manchmal etwas chaotisch ihr Ziel zu erreichen versuchen.

Hier ein paar Beispiele:

 

Beispiele von Unternehmen

Ein Kapitel in Kays Buch lautet „Paradoxes Profitstreben – Warum die profitabelsten Unternehmen nicht die am beisten profitorientierten sind“. Dort erzählt er unter anderem die Geschichte des britischen Chemiriesen Imperial Chemical Industries (ICI). Lange Zeit war es das erklärte Ziel von ICI, Chemie innovativ und verantwortungsvoll einzusetzen. Und während dieser Zeit wuchs ICI zu einem der erfolgreichsten britischen Unternehmen.

Ende der 1990-er Jahre verkündete  ICI jedoch eine neue Unternehmensstrategie. Nicht mehr die Chemie stand im Vordergrund, sondern die „Wertschöpfung für Kunden und Anteilseigner“. Prompt ging es ab dann abwärts. Von 1997 bis 2007 fiel der ICI-Aktienkurs kontinuierlich, bis das Unternehmen schließlich seine Eigenständigkeit verlor.

Ein anderes Beispiel ist Boeing. John Kay schreibt ab S. 32:

„Von 1945 bis 1968 war Bill Allen Geschäftsführer des Unternehmens. Seine Philosophie und die seiner Mitarbeiter [war] … ’sich mit haut und Haaren der Welt des Flugzeugbaus verschreiben‘. … Anfang der 1990er Jahre hatte Boeing eine nahezu marktbeherrschende Stellung der weltweiten zivilen Luftfahrt erlangt. Boeing hatte sich zum wirtschaftlich erfolgreichsten Flugzeugbauer entwickelt und dieses Ziel nciht durch vordergründige Profitgier erreicht, sondern durch die Leidenschaft für Flugzeuge . Diese auf indirektem Weg erzielte Rentabilität führte zu eindrucksvollen Ergebnissen …“

Doch dann kam ein neuer Geschäftsführer, Phil Condit. Er änderte die Unternehmensphilosophie und stellte Kapitalrentabilität und Aktienrenditen in den Vordergrund. Das Ergebnis ist, dass Boeing seine Marktführerschaft gegenüber Airbus verlor und sich außerdem in eine Reihe von Skandalen verwickelte.

John Kay schildert noch andere Beispiele von Unternehmen, die so lange erfolgreich waren wie sie für ihr Produkt bzw. ihre Dienstleistung „brannten“.  Diese Unternehmen waren erfolgreich und profitabel, ohne dass sie Erfolg und Profit explizit zum Ziel hatten. Kaum jedoch veränderten diese Unternehmen ihre Unternehmensstrategie und machten Erfolg und Profit zu direkten Unternehmenszielen, rutschten sie ab.

Gute Vermögensberatung ist leidenschaftlich und fair

So weit John Kay. Ich habe seine These einmal auf Finanzdienstleister übertragen. Das Ergebnis ist klar: Vermögensberater, die in erster Linie ihren eigenen Profit im Auge haben, sind sicher schlecht. Meiner Meinung ist es auch ziemlich offensichtlich, dass eine solche Vermögensberatung langfristig auch nicht erfolgreich sein kann. Es werden zwar kurzfristig Gewinne erzielt, langfristig hinterlässt ein solcher Berater aber verbrannte Erde. Sein Geschäftsmodell ist nicht langfristig asugerichtet.

Ein guter Vermögensberater hingegen übt seinen Beruf mit Leidenschaft und Begeisterung aus. Ihm geht es darum, seine Kunden gut und fair zu beraten. Das steht im Vordergrund. Dass er auch etwas dabei verdient, ist sekundär. Für mich ist es offensichtlich, dass ein solcher indirekter Weg (im Sinne John Kays) gerade auch bei Finanzdienstleistern der einzige auf lange Sicht erfolgreiche Weg ist.

2 Kommentare
  1. Bankster
    Bankster sagte:

    Vielen Dank für den Beitrag, Sie sprechen mir mit dem letzten Absatz aus der Seele. Leider ist eine solche Philosophie in Banken fast aussichtslos. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, dass es in Zukunft mehr nachhaltige Anlageberatung gibt.

    Antworten
  2. Jule Hans
    Jule Hans sagte:

    Wirklich sehr schöner und ausführlicher Beitrag. Das macht auf jeden Fall Lust auf das Buch. Es wäre schön, wenn alle Finanzberater ihre Beratung leidenschaftlich und fair gestalten würden. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass das eher die Ausnahme ist. Lange Jahre war ich Kunde meiner Hausbank. Unter den internen Verkaufsvorgaben litt jedoch zunehmend die Qualität der Beratung und damit auch meine Zufreidenheit. Im Internet bin ich dann auf ein Portal gestoßen, dass einem dabei hilft den Wunschberater zu finden. Das tolle daran ist, dass auch die Kundenbewertungen berücksichtigt werden, die mir bei meiner Wahl sehr geholfen haben. Ich würde mir wünschen, dass mehr Finanzberater das Buch von John Kay lesen.

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