Was Nassim Talebs John alles falsch gemacht hat
In meinem letzten Beitrag habe ich die Geschichte des Asset-Managers John aus dem Buch „Narren des Zufalls“ zitiert (S. 135 ff). Für Nassim Taleb ist John ein Beispiel für einen „Narren des Zufalls“. John war mit einer bestimmten Anlagestrategie über sieben Jahre hinweg sehr erfolgreich. Er war so erfolgreich, dass er über die Jahre insgesamt16 Mio. USD verdiente. Von diesem Verdienst investierte er 14 Mio USD in diejenigen Geschäfte, die er auf für seinen Arbeitgeber tätigte.
Doch mit einem Male liefen die Dinge ganz anders als erwartet. Der Verlust für seinen Arbeitgeber belief sich innerhalb von sieben Tagen auf 600 Mio USD, so dass er fristlos gekündigt wurde. Da er aber auch privat auf dieselben Geschäfte setzte, war auch sein privates Vermögen von 14 Mio USD futsch.
Ich habe ja ein Buch geschrieben mit dem Titel „Grundsätze soliden Investierens„. Darin stelle ich eine Reihe von Grundsätzen auf, die – meiner Meinung nach – geeignet sind, die gröbsten Fehler bei der Geldanlage zu vermeiden. Intuitiv hat, denke ich, fast jeder das Gefühl, dass John eine ganze Reihe von Dingen falsch gemacht hat. Nachfolgend zeige ich, gegen welche meiner Grundsätze John verstoßen hat. Bzw. was John hätte vermeiden können, wenn er damals mein Buch zu Rate hätte ziehen können …
Grundsatz 1: Überlegen Sie sich, welche Ziele Sie mit Ihrer Geldanlage verfolgen
John hat diesen Grundsatz offenbar nicht verfolgt. Denn hätte er über seine Anlageziele vernünftig nachgedacht, dann wären ihm sicherlich solche Dinge gekommen wie Vermögensaufbau fürs Alter oder ähnliches.
Viele Anleger begehen den Fehler, nicht hinreichend darüber nachzudenken, was sie mit ihrem Vermögen letztlich erreichen wollen. Stattdessen streben viele Anleger einfach nur an, möglichst viel Rendite zu erzielen. Nur kann man fragen: Möglichst viel Rendite wozu? Worin besteht der Sinn, möglichst viel Rendite erzielen zu wollen?
Eine hohe Rendite an und für sich ist kein Anlageziel. Es geht immer darum, wozu man eine bestimmte Rendite braucht. Erst dann gelangt man zum eigentlichen Anlageziel.
Grundsatz 2: Minimieren Sie Ihr Risiko!
Offensichtlich hat John gegen diesen Grundsatz verstoßen. Hätte John über sein Anlageziel nachgedacht, dann wäre ihm wahrscheinlich gekommen, dass er mit einem erreichten Vermögen von 16 Mio USD ganz einfach schon sein Ziel erreicht hat. Denn bei 16 Mio USD hätte er bis zu seinem 90. Lebensjahr jeden Monat 20.000 USD entnehmen können, und er hätte mit 90 immer noch über 4,5 Mio USD gehabt.
Eigentlich hätte John absolut risikominimiert sein Geld als Festgeld oder Tagesgeld anlegen können. Denn wer sein Ziel schon erreicht hat, kann, wenn er Risiken eingeht, nichts weiter erreichen, wohl aber alles verlieren. So geschehen bei John.
3. Grundsatz: Der unsachgemäße Umgang mit Vergangenheitsdaten ist wertlos, häufig sogar gefährlich
Das war genau das Thema in meinem letzten Beitrag. John hatte eine über Jahre hinweg erfolgreiche Anlagestrategie und meinte, dass das, was in der Vergangenheit klappte, auch in Zukunft funktionieren müsse. Nach statistischen Auswertungen vergangener Marktdaten war das Ereignis, das John das Genick brach, so unwahrscheinlich, dass es höchstens einmal in einer Million Jahre hätte vorkommen dürfen.
Hätte John mein Buch gelesen, dann hätte er gewusst, dass statistische Analysen vergangener Marktdaten keine verlässliche Basis für zukünftige Entwicklungen sind.
Grundsatz 7. Diversifizieren Sie Ihr Vermögen!
John hat offenbar nicht an den elementaren Grundsatz der Risikostreuung gedacht. In meinem Buch habe ich geschrieben, dass es ein Gebot der Diversifikation ist, sein Geld so anzulegen, dass möglichst keine Korrelation zum eignen Arbeitseinkommen besteht.
Ein Software-Experte beispielsweise investiert, wenn er klug ist, gerade nicht in Software-Aktien. Denn wenn diese Branche kränkelt, dann muss er erstens um seinen Job bangen und zweitens werden seine Aktien schlecht laufen.
John hätte auf keinen Fall in dieselben Geschäfte privat investieren dürfen, die er für seinen Arbeitgeber professionell ausübte. Ein sehr, sehr schwerer Fehler.
Grundsatz 9. Risikomanagement
Als es mit den Verlusten in Johns Portfolio losging, ignorierte John das sich abzeichnende Unheil. Stattdessen glaubte er, dass die vermeintlich verrückt spielenden Märkte sich irgenwann wieder normalisieren würden. Er hielt beharrlich an seiner Position fest. (Viele Bankberater haben sich in der aktuellen Finanzkrise nicht anders verhalten.) Ein Risikomanagement im Sinne von Stop-Loss-Limits hätte ihn gerettet.
Nassim Taleb beschreibt auch in seinem Buch „Narren des Zufalls“ als eines der typischen Merkmale eines Narren des Zufalls im Börsenumfeld (S. 341):
„Keine klare, im Voraus definierte Strategie, wie sie [die Narren des Zufalls] sich im Falle eines Verlustes verhalten sollen. Sie waren sich einer solchen Möglichkeit einfach nicht bewusst …“
sowie:
„Fehlendes kritisches Denken, erkennbar an der mangelnden Anpassung ihrer Einstellung durch Setzen von ‚Stop-Loss-Marken‘. Durchschnittliche Händler verkaufen nichtz gern, wenn ’noch mehr Wert drinsteckt‘. Sie überlegen sich nicht, dass möglicherweise ihre Methode der Wertbestimmung falsch ist, sondern glauben vielmehr, die Börse müsse sich an ihrem Wertmaßstab anpassen …“
Beide Punkte, die Nassim Taleb nennt, würde ich so zusammenfassen, dass Narren des Zufalls nicht hinreichend über ein geeignetes Risikomanagment nachdenken. Genau das fordere ich in meinerm neunten Grundsatz soliden Investierens.
Übrigens ist ein starker Hinderungsgrund für ein gutes Risikomanagement genau der Glaube, dass die Zukunft sich in etwa wie die Vergangenheit verhalten wird.
Ein Hausbesitzer könnte z.B. sagen. „Ich brauche keinen Feuerlöscher in meinem Haus. Ich wohne schon seit 30 Jahren hier und es hat noch nie eine gefährliche Situation gegeben, die zu einem Brand in meinem Haus hätte führen können.“
Gutes Risikomanagement vertraut eben gerade nicht auf eine lange Zeitreihe vergangener Daten, sondern denkt über das nach, was den meisten vielleicht als extrem unwahrscheinlich vorkommt. Mein Gefühl ist, dass eine sehr große Anzahl professioneller und nicht-professioneller Anleger sich nicht genug Gedanken um ein geeignetes Risikomanagement machen. Gerade Vergangenheitsdaten sind sehr geeignet, dass man sich in trügerischer Sicherheit wähnt.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf George Soros hinweisen. In dessen Biografie, geschrieben von Robert Slater, wird er folgendermaßen zitiert (S. 86):
“Die Menschen sind ganz einfach auf dem Holzweg, wenn sie denken, ich sei unfehlbar. Denn wie jeder andere auch … mache ich Fehler. Worin ich aber durchaus besser bin als die breite Masse, ist das das Erkennen meiner Fehler … Das ist der Schlüssel zu meinem Erfolg.“
Das ist interessant. George Soros sagt hier nämlich, dass sein eigentlicher Schlüssel zum Erfolg ein gutes Risikomanagement ist.
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