Wer ist schuld an der Finanzkrise?

Ein Leser dieses Blogs hat mich auf einen SpiegelOnline-Artikel aufmerksam gemacht: „Hall of Shame der Finanzkrise„. Darin geht es um den 633 Seiten starken Abschlussbericht der US-Kommission zur Untersuchung der Finanzkrise (FCIC). Diese Kommission hat 700 Zeugen befragt und Unmengen an Dokumenten ausgewertet, um diejenigen auszumachen, die für die Finanzkrise mitverantwortlich sind.

Ich selbst habe vor einiger Zeit einen Erklärungsversuch für die Finanzkrise gegeben (Link dorthin), sowie eine zusammenfassende Chronologie der Ereigenisse (Link dorthin). Nachfolgend ein paar Bemerkungen zu dem SpiegelOnline-Artikel…

Subprime-Kredite waren politisch erwünscht

Der FCIC-Report sieht eine Mitschuld bei den US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush. Beide sahen es als politisches Ziel an, ärmeren Bevölkerungsgruppen zu Wohneigentum zu verhelfen. Heute im Nachhinein wissen wir, dass auf diese Weise Leute zum Kauf von Immobilien auf Kredit motiviert wurden, die es sich eigentlich nicht leisten konnten.

In diesem Zusammenhang ist wohl auch zu sehen, dass alle Aufsichtsbehörden (einschließlich die FED unter Alan Greespan) es versäumten, aktiv gegen die Exzesse im subprime-Kreditemarkt vorzugehen. Warum hätte man das auch tun sollen, wenn subprime-Kredite doch gerade politisch hochgradit erwünscht waren?

In diesem Zusammenhang mach auch der Finanzminister unter Bush keine gute Figur. Denn zuvor war Paulson acht Jahre lang Chef von Goldman Sachs, eine Bank die massiv an der Verbriefung von US-Hypotheken verdiente.

Verbriefung von US-Hypotheken zu sog. CDOs

US-Immobilienkredite wurden massenhaft zu Wertpapieren zusammengefasst, beispielsweise in sog. Mortgage-Backed Securities und in Collaterized Debt Obligations, die dann Abnehmer überall in der Welt fanden. So konnte das Problem um die subprime-Kredite erst zu einer globalen Finanzkrise werden.

Im SpiegelOnline heißt es süffisant: „Die Rechenmodelle dieser ‚CDO-Maschine‘ hätten sich … als ‚tragisch faslch‘ entpuppt.“ Der FCIC-Report listet sehr genau auf, wer alles an dieser Verbriefungsmaschinerie verdiente:

  • Vorneweg die Deutsche Bank
  • Die Citigroup (mit Charles Prince als Chef)
  • Goldman Sachs (hier neben Henry Paulson vor allem acuh Lloyd Blanfein)
  • Der Versicherhungskonzern AIG.
  • Der Hedgefondsmanager Ralph Cioffi.

Welche Denkweise übrigens hinter der Kosntruktion von CDOs verbirgt und wo hier genau der Haken ist, habe ich in diesem Blog-Beitrag erörtert.

Die Mitschuld der Rating-Agenturen

Auch die Rating-Agenturen tragen, dem FCIC-Report gemäß, eine gehörige Mitschuld.  „Ohne deren ‚Gütesiegel‘ hätte die fatale ‚CDO-Maschine‘ nie funktioniert“, schreibt SpiegelOnline. Und weiter: „Erst Edne 2006 habe [die Rating-Agentur Moody’s] ein Modell für den Subprime-Markt entwickelt – habe aber schon zuvor fast 19.000 Subprime-Produkte bewertet. Zwei Jahre später habe die Agentur 73 Prozen ihrer AAA-Ratings für Subprime-Wertpapiere zu ‚Junk‘ herabgestuft.“

In diesem Zusammenhang hat sich auch der Starinvestor Warren Buffet nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Denn seine Investmentfirma Berkshire Hathaway war bis 2009 der größte Einzelaktionär von Moody’s. SpiegelOnline schreibt: „Trotzdem habe er nichts über die inneren Vorgägne bie Moody’s gewusst … ‚Ich hatte keine Ahnung‘, zitiert die FCIC ihn. ‚Ich bin nie bei Moody’s gewesen, ich weiß nicht mal, wo sie ihren Firmensitz haben.'“

Was ich selbst inzwischen dazugelernt habe

Als ich in 2009 über die Finanzkrise schrieb, war mir die Bedeutung der Deregulierung in den Jahren vor der Finanzkrise noch nicht so klar. Insbesondere aber durch das Buch von Kenneth Rogoff  „Dieses Mal ist alles anders. Acht Jahrhunderte Finanzkrisen“ habe hier etwas dazugelernt. Rogoff legt nämlich anhand zahlreicher historischer Beispiele dar, dassDeregulierungsphasen in der Geschichte häufig schweren Finanzkrisen vorausgingen.

Auch vor der aktuellen Finanzkrse betrieb die amerikanische Fed unter Alan Greenspan bereits in der Amtszeit von Bill Clinton eine Deregulierungspolitik. Darauf weist der FCIC-Report hin.

Was mir fehlt am FCIC-Report fehlt

Der FCIC_Reprot benennt eine Reihe von Schuldigen oder zumindest Mitverantwortlichen. Das Resümee ist: „Diese Krise kam durch menschliche Taten und Tatenlosigkeit zustand und nicht durch Mutter Natur oder verrückt spielende Computermodelle“.

Das ist sicherlich wahr. Und dennoch darf man einen Aspekt nicht vergessen, der sozusagen in der Natur dem menschlichen Seele begründet liegt. Der US-Immobilienmarkt hat in den Jahren 1995 bis 2004 eine jährliche Wertsteigerung von 10% gehabt. Jedes Jahr +10% Rendite, und das über fast 10 Jahre hinweg. Da ist es nur allzumenschlich, daran zu glauben, dass es mit ähnlich hohe Wertsteigerungen weitergeht. Interessanterweise ging es erst ab 2004 so richtig mit dem subprime-Kreditmarkt los, der vorher ein unbedeutendes Schattendasein fristete.

Diesen (unzulässigen) Schluss von der Vergangenheit auf die Zukunft machen die meisten Anleger ständig. Beispiel Gold: Seit ein paar Jahren hat sich der Goldpreis sehr gut entwickelt und mit einam Male meint eine Vielzahl von Menschen, dass man beim Gold nichts falsch machen könne. Gold könne nur steigen.

Oder damals während der Internet-Blase: Ein paar Jahre hintereinander legten Internet- und Neue-Markt-Aktien Traumrenditen hin, und natürlich meinten dann sehr viele Anleger, dass das unbegrenzt so weitergehen müsse.

Oder wie wählen sich die meisten Anleger ihre Fonds aus: Indem sie schauen, wie so die vergangene Performance war. Als ob das eine Aussage erlauben würde über küfntige Wertentwicklungen.

Überall, wenn es um Geldanlage geht, machen die Leute denselbsen Fehler: Sie schließen von der Vergangenheit auf die Zukunft. Das ist – leider – nur allzumenschlich. Und dieser Fehlschluss, der wohl in unserer menschlichen Natur begründet ist, ist sicherlich zu einem Großteil auch mitschuld an der Finanzkrise.

2 Kommentare
  1. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Hinweis auf eine Buchrezension:

    Ian Bremmer: „Das Ende des freien Marktes. Der ungleiche Kampf zwischen Staatsunternehmen und Privatwirtschaft“.
    Von Tom Goeller
    Chinas kommunistische Partei gibt den USA und der EU gerne Mal Nachhilfe, wie sie ihre Schuldenkrise meistern könnten. Der US-amerikanische Politologe Ian Bremmer ist der provokanten Frage nachgegangen, ob der autoritäre und zentralisierte Führungsstil Chinas sich als Systemvorteil erweist.

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1587243/

    Antworten
  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Gruß eines freundlichen Mücheners von nebenan:

    Die sogenannte Finanzkrise – Systemversagen oder global organisierte Kriminalität?
    Bernd Schünemann (Hrsg)
    März 2010)

    Antworten

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