Mikrokredite – mal lobenswert mal tadelnswert

Vor etwa zwei Jahren – die Finanzkrise tobte gerade – wurde eine ganz neue Anlageklasse angepriesen: Mikrokredite an die Ärmsten in Entwicklungsländer. Diese Idee, mittels Kleinstkrediten den Ärmsten der Armen zu helfen, geht zurück auf den Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus aus Bangladesch. In den 1970er-Jahren begann er damit und gründete die Garmeen-Bank. Immerhin bekam Muhammad Yunus dafür im Jahre 2006 den Friedensnobelpreis.

Noch vor zwei Jahren wurden Mikrokredit-Finanzierungen angepriesen. Man könne hier Gewinne mit einem guten Gewissen erzielen. Damals schon machte ich darauf aufmerksam, dass sich die Stimmung hier sehr schnell umkehren kann. Aus den „guten“ Kreditgebern, die Kredite geben, um den Ärmsten zu helfen, werden sehr schnell „böse“ Kredithaie, die ihre Geschäfte mit den Ärmsten der Armen machen.  Inzwsichen scheint dieser Umschlag der Gefühle tatsächlich stattgefunden zu haben – zu meiner eigenen Überraschung früher als gedacht …

Das Konzept der Mikrofinanzierungen

Kurz zusammengefasst lässt sich das Konzept der Mikrofinzierungen so beschreiben:

Arme benötigen immer wieder für ihre geschäftliche Selbständigkeit Kapital, sei es um ein Geschäft zu gründen oder weiterzuentwickeln. Bei herkömmlichen Banken gelten diese Armen als nicht kreditwürdig, da sie keine Sicherheiten bieten können. Außerdem sind diese Beträge viel zu klein, beispielsweise nur 50 Euro,  als dass sich eine herkömmliche Bank gerne darum kümmern würde.

Der Effekt ist dann zumeist, dass solche Ärmsten in die Fänge von Kredithaien geraten. Um dem entgegenzutreten, erhalten diese Armen von einer Bank wie der Garmeen-Bank Mikrokredite. Zumeist übrigens an Frauen, weil sich Frauen wohl als zuverlässiger erwiesen haben, was die Rückzahlung der Kredite betrifft. Häufig wird die Kreditvergabe auch noch flankiert mit weiteren Hilfestellungen durch den Mikrokredit-Finanzierer.

Dieser hohe Aufwand von seiten der Bank macht es notwendig, dass die Kreditzinsen bei Mikrokrediten sehr hoch sind, oftmals bei 20% p.a. oder darüber. Die Kredite der Kredithaie sind aber noch um vieles teurer. Am Ende ist dem armen Kreditnehmer geholfen und der Mikrokredit-Finanzierer macht auch noch Gewinn. Hört sich also nach einem richtig gutem Geschäftsmodell an.

Die Garmeen-Bank fand viele Nachahmer

Kein Wunder also, dass auch andere dieses Geschäftsmodell für sich entdeckten. Immer mehr Banken entdeckten plötzlich ihr Herz für die Ärmsten der Armen. Auch Mikrokredit-Fonds wurden gegründet, in die auch deutsche Anleger „Gewinne mit gutem Gewissen“ erzielen konnten – so jedenfalls der Titel eines Artikels aus der Süddeutschen Zeitung vom 8./9. November 2008 (Link dorthin). Dort stand damals unter anderem:

„Mikrofinanz-Fonds bieten nicht nur Chancen auf Gewinne, sondern bergen auch einen emotionalen Faktor.“

Überhaupt kam dieser SZ-Artikel damals einer Lobeshymne auf Mikrofinanz-Fonds gleich. Darüber wunderte ich mich damals und schrieb einen Weblog-Artikel mit dem Titel „Mikrofinanzierungen und subprime-Kredite„. Denn die Parallelen zu den subprime-Krediten aus den USA, die ja zur Finanzkrise geführt haben, sind frappierend.  

Zwischen Mikrokrediten und US-subprime-Krediten gibt es viele Parallelen

US-subprime Kredite waren auch Kredite für die ärmeren Bevölkerungsschichten der USA, die es sich – wie man heute weiß – eigentlich nicht leisten konnten. US-subprime-Kredite waren vor 2007 auch politisch hochgradig erwünscht und galten als ein sehr gutes Mittel, um Armen aus ihrer Misere zu helfen. Vor 2007 konnte auch jeder subprime-Kreditgeber „Gewinne mit einem guten Gewissen“ erzielen.

Doch dann drehte sich plötzlich die Stimmungslage. Die bislang „guten“ subprime-Finanzierer wurden über Nacht zu bösen Kredithaien, die ihre Geschäfte mit den Armen machen und sie in ihr Unglück stürzen. Damals formulierte ich es mit bezug auf die Mikrokredit-Finanzierer so:

„Der einzige wirkliche Unterschied [zu Mikrofinanzierungen] ist der: Die US-Subprime-Kredite endeten mit einem Desaster, und bei den Mikrofinanzierungen ging bisher (!) alles gut (wohlgemerkt hoffe ich selbst , dass hier alles gut geht, aber wissen tut man es immer erst hinterher). Hier stoßen wir wieder über das uralte Problem bei der Geldanlage: Inestoren glauben von einer vergangenen guten Entwicklung auf die Zukunft schließen zu dürfen. Bis vor drei Jahren konnten subprime-Finanzierer auch so argumentieren: Bisher ging doch alles gut. Ein gutes Beispiel, wie gefährlich es ist, bei der Geldanlage von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen. Und interessanterweise wird eben heute genau so bei Mikrofinanzierungen argumentiert: ‚Bisher ging doch alles gut.‘ Ich zumindest habe da ein Deja-Vu.“

Plötzlich gelten Mikrofinanz-Fonds als „böse Kredithaie“

Gestern nun (30.12.2010) traute ich meinen Augen nicht, als ich tatsächlich einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung las (S. 26) mit dem Titel „Das Geschäft mit den Armen – Private Investoren pumpen Geld in Mikrokredite, um dabei gut zu verdienen – eine Entwicklung mit Nebenwirkungen.“ Darin heißt es unter anderem:

„Für Aufsehen sorgte eine Selbstmordserie in der indischen Region Andhra Pradesh. Wegen Problemen bei der Rückzahlung von Kleinkrediten brachten sich im Sommer 30 Frauen um.

Yunus hält nichts davon, wenn Investoren mit den Armen Geld verdienen. Im Hinblick auf die Geschäfte manch eines Konkurrenten spricht er von den neuen ‚Kredithaien‘. Allerdings mehren sich auch Zweifel an der Erfolgsbilanz des Urmodells. Mikrokredit-Initiativen seien nicht so erfolgreich wie rund um die Welt behauptet werde, kritisiert die auf Entwicklungsfragen spezialisierte Menschenrechtsorganisation Movement für Ressources and Freedom Society…

Mittlerweile gebe es immer mehr Schuldner mit Zahlungsrückstand, die gezwungen seien, woanders neue Kredite zu höheren Zinsen aufzunehmen. In den Erfolgsstatistiken der Mikrokreditfinanzierer tauchen sie als erfolgreich getilgte Darlehen auf. In Bangladesch seien die Armutsstatistiken 30 Jahre nach Yunus Erfindung schlechter denn je, bilanziert Thomas Dichter, Mikrofinanzexperte beim Cato Institut …“

Das eigentlich Interessante hierbei ist: Noch vor ein paar Jahren galt es als gut und lobenswert, sein Geld Mikrofinanz-Fonds zu geben. Hier könne man Gutes tun, armen Menschen helfen und außerdem Geld verdienen. Ich machte damals darauf aufmerksam, dass sich hier die Sichtweise sehr schnell ändern kann. Und tatsächlich werden heute manche Mikrokredit-Finanzierer als „böse Kredithaie“ angesehen. Auch diese Parallele zu den US-subprime-Krediten bewahrheitete sich schneller als gedacht.

Nachtrag

Ich möchte an dieser Stelle nicht missverstanden werden. Ich habe großen Respekt vor Muhammad Yunus. Ich glaube, dass er sehr, sehr vielen Menschen geholfen hat und viele sehr gute Ideen hat. Vor ein paar Monaten habe ich sein Buch „Social Business: Von der Vision zur Tat“ gelesen.

Als „Social Business“ beschreibt Muhammad Yunus ein Unternehmen, das das erklärte Ziel verfolgt, in einem bestimmten Bereich etwas Gutes für die Gesellschaft zu leisten. Und zwar gerade mit Blick auf die Ärmsten. Das Besondere dabei ist, dass es ein wesentlicher Bestandteil eines „Social Business“ im Sinne von Yunus ist, keine (und zwar gar keine) Gewinne an dessen Anteilseigner auszuschütten. Wer sich als als Kapitalgeber an einem Social Business engagiert, tut das nur aus altruistischen Motiven heraus, höchstens noch zu Marketing-Zwecken, aber niemals um Gewinne zu erzielen. (Eigentlich sind diese „Social Businesses“ dem recht ähnlich, was wir hier in Deutschland als Stiftungen kennen.)

In dem genannten Buch beschreibt Muhammad Yunus ein paar dieser „Social Business“-orientierten Unternehmen, die gerade auch in Kooperation mit herkömmlichen Unternehmen gegründet wurden:

Der französische Lebensmittelkonzern Danone gründete beispielsweise das Unternehmen Garmeen Danone, um einen schmackhaften Joghurt zu produzieren, der zu einem erschwinglichen Preis für Arme in Bangladesch gekauft werden können. Das erklärte Ziel dabei war es, gegen die Unterernärung in Entwicklungsländern etwas zu unternehmen. Daher wird dieser Joghurt genau mit solchen Dingen angereichert, die typischerweise armen Kindern in Entwicklungsländern fehlen.

Garmeen Danone soll zwar betriebswirtschaftlich rentabel arbeiten, aber niemals Gewinne an die Anteilseigner ausschütten.

Ähnlich gibt es Grameen Intel in Kooperation mit dem amerikanischen Chip-Hersteller Intel. Garmeen Intel hat das Ziel, der armen Landbevölkerung die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie zur Verfügung zu stellen. Und zwar ohne die Absicht, dabei Gewinne zu erzielen.

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5 Kommentare
  1. JEH
    JEH sagte:

    Vielen Dank- ein toller Artikel!
    Zieht man aus Indien parallelen zu Deutschland, sieht es eigentlich nicht anders aus.
    Nimmt sich ein Mensch einen Kredit von einer Bank, lebt somit „unbeschwerter“, da sein Konto nicht (mehr) im Minus ist, oder gerät womöglich in die Arbeitslosigkeit und kann letztlich den Kredit auf irgendeine Art und Weise nicht mehr abzahlen, so kommt er in die böse Verlockung einen Anschlusskredit oder eine höhere Kreditsumme bei einer anderen Bank (meist easy Credit, City-, noris- und targobank) aufzunehmen. Aus dem alten Kredit kauft er sich raus (Zahlen werden geschönigt), in den neuen steigt er wieder ein. Das Rad beginnt sich zu drehen und wird zum Beispiel für andere.
    Peter Zwegat zeigt bei seinen „Kunden“ immer wieder wie es geht.
    Je leichter Menschen an Kredite kommen, desto eher werden sie sich hoch verschulden. Die Banken verdienen daran.
    Und letztlich fällt mir noch zu dem Thema das Buch „Der reichste Mann von Babylon“ ein…

    Ihnen einen guten Rutsch und ein frohes Neues!

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  2. Bernd Steyer
    Bernd Steyer sagte:

    danke für die gute pro/kontra darstellung !
    noch als Hinweis : in der besagten SZ vom 30.12 gab es weiter vorne noch einen sehr positiven Kommentar von der Red. Alina Fichter. Gehört absolut dazu . besten Gruß

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  3. Nabil Frik
    Nabil Frik sagte:

    Mikrokredite sollen Hilfe zur Selbsthilfe sein.
    Mikrokredite sollten auch nicht die Überschuldung der Armen fördern.
    Nabil Frik

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