Moral und Ethik bei der Geldanlage

Der Leser „TÜLAI“ hat in seinem Kommentar (Link dorthin) auf mein Buch „Fairness und Vertauen in der Finanzberatung“ bezug genommen und ein paar Fragen zum Thema Moral und Ethik bei der Geldanlage gestellt. Ich versuche einmal, in meinen Worten seine Fragestellung wiederzugeben. Falls ich das fehlerhaft tue bitte ich um Entschuldigung und freue mich über jede Klarstellung.

TÜLAI unterscheidet einen einen formalen und einen inhaltlichen Aspekt, wenn man versucht, ein ethisch korrekter Anlageberater zu sein:

  • Formaler Aspekt: Der Berater versucht in seinem Umgang mit seinen Kunden ethisch korrekt zu handeln.
  • Inhaltlicher Aspekt: Der Berater versucht, für seine Kunden solche Anlageformen auszuwählen, die ethisch einwandfrei sind.

TÜLAI fragt, ob ich nur diesen formalen Aspekt in meiner Arbeit berücksichtige oder auch den inhaltlichen. Meine Antwort lautet so:

  1. Zunächst steht bei mir der formale Aspekt definitiv im Vordergrund, d.h. ich versuche meine Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner ethisch korrekt zu behandeln.
  2. Mich leitet folgende Maxime: Wenn es vollständig und komplett zweifelsfrei ist, dass eine Anlageform moralisch verwerflich ist, dann würde ich sie niemals meinen Kunden empfehlen. Das Problem hier ist allerdings, dass die wenigsten Fälle so klar und absolut zweifelsfrei zu beurteilen sind.
  3. Manchmal ist der formale Aspekt nicht vom inhaltlichen Aspekt der Geldanlage zu trennen. Dann nämlich wenn es sich um betrügerische Anlageangebote handelt.
  4. Manchmal steht sogar der inhaltliche Aspekt mit dem formalen Aspekt im Widerspruch.

Mehr dazu nachfolgend …

In erster Linie veruche ich meine Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner ethisch korrekt zu behandeln

Zu allererst steht bei mir das im Vordergrund, was oben als formaler Aspekt bezeichnet worden ist. Das heißt, ich versuche so korrekt wie möglich mit meinen Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern umzugehen. Dabei stehen für mich solche Werte wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Respekt und auch Bescheidenheit im Vordergrund. Das ist das, was zunächst unmittelbar in meiner Macht steht.

Wie ethisch eine Geldanlage ist, ist häufig kaum eindeutig zu beantworten

Mit dem inhaltlichen Aspekt ethisch korrekter Geldanlage tue ich mich ein wenig schwerer. Eines ist jedenfalls klar: Eine Anlageform, die ich als zweifellos unethisch und moralisch verwerflich erkenne, würde ich niemals einem meiner Kunden empfehlen. Ich würde sie auch dann nicht empfehlen, wenn es sich möglicherweise um ein extrem lukratives Geschäft für meine Kunden handeln würde.

Also beispielsweise, wenn ein Drogendealer-Ring auf mich zukäme und sagen würde, wie bräuchten Investitionskapital. Selbst wenn hier eine Rendite von 50% p.a. für meine Kunden herausspringen würden, würde ich nie und nimmer diese Beteiligung in Betracht ziehen.

Das ist aber auch wieder ein Beispiel, das ziemlich eindeutig ist, und bei dem ja auch gegen geltendes Recht verstoßen werden würde.

Schwieriger wird es, wenn es um Unternehmen geht, die auf legale Weise beispielsweise in der Rüstungsindustrie engagiert sind. Das ist ja gesetzlich nicht verboten. Hier kommt man sofort in sehr große Schwierigkeiten. Denn bei Kriegen werden Menschen getötet, was sicherlich moralisch verwerflich ist. Andererseits kann man die Position vertreten, dass man mitunter Waffengewalt einsetzen muss, um moralisch Schlechtes (z.B. eine menschenverachtende Diktatur) zu beseitigen oder zu verhindern.

Unser Leben ist voll von solchen Dingen, die nicht eindeutig zu beantworten sind. Manches erscheint auf den ersten Blick schlecht, stellt sich aber danach als gut heraus. Und umgekehrt: Manches scheint auf den ersten Blick gut, auf den zweiten Blick hingegen als schlecht. Und dabei muss man gar nicht so weit gehen. Das fängt im normalen Alltagsleben an. Hier ein paar Beispiele:

Ein strenger Vater scheint manchen zu hart und schlecht. Andererseits kann es gerade auch für das Kind sehr wichtig und gut sein, klare Grenzen gesetzt zu bekommen. Umgekehrt erscheint manchen vielleicht eine Mutter, die ihren Kindern alles durchgehen lässt, als „herzensgut“, kann aber mitunter schuld an künftigen Problemen ihrer Kinder sein.

Bio-Diesel aus Mais scheint zunächst moralisch gut zu sein, weil es eine Form regenerativer Energie darstellt. Andererseits führte Bio-Diesel in den vergangenen Jahren zu einer extremen Verknappung des Grundnahrungsmittel Mais in Mexiko, so dass es dort schon beinahe zu Hungersnöten gekommen wäre.

Atomkraftwerke erscheinen vielen schlecht, manche argumentieren aber, dass sich so der CO2-Ausstoß drastisch verringern ließe. Windkraft erscheint gut, hat aber den Tod tausender Vögel zur Folge.

Übrigens habe ich eben in der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung im Wirtschaftsteil einen Beitrag darüber gelesen, wie im Osten der USA mit einer neuen Technik Schieferfelder für die Erdgasgewinnung erschlossen werden. Auch hier gibt es zwei Lager. Die einen finden das toll, weil auf diese Weise gigantische Mengen von Gas gewonnen werden kann und so die Abhängigkeit vom Öl der Opec geringer wird. Andere befürchten jedoch eine Verschmutzung des Grundwassers und andere ökologische Schäden. Es ist sehr schwierig, hier objektiv beurteilen zu wollen, welche Seite recht hat.

Und so weiter, und so weiter. Und die meisten dieser erwähnten Punkte werden ohne Unterlass sehr kontrovers diskutiert.

Manchmal stehen der formale und der inhaltliche Aspekt miteinander im Widerspruch

In all solchen Fällen, die für mich nicht vollständig klar sind, enthalte ich mich bei der Geldanlage des Urteils, selbst wenn ich meine Meinung zu dem Problem habe. Ich weiß, dass ich unrecht haben könnte. Ich bin nicht so anmaßend zu glauben, dass meine Sicht auf die Dinge die einzig richtige ist. Es kann ja auch sein, dass ein Anleger eine ganz andere Position hat. Und welches Recht habe ich, ihn belehren zu wollen.

Dass ich mich hier meines Urteils enthalte, hat viel mit dem zu tun, was man mit Respekt meinem Kunden gegenüber nennen möchte. Es ist ein Ausdruck meines Respekts, wenn ich nicht versuche, meine Auffassung der Dinge anderen aufzuzwingen. Ich respektiere die Weltsicht des anderen, auch wenn sie nicht ganz nachvollziehen kann. Muss ich ja auch nicht, sofern die andere Sicht der Dinge nicht ganz offensichtlich und absolutzweifelsfrei verbrecherisch ist.

Würde ich umgekehrt strikt auf meiner Meinung bestehen, dann würde ich zwar mit dem sog. inhaltlichen Aspekt der Gelanlage im Einklang stehen, würde aber gegen den formalen Aspekt verstoßen. Nehmen wir als Beispiel, dass ich Windkraftwerke für moralisch verwerflich halte, weil hier Tag für Tag so viele Vögel umkommen und ich nun einmal ein großer Vogelliebhaber bin. Nehmen wir weiter an, dass  ein Kunde zu mir kommt und sich unbedingt an einem Windkraftwerk beteiligen möchte, weil er diese Technik für ethisch und ökologisch hält. Würde ich mich dann auf stur stellen und ihm sagen, dass ich diese Technik der Vögel wegen für schlecht halte, und ich ihn prinzipiell nicht bei einem (aus meiner Sicht) ethisch verwerfliches Unternehmen zu unterstützen, dann hätte das wohl zwei Dinge zur Folge.

Erstens würde der Kunde mich für einen intoleranten Menschen halten, der seine Auffassung der Dinge nicht respektiert. Zweitens würde ich einen Kunden verlieren. Er würde nämlich einfach irgendwo anders hingehen und dann dort seinen Windkraft-Fonds kaufen.

Da halte ich es für besser, dass ich so vorgehe.

a)  Natürlich weise ich den Kunden darauf hin, dass man mit Windkraft auch anderer Meinung sein kann. Bringe die Vogelschutz-Argumente vor – ohne missionarischen Eifer.

b) Wenn dem Kunden Vögel egal sind und er nach wie vor an der Windkraft-Idee festhält, dann respektiere ich das.

c) Dann bin ich ihm dabei behilflich, ein Windkraft-Projekt zu finden, bei dem er nicht über den Tisch gezogen wird.

Manchmal ist der formale Aspekt von dem inhaltlichen Aspekt nicht zu trennen

In all solchen Fällen, bei denen man ohne Weiterers vernünftige Argumente für kontroverse Positionen finden kann gehe ich nicht inhaltlich auf den moralischen Aspekt der Geldanlage ein. Und hierfür gibt es sehr, sehr viele Beispiele. Es liegt nicht an mir zu beurteilen, welche Anlageform tatsächlich „objektiv“ gesehen moralisch gut oder schlecht sit. Es sei denn – wie gesagt – der Fall liegt ohne Frage eindeutig, wie beispielswiese bei Betrug, Verbrechen etc.

In der Praxis bin ich damit tatsächlich immer wieder konfrontiert.  Dann nämlich, wenn ich erkenne, dass es sich um betrügerische oder meinetwegen halb-betrügerische Angebote handelt. In solchen Fällen existiert für mich nicht der Hauch eines Zweifels, dass ich meine Anleger vor diesen Angeboten schützen muss. Genaugenommen erwarten das auch meine Kunden von mir. Dafür sind sie ja meine Kunden.

Auch dieses Weblog ist voll von Warnungen vor unseriösen Angeboten, gerade im Bereich geschlossener Fonds. Und selbst die Art und Weise, wie Immobilien in offenen Immobilienfonds bewertet werden, hat eine fragwürdige moralische Komponenente. Zugleich möchte ich an dieser Stelle auch vor einer Verallgemeinerung warnen: Nicht alle geschlossenen Fonds sind unkorrekt und auch nicht alle offenen Immobilienfonds. Was aber geschlossene Fonds betrifft ist durchaus bemerenswert wie viele von denen, die ich mir bisher genauer angesehen habe, nicht korrekt sind.

Diese Art, meine Tätigkeit als Anlageberater auszuüben, ist sicherlich in dem Sinne „inhaltlich“, wie es TÜLAI gemeint hat. Interessanterweise ist er, wenn man so will, zugleich „formal“. Beides ist hier gar nicht zu trennen. Denn es betrifft ja nicht nur das Geldanlage-Angebot als solches, sondern, da ja eventuell der Kunde der Geschädigte wäre, auch die Beziehung zu meinen Kunden.

5 Kommentare
  1. JEH
    JEH sagte:

    Ein sehr schöner Artikel.
    Albert Schweitzer, hat sich auch in seiner Kulturphilosophie mit sehr ähnlichen Themen beschäftigt (unter anderem in „Albert Schweitzers Werkstatt in Lambarene“ nachzulesen). Ja ich weiß- Albert Schweitzer ist unbeliebt unter Philosophen.
    Er kommt zum eindeutigen Ergebnis, dass der Mensch bei jeder Handlung Leben und lebendige Dinge zerstört, was auch in diesem Artikel schön erklärt wurde. Ebenso unterstützen wir auch eine Zerstörung, wenn wir in irgendetwas investieren- auch in irgendwelche Öko-Aktien, die den Begriff „Öko“ nur als Werbetrommel benutzen (ich meine damit alle Aktien des regenerativen oder nachhaltigen Sektors)! Wahrhaftig „Öko“ ist keine Anlageform.
    Wir selbst aber müssen wissen, was wir wollen (also auch, was wir zerstören wollen). Vor allem aber: Nicht der Anlageberater entscheidet, was mit uns und unserer Umwelt passiert, sondern wir als Individuen entscheiden jedes Mal neu.

    Antworten
  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Lieber Herr Dr. Peterreins,

    Fragen der Moralität gehen vielen Menschen nahe. Die meisten möchten weder vor anderen noch vor sich selber als unmoralisch gelten, denn das eigene Selbstbild / Selbstverständnis steht auf dem Spiel. Darum kann es so leicht passieren, sie sich über Fragen der Moral zerstreiten und übelnehmen, weil sie irrtümlich Äußerungen persönlich nehmen, obwohl es nicht auf sie bezogen ist.
    Ich will grundsätzlich keine Vorwürfe erheben. Hoffentlich schreibe ich so, dass nicht irrigerweise der gegenteilige Eindruck entsteht.

    Ich stimme jeder Ihrer folgenden Aussagen gänzlich zu:
    1.) „ einem moralischen, korrekten Verhalten seinen Kunden, Angestellten und Geschäftspartnern gegenüber“
    2.) „Das liegt in meiner Macht.

    3.) „habe ich persönlich meine Zweifel, wie das in der Praxis umzusetzen sein soll. Ein Investment, das heute gut und moralisch zu sein scheint, stellt sich vielleicht morgen als katastrophal schlimm heraus. Und umgekehrt.“

    4.) Ich traue mir selbst einfach nicht das Urteil zu, zu sagen, dass das eine gut und das andere böse ist. Gerade im Anlagebereich ist sehr häufig zu beobachten, dass Initiatoren damit werben, “ethisch” Geld anzulegen, faktisch handelt es sich aber um eine gigantische Abzocke der Anleger. Auf solch eine Art von “Ethik” kann ich gerne verzichten“

    Meine Erläuterungen dazu:
    Zu 1.) Das nannte ich Binnenmoralität; im Innenverhältnis gegenüber Mandantinnen, Mitarbeitern, Geschäftspartnern.
    Doch es bleiben ja echte, altbekannte Probleme. Folgendes ist ausdrücklich nicht persönlich gemeint: Es gibt auch sogenannte Ganovenehre / Mafiosi-Ehre. Berufskriminelle befolgen Ehrenkodizes und Regeln.US-Mafiosi durften angeblich nicht ohne ausdrückliche Beauftragung durch ihr sogenanntes Familienoberhaupt (= sogenannter „Pate“) morden. Auf Verstoß wurde mit Ermordung (sogenannter „Hinrichtung“ in der Ausdruckweise der Mafiosi) eben der Regelbrecher reagiert. In den 1970er Jahren beklagten sich US-Mafiosi, dass aus Sizilien hinzugekommene, neue Clans die vermeintlichen „Sitten“ verdorben hätten, indem sie nun wahllos mordeten.
    Es muss einen wesentlichen Unterschied zwischen bloßen Sitten, Bräuchen, Regeln und Traditionen einerseits und Moralität andererseits geben.
    Die strukturgleiche Frage hatte bereits in der Spätantike Augustinus bezüglich der Gesellschaft gestellt: Was ist der Unterschied zwischen einem (hier: dem römischen) Weltreich und einer bloßen großen Räuberbande(latrocinia)?
    Augustinus Antwort: Gerechtigkeit (iustitia)
    Moralität braucht meines Erachtens auch den Bezug auf Gerechtigkeit.

    Zu 3.) Auf eben diese Unsicherheit und Fragwürdigkeit wollte ich mit meinem Hyperlink auf die Buchrezension über das Buch >>Mikrokredite – ein konstuierter Mythos<<

    Zu 4.) Ich traue mir erst recht kein Urteil zu, darum habe ich die ausdrücke „gut du „böse“ gar nicht verwendet. Stattdessen schrieb ich von Gerechtigkeit, Fairness, Verantwortung, die traditionellerweise mit Moralität zusammengebracht werden.
    Ich hatte ja erwähnt, dass sie sich auf die Position der Urteilsenthaltung zurückziehen können. Die griechische Philosophenschule der Stoa darüber nachgedacht. Mein Hinweis auf deren Ethik-Tradition war ganz ernst gemeint.
    Sie selber können die wenigen überlieferten Fragmente ja sogar im Original lesen, falls Sie es nicht längst getan haben.
    Andere Mitlesende hier könnten sich einen hilfreichen Überblick verschaffen mit dem Einführungsbeitrag (Seite 7 – 29)im Sammelband: Zur Ethik der älteren Stoa; herausgegeben von Barbara Guckes, Göttingen 2004:
    Barbara Guckes: Stoische Ethik – eine Einführung

    Aus einer Urteilsenthaltung könnte man prinzipiell zwei einander widersprechende Schlüsse ziehen:
    a.) In denjenigen Fällen, in denen kein eindeutiges Urteil möglich ist, ob eine Geldanlage moralisch oder unmoralisch ist, ist jede legale Geldanlage ohne weitere Prüfung erlaubt. Sozusagen im Zweifelsfall moralischer Freispruch. Aus der Urteilsenthaltung folgte dann unbeschränkte Handlungsfreigabe.

    b.) In denjenigen Fällen, in denen kein eindeutiges Urteil möglich ist, ob eine Geldanlage moralisch oder unmoralisch ist, ist diese Geldanlage bis auf Weiteres für jemanden, der unbedingt moralisch handeln will, nicht erlaubt. Aus der Urteilsenthaltung folgte dann Handlungsenthaltung.

    Zu a.) Ich persönlich denke, dass man Zweifelsfälle juristisch nicht verbieten darf. Insofern folgt hinsichtlich der Legalität tatsächlich Freigabe zum Handeln.

    Zu b.) Allerdings meine ich, dass bloße Legalität zu wenig ist für diejenigen, die für sich aus freien Stücken den Anspruch erheben, in wirtschaftlichen Angelegenheiten freiwillig moralisch handeln zu wollen.

    Die äußerliche Einhaltung von Gesetzen kann man eventuell durch scharfe Überwache und rigorose Strafverfolgung erreichen. Moralität kann es dagegen nur aus Freiwilligkeit geben.
    Meines Erachtens gehört zum Anspruch auf Moralität ein persönliches Bemühen / eine Anstrengung.
    Um ein Karatesportler zu werden, muss man Karateübungen zunächst einüben und danach das Erlernte regelmaessig ausüben (praktizieren). Demjenigen, der niemals Karate betrieben hat, wird man kaum die Eigenschaft zusprechen, ein Karatesportler zu sein.

    Um bei seiner Geldanlage als moralisch zu gelten, muss man sich wenigstens einmal auf Grundlage der heute verfuegbaren Informationen inhaltlich mit Fragen der Gerechtigkeit, Fairness, Verantwortung usw. auseinandersetzen, ganz gleich zu welchem Ergebnis man im Einzelfall gelangt. Niemand ist dazu verpflichtet. Anderenfalls faende ich es allerdings angemessener, auf die Selbstbezeichnung als moralisch zu verzichten.

    Ich habe einzelne Menschen kennengelernt, die sich sehr abschinden, um ihre eigenen moralischen Standards zu erfüllen. Oft sind es stille Personen, die von sich aus niemals ihre Moralität ansprechen und sich ihrer schon gar nicht brüsten. Mutmaßlich könnte es daher deutlich mehr solche Personen gehen. Häufiger verzichten sie wissentlich auf Chancen im Leben, indem sie ihrem eigenen Handeln Schranken auferlegen. Wenn ich zufällig von ihnen erfahren, erfüllen sie mich mit einer beschämten Traurigkeit, weil ich denke, dass sie im Leben mehr und Besseres verdient hätten, als sie erhalten. Ich meine gar nicht so sehr größeren materiellen Wohlstand, sondern mehr Anerkennung durch ihre Mitmenschen.
    Wer sich strenge moralische Einschränkungen auferlegt, gilt schnell als unleidlich. Man gerät leicht zum unverstandenen Außenseiter. Anerkennung ist keineswegs sicher, zumal wenn man sich über seine eigenen Leistungen dezent ausschweigt. Das ist der hohe Preis echter Bescheidenheit gegenüber geschauspielerter.
    Moralität kann man nicht mit dem Hintergedanken auf Belohnung praktizieren, anderenfalls ist es kein Handeln aus echtem moralischem Antrieb, sondern ein Schielen auf einen verdeckten, späteren Vorteil.

    Diejenigen, die ein bisschen Ahnung von Philosophie haben, wissen, dass genau darin ein Konstruktionsfehler von Blaise Pascals sogenannter Wette auf die Existenz Gottes liegt.
    Interessanterweise war Pascal ja einer der Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung:
    Ausgangsfrage:
    Soll man an (einen bestrafenden bzw. belohnenden) Gott glauben?
    Aus der ursprünglichen Frage wird in Pascals wahrscheinlichkeitstheoretischer Umformulierung:
    Ist es (wahrscheinlichkeitstheoretisch) rational geboten, auf die Existenz (eines bestrafenden bzw. belohnenden) Gottes zu wetten?
    Der andere, diesmal methodische Trick seiner Wette besteht ja darin, dass er den Auszahlungsgewinn für ein entbehrungsreiches, gottgefälliges Leben auf der Erde (=zu erbringender, begrenzter, endlicher Wetteinsatz) auf den Wert „unendlich“ hochschraubt, nämlich auf ein unendliches Leben nach dem Tod im Paradies bei Gott. Dem begrenzten Wetteinsatz steht ein unbegrenzter Gewinn gegenüber. Damit ist schon vorher klar, dass man bei Wahl der richtigen Seite (= auf die Existenz Gottes setzen und folglich ein verzichtvolles, Leben führen als Wetteinsatz) einfach gewinnen muss.
    Doch was sind das für eiskalt kalkulierende Gläubige, die sich nur von ihrem höchst egoistischen Vorteil (= ewiges Leben im Paradies) leiten lassen?
    Tja, Tja, so sind sie, die genialen Wahrscheinlichkeitstheoretiker … 🙂
    Ausgerechnet die sollte ein Gott, der sich von ihnen ausrechnen lässt, noch belohnen? Bei solcher Gesellschaft in Aussicht ist es doch besser, nicht ins Paradies zu gelangen und stattdessen hier ein bisschen Geld zu scheffeln. 🙂
    Da werden mir Vermögensverwalter doch glatt wieder richtig sympathisch. 🙂

    Viele Grüße
    TÜLAI

    Den Rest schreibe ich einmal, wenn ich wieder Zeit haben werde und meine Tastatur wieder fehlerfrei funktioniert.

    Antworten
  3. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    „… bin ich ihm dabei behilflich, ein Windkraft-Projekt zu finden, bei dem er nicht über den Tisch gezogen wird.“

    Vielleicht schauen sich an Fragen der Stromversorgung Interessierte dort um:

    http://www.dradio.de/download/136955/
    – – – – – – – – – – – – – –

    „Zweitens würde ich einen Kunden verlieren.“

    Das scheint mir für jede selbständig wirtschaftende Person das wirkliche Handlungsmotiv zu sein.

    Antworten
  4. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Für viele Leute, die ihrer Berufstätigkeit nachgehen, ist es bereits aus Zeit-Gründen eine Überforderung, Fragen nach der Unbedenklichkeit der Verwendung ihrer Spareinlagen nachzugehen.

    „Die Riester-Bombe
    Wolfgang Uchatius schloss bei einer ganz normalen Versicherung einen Vertrag über eine private Altersrente ab. Dann stellte er fest, dass mit dem Geld Streubomben gebaut werden.“
    19. Mai 2011:
    http://www.zeit.de/2011/21/DOS-Streubomben

    Wer beginnt, den Fragen nachzugehen, verzichtet auf Unbeschwertheit und Lebenszufriedenheit der Naiven.

    Viele Grüße
    TÜLAI

    Antworten
  5. Martin Hark
    Martin Hark sagte:

    Ein wirklich sehr interessanter Artikel! Ich beschäftige mich auch gerade mit alternativen Geldanlagen. Alternative Investments stellen sehr gute Möglichkeiten zur Geldanlage dar. Auf der einen Seite können diese einem bei der Diversifikation des Vermögens behilflich sein, auf der anderen handelt es sich um renditestarke Anlagemöglichkeiten. Neben den gängigsten alternativen Anlageformen, den Edelmetallen, gibt es noch unzählige andere Möglichkeiten, welche der breiten Masse meist nicht bekannt sind. Dies liegt vor allem daran, dass ein gewisses Know-How bzw. in den meisten Fällen auch das nötige Kleingeld vorhanden sein muss um in solche Asset-Klassen investieren zu können – Hedgefonds, Wald, Kunst, Sammlerstücke … Vor allem in wirtschaftlich turbulenten Zeiten gewinnen Alternative Investments immer mehr an Bedeutung. Dabei sind vor allem neben den klassischen Edelmetallen noch ethische und grüne Investments sehr gefragt. Oftmals wird angenommen, dass solch Investments sicherer als die herkömmlichen Anlagen sind, da die Gewinnmaximierung nicht im Vordergrund steht – dies bedeutet jedoch nicht, dass alternative Investments eine geringere Rendite aufweisen –alternative Investments können sogar renditestärker als herkömmliche Sparformen sein. In Zukunft wird ihnen sicherlich noch mehr Bedeutung zukommen!

    Antworten

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