Was sind Konjunkturprognosen wert?

Heute habe ich ein Interview in der Süddeutschen Zeitung mit dem Ökonomen Stefan Hoburg gelesen (S. 26). Das Interview ist betitelt mit „Konjunkturprognosen sind absurd“ und „Der Wirtschaftswissenschaftler und Ökonomie-Professor Stefan Homburg foprder von den führenden deutschen Instituten einen Verzticht auf Vorhersagen.“

Nachfolgend ein paar Ausschnitte aus diesem sehr erhellenden Interview…

SZ: Nie lagen Ihre Kollegen so daneben wie 2009. Zu Beginn der Krise rechneten sie mit einem Nullwachstum. Mitte des jahres waren es katastrophale minus sieben. Am Ende stimmte beides nicht. Wie konnten sich Forscher derart irren?

Homburg: Konjunkturprognosen sind absurd. Da werden wochenlang Tabellen aufgefüllt, die den Eindruck erwecken, die Zukufnt sei vorhersehbar. Dabei ist da Gegenteil der Fall. Zu prognostizieren, wie sich die Wirtschaft über einen langen Zeitraum entwickelt, ist einfach unmöglich. Von solchen Vorhersagen hat nur einer was: die beteiligten Forschungsinstitute…

… Aus Sicht des Steuerzahlers sollten wir dem Wirbel um Konjunkturprognosen ein Ende machen und das Prognosegeschäft einstellen. Das wäre eine der sinnvollsten Sparmaßnahmen, die die Regierung beschließen könnte. Und die beteiligten Institute sollten zugeben, dass ihre Versuche nichts bringen. Ich fände es blamabel, wenn man jetzt weitermacht wie bisher.

SZ: einige Öknomen wollen Prognosen mit neuen Methoden verfeinern. Erfolgversprechend?

Homburg: Nein, wir werden die Zukunft nie in den Griff bekommen. Das ist keine Frage der Qualität der Wissenschaftler oder ihrer Methoden…

.. Die Wirtschaftsentwicklung beruht auf mentschlichen Entscheidungen und äußeren Einflüssenm, die wir nicht kennen … Der harte Winter hat die Bauwirtscahft … gebremst. Einen solchen Winter hat niemand prognostiziert, wie können da die hiervon abhängigen wirtscahftsprognosen funktionieren? Nach aller Erfahrung folgen sowohl die Wirtschaft als auch das Wetter chaotischen Mustern, die sich unmöglich vorhersagen lassen…

SZ: Erwartet die Öffentlichkeit zu viel von der Ökonomie?

Homburg: In Bezug auf Prognosen eindeutig ja…“

Auch ich finde Ökonomen dann immer am schlechtesten, wenn Sie versuchen, in die Zukunft zu schauen. Ein Beispiel dafür ist das Buch „Kasino-Kapitalismus“ von Prof. Hans-Werner Sinn, erschienen im April 2009. Das Buch ist in vielerlei Hinsicht erhellend und lesenswert. Immer aber, wenn Prof. Sinn sich mit Prognosen aus dem Fenster lehnt, wird das Buch fragwürdig.

So schreibt Prof Sinn auf Seite 117 mit bezug auf die USA und den US-Dollar:

„Da das Ausland die gigantischen Kapitalimporte auif die Dauer nicht wird finanzieren wollen, gibt es [für die USA] keine andere Möglichkeit, als dass sich in der Kombination aus Abwertung [des US-Dollars] und Wirtscahftsflaute im Laufe der Zeit eine Verringerung des Kapitalimports [nach US-Amerika] einstellt.“

Porf. Sinn spricht hier also im April 2009 davon, dass es sowohl zu einer Abwertung des US-Dollars kommen wird also auch zu einer anhaltenden Wirtscahftsflaute in Amerika. Heute ist der US-Dollar gegenüber dem Euro so stark wie schon lange nicht, und in Amerika stehen alle Konjunktursignale auf Wachstum. Also lag Prof. Sinn hier daneben.

Auf Seite 168 schreibt Prof. Sinn:

„Ab dem zweiten halbjahr 2010 werden … Kontraktionseffekte bei der Kreditvergbe der Banken erzwungen werden, die auf die realwirtschaftliche Falute des Jahres 2009 zurückzuführen sind. Das wird der Wirtscahft dann zu einem Zeitpunkt einen Schlag versetzen, zu dem sie möglicherweise ohnehin schon am Boden liegt…“

Prof. Sinn meinte also im April 2009, dass sich die Rezession bis ins Jahr 2010 deutlich verstärken wird. Inzwischen wissen wir, dass die Wirtschaft wieder ganz gut zu laufen begonnen hat. Also wieder eine komplette Fehlprognose.

Afu Seite 200 schreibt Prof. Sinn mit Bezug auf die Banken:

„Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, dass sich die genannten [schlechten] Zahlen allesamt nocht erheblich verschlechtern können, wenn die Bilanzen [der Banken] des Jahres 2008 udn 2009 veröffentlich sind…“

Und als die Banken dann mit ihren Bilanzen kamen, was war dann los? Alle waren überrascht, dass die Banken wieder Milliarden-Gewinne einfuhren. Also das genaue Gegenteil dessen, was Prof. Sinn vorhersagte.

Auf Seite 220 schreibt prof. Sinn:

„Gegen das Insolvenzproblem klann der Greithner-Plan nur insofern etwas ausrichten, als der Staat [gemeint ist hier der US-Staat] durch seine Beteiligunge Geld verliert und dieses Geld tatsächlich den Banken zugute kommt. Dass er Geld verlieren wird, sit aus den dargelegten Gründen wahrscheinlich…“

Entgegen dieser Prognose zeichnet sich derzeit ab, dass der US-Staat sehr gut an der Bankenhilfe verdient. Siehe hierzu meinen Blog-Beitrag: Wie der Staat an der Finanzkrise verdient.

Dies sind nur einige Beispiele von Fehlprognosen. Und wie gesagt: An sich schätze ich Prof. Sinn sehr. Er wäre nur besser beraten, nichts mehr über künftige wirtschaftliche Entwicklungen zu sagen. Sieht man sich die Aussagen anderer Ökonomen an, dann ist das Ergebnis nicht besser.

Ich kann mich noch sehr gut an eine Veranstaltung erinnern, zu der ich im Frühjahr 2008 eingeladen war und bei der mehrere bedeutende Volkswirte Referate hielten. Nicht einer – wirklich kein einziger – sah das Desaster voraus, das ein halbes Jahr später auf uns zukam. Als das Desaster aber da war, da überschlugen sie sich in Negativ-Prognosen. Und ach, auch hier lagen sie wieder fast durch die Bank daneben.

Wirklich schön wäre es, wenn sich die Ökonomen an den guten alten Sokrates erinnern würden. Dieser sagte bekanntlich: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Wenn das die Ökonomen (mit bezug auf Prognosen) zugeben würden, wäre tasächlich schon sehr viel gewonnen.

5 Kommentare
  1. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    „…
    SZ: Erwartet die Öffentlichkeit zu viel von der Ökonomie?

    Homburg: In Bezug auf Prognosen eindeutig ja…”
    – – – – – – – –

    Mittlerweile hat Herr Homburg selber Gefallen am Stellen von Prognosen gefunden:
    >> …
    Ökonom Stefan Homburg im SPIEGEL-Interview. Der Staatsbankrott sei unausweichlich – mit schlimmen Folgen für die EU.

    Der eingeschlagene Weg der Euro-Rettung ende ganz klar „letztlich in Staatsbankrott und Währungsreform“, sagte der Hannoveraner dem SPIEGEL.“ <<

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,770592,00.html

    Ich bin für mich persönlich zu der Auffassung gelangt, dass Volkswirtschaftslehre eine Lehre mit Lehrbüchern und gegenüber Studierenden in Prüfungen abfragbaren Lehrmeinungen sein mag, aber kein Wissenschaft ist.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ja, in der Tat ein bemerkenswerter Widerspruch, den ich auch nicht so auf die Schnelle (quasi zur Verteidigung Homburgs bringen kann):
      Er sagt einerseits, dass ökonomische Prognosen nicht möglich sind. Andererseits gibt er die Prognose ab, dass es unausweichlich so kommen wird, dass a) Griechenland komplett zahlungsunfähig wird und b) das Ganze in einer Währungsreform endet.

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  2. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Um zu erfahren, welches seine Motive sind und wie jemand richtig verstanden werden will, sollte man die Person am besten selber fragen. Anderenfalls bleibt alles Deutung und Mutmaßung.
    Ich habe Herrn Homburg nicht gefragt. Insofern ergehe ich mich im Folgenden in Mutmaßungen.

    Dennoch kann ich mich irgendwie schwerlich des Eindrucks erwehren, dass es in der öffentlich ausgetragenen Debatte nie um so etwas Entlegenes und Abgehobenes wie den wissenschaftlichen Status von Wirtschaftsprognosen ging.
    Wie wenige dürfte das interessieren?

    Ich mutmaße vielmehr, dass Herrn Homburgs Behauptungen sowohl zu Konjunkturprognosen als auch zu den Staatsfinanzen Griechenlands eine ganz spezifische Position in der langjährigen, sehr harten Auseinandersetzung um die Frage der Rolle des Staates im Wirtschaftsgeschehen sind:

    In welchen Situationen soll der Staat mit welchen Mitteln wie weit in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen?
    Die Frage betrifft letztlich ebenso Hilfeleistungen zwischen Staaten wie die Gestaltung der Altersrenten der Bevölkerung (Kollektive Umlageverfahren versus kapitalgedecktes, individuelle Vorsorge).

    Wenn man die Auffassung vorbringt, dass Konjunkturprognosen grundsätzlich nicht möglich sind, kann diese These als grundsätzliches Argument gegen jegliche staatliche Konjunkturförderung gedeutet werden.

    Ohne Herrn Homburg selber gefragt zu haben, bleibt meine Vermutung natürlich eine Mutmaßung.

    Auf seiner offiziellen Homepage gibt Herr Homburg an, dass er ab 2010 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Maschmeyer Rürup AG ist:
    http://www.fiwi.uni-hannover.de/2895.html

    Viele Grüße
    TÜLAI

    Antworten
  3. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Publiziert am 29.09.2011:

    „SZ: Professor Homburg, ist der Euro noch zu retten?

    Stefan Homburg: Zieht man historische Parallelen heran, wird der Euro ein böses Ende nehmen. Ein Kollaps der Währungsunion erscheint kaum noch abwendbar.

    SZ: Muss es deshalb gleich zu Ende gehen mit dem Euro?

    Homburg: Die Regierungschefs und die Europäische Zentralbank (EZB) werden das Ende des Euro durch ihre Manöver so lange wie möglich hinauszögern. Sie haben jedoch sämtliche Stabilitätsregeln des Vertrags von Maastricht gebrochen. Nichts spricht dafür, dass diese Regeln in Zukunft eingehalten werden, vielmehr spricht die inzwischen errichtete Haftungsgemeinschaft dagegen.

    Homburg: … Der Verteilungskampf zwischen Finanzindustrie und Steuerzahlern bildet den ökonomischen Kern des Problems, er wird aber verdeckt geführt und verschleiert.

    [Meine Anmerkung dazu: Herr Homburg ist zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor seit 2010 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Maschmeyer Rürup AG, seit 2005 Mitglied des Aufsichtsrats der Versicherungsgruppe Hannover (VGH) und seit 2003 als Steuerberater tätig.]


    SZ: Gibt es gar keine Hoffnung?

    Homburg: Hoffnung haben diejenigen, die nichts besitzen, denn ihnen kann auch nichts genommen werden. Hoffnung haben auch jene ehrenwerten Mitglieder der Finanzindustrie, die jetzt noch ein oder zwei Jahre mit Steuerzahlers Hilfe Kasse machen, um sich dann mit dem eigenen Flugzeug auf die eigene Insel zu verabschieden und aus der Ferne zuzusehen, wie die übrigen hier klarkommen. Hoffnung hat schließlich, wer zu einer buddhistischen Lebensweise findet und materiellen Werten ganz entsagt. Für die anderen sehe ich schwarz.“
    Quelle: http://www.sueddeutsche.de/geld/streit-um-die-gemeinschaftswaehrung-der-euro-wird-zusammenbrechen-1.1151907
    – – – – – – – – – – – – – – – – – –

    In der Tat redet Herr Homburg so, als ob er sich in einem Kampf befinde. Er erzeugt eine Stimmung, anstatt zu argumentieren.
    Von Wissenschaft erwarte ich anderes.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ja, auch mir scheint das, was Herr Homburg hier sagt, ein wenig überzogen. Wie kann man sich einer Sache so sicher sein? Gerade die letzten Jahren haben gezeigt, wie sehr sich selbst Wirtschaftsprofessoren immer wieder täuschen können. Und das mit den historischen Parallelen, ist ja auch ein wenig merkwürdig.

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