Kündigung von Lebensversicherungen / Rentenversicherungen: Gewusst wie

Jahr für Jahr schließen Leute Lebens- und Rentenversicherungen ab (kurz LVen und RVen). Solche Versicherungen werden normalerweise für viele Jahrzente abgeschlossen. Um so bemerkenswerter ist es, dass ein hoher Prozentsatz der Versicherungsnehmer ihre Policen vorzeitig entweder beitragsfrei stellen oder sogar kündigen.

Wer vorzeitig kündigt, macht in der Regel ein Verlustgeschäft, wenn die Summe der bislang eingezahlten Beiträge den sog. Rückkaufswert der Police übersteigt . D.h. der Versicherungsnehmer erhält weniger von der Versicherung zurück als er insgesamt eingezahlt hat. So ist es jedenfalls sehr, sehr häufig.

Interessant ist, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, von denen die meisten nichts wissen …

Nehmen wir Herrn M. als Beispiel. Er hat etwa 5 Jahre lang in eine LV isngesamt 11.000 Euro eingezahlt. Jetzt will er nicht mehr und fragt daher bei der Versicherungsgesellschaft an, wie viel er bei einer Kündigung bekommen würde. Die Antwort: 2.800 Euro. Das wäre für Herrn M. ein Verlust in Höhe von 8.200 Euro.

Da ihm das unfair erscheint, spricht mich Herr M. an, ob man hier möglicherweise mehr herausholen könnte. Ich sage ja, obwohl man dabei unbedingt rechtlichen Beistand braucht. Ich selbst bin ja kein Jurist, arbeite aber hier mit Herrn Rechtsanwalt D. zusammen, der ein Spezialist auf diesem Gebiet ist.

RA D. erklärt, dass man gemäß der Rechtsprechung in jedem Fall einen höheren Rückkaufswert einfordern kann. Während nämlich im Angebot der Versicherungsgesellschaft Stornokosten mit eingerechnet werden, ist das nach der gängigen Rechtsprechung nicht zulässig. Ferner muss der Rückkaufswert mindestens so hoch sein:

  • 50 Prozent der eingezahlten Prämien abzüglich eines eventuellen zusätzlichen Versicherungsschutzes, solange die Prämien gezahlt wurden.

Dieser Rückkaufswert nach Rechtsprechung beläuft sich im Falle des Herrn M. auf etwa 5.500 Euro. Das sind immernin 2700 Euro mehr im Vergleich zu dem Angebot der Versicherung (das waren 2.800 Euro).

Es wird aber noch besser. Herr M. kann nämlich sogar ca. 13.000 Euro zurückbekommen. Das sind dann sage und schreibe 10.200 Euro mehr als die Versicherung ursprünglich zahlen wollte.

Denn der LV-Vertrag des Herrn M. wurde auf der Grundlage des detuschen Versicherungsvertragsgesetzes abgeschlossen, das nicht mit dem korrespondierenden europäischen Recht im Einklang steht.

Gemäß Europarecht hat nämlich der Versicherungsnehmer ein unbeschränktes Widerspruchsrecht, wenn ihm bei Vertragsschluss nicht alle für ihn relevanten Informationen vorliegen. Deutsche Versicherer haben aber lange Zeit die Praxis verfolgt, wichtige Verbraucherinformationen erst im Nachhinein – mit Vertragsabschluss – nachzureichen.

Herr M. kann also heute Widerspruch gegen den damals abgeschlossenen Versicherungsvertrag einlegen. Und damit könnte er alle eingezahlten Prämien plus Zinsen zurückfordern. Im Fall von Herrn M. beläuft sich diese Summe auf die genannten 13.000 Euro.

Um dies durchzusetzen braucht Herr M. unbedingt juristische Unterstützung. Alleine hat er keine Chance. Denn seiner Versicherungsgesellschaft gegenüber wird er sich nur durchsezten können, wenn er mit einem Prozess droht. Unter Umständen wird die Versicherung es sogar auf einen Prozess ankommen lassen. In sämtlichen derart gelegenen Fällen hat aber bisher die Versicherungsgesellschaft eingelenkt, da die Versicherungen einen Präzedenzfall vermeiden wollen.

Natürlich arbeitet ein Rechtsanwalt nicht kostenlos. Aber in diesem Fall ist es ziemlich auf der Hand liegend, dass sich dieses harte Vorgehen für kündigungswillige Versicherungsnehmer lohnt. Wenn man übrigens eine Rechtsschutzversicherung besistzt, die einen derartigen Fall abdeckt, besteht gar kein Kostenrisiko.

5 Kommentare
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Da fragt man am besten den Versicherungsvertreter oder den Versicherungsmakler, der einen betreut, oder dieVersicherung direkt. Man muss da in den jeweiligen Versicherungsvertrag hineinschauen.

      Antworten
  1. Christoph Lauble
    Christoph Lauble sagte:

    Hallo Herr Dr. Peterreins,
    ich frage hier mal ganz öffentlich, mit welchen Kosten hier ganz grob zu rechnen ist.

    Konkret habe ich einen Fall im Freundeskreis, wo circa 5000 Euro in eine fondsgebundene RV einbezahlt wurden (über circa fünf bis sechs Jahre).
    Bei Kündigung will die Gesellschaft kaum mehr als 1000 Euro auszahlen, obwohl die Fonds an sich nicht schlecht gelaufen sind. Nehmen wir selbst eine Nullrendite der Fonds an, so müssten ja mindestens 2500 Euro rauskommen, oder?

    Können Sie (grob) abschätzen, ob es sich lohnen dürfte, Sie mit dem konkreten Fall zu beauftragen?

    Mit freundlichen Grüßen,
    Christoph Lauble

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Sehr geehrter Herr L.,
      vielen Dank für Ihre Anfrage. So aus der Ferne ist es für mich sehr schwer abzuschätzen, was in diesem Fall das Beste ist. Also insofern ist bitte das Folgende mit Vorbehalt zu lesen.

      Ich bin mir fast sicher, dass es sich lohnt, die fondsgebundene RV zumindest beitragsfrei zu stellen.

      Ob sich eine Kündigung lohnt, wird sicher auch davon abhängen, mit welchem Risiko der Anleger das freigewordene Geld neu anlegen möchte. Je risikofreudiger er sein wird, umso mehr wird sich die Kündigung lohnen. Das müsste man aber am besten genau durchrechnen.

      Bei dieser Abschätzung wird übrigens sehr hilfreich sein, wenn der Anleger die sog. „Information nach § 2 der Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen“ anfordert (sofern er das nicht sowieso bei seinen Versicherungsunterlagen hat).

      Also wenn Ihre anfängliche Frage nach den Kosten darauf zielte, wieviel Honorar ich hier verlange, dann kann ich sagen, dass ich hier 1-2 Stunden benötigen werde mit einem Stundensatz von 125 Euro /Stunde.
      Mit freundlichen Grüßen
      Hannes Peterreins

      Antworten
  2. Christoph Lauble
    Christoph Lauble sagte:

    Hallo Herr Peterreins,

    ich habe mich zu stark verkürzt ausgedrückt:

    Daß die Versicherung nicht weitergeführt werden soll, steht fest. Das Geld soll in (Aktien-)ETFs angelegt werden.

    Meine Frage zielte darauf ab, welchen Kostenaufwand Sie sehen, wenn Sie mit der Überprüfung beauftragt werden, ob die Versicherung mehr Geld bezahlen muss als das, was sie als Rückkaufswert („freiwillig“) angibt.

    So wie ich das sehe, fallen neben Ihrem Honorar wohl zusätzliche Anwaltskosten an. Und da hätte ich gerne eine Größenordnung.

    MFG Christoph Lauble

    Antworten

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