Ist der Euro in Gefahr?

Derzeit kann man Schlagzeilen lesen wie „Unsere Währung ist in Gefahr“ oder „Der Euro vor dem Aus“. Dahinter steckt natürlich die Griechenland-Krise bzw. die Befürchtung, dass noch weitere europäische Staaten, wie beispielsweise Portugal, Spanien, Italien oder Irland als nächstes dran sind. All diese Länder weisen eine hohe Staatsverschuldung auf.

Dennoch kann man sich – nüchtern betrachtet – die Frage stellen, warum eine hohe Staatsverschuldung bzw. vielleicht sogar ein Staatsbankrott eines Euro-Mitgliedstaates den Euro gefährden soll. Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen?

Denn ein Staat in finanziellen Schwierigkeiten ist eine Sache, die Währung ist eine andere Sache.

Zahlungsunfähiger Staat, also Währungsreform?

Es gibt eine Vielzahl historischer Beispiele, bei denen ein in finanzielle Not geratener Staat nicht zum Aus der entsprechenden Währung geführt hat.

  • Spanien hat in seine wechselvollen Geschichte gerade auch im 16. udn 17. Jahrhundert einige Staatsbankrotte hingelegt. Die damalige Währung, der Real, blieb aber unbeschadet.
  • Auch Frankreich war schon einige Male in großen Schwierigkeiten, ohne dass die damalige französichse Währung aufhörte zu existieren.
  • Argentinien meldete 2001 den Staatsbankrott an. Den argentinischen Peso gibt es bis heute.

Oder versetzen wir uns zurück in DM-Zeiten. Auch hier gab es einzelne Bundesländer (z.B. Bremen oder Berlin) die in große finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Dennoch hat damals niemand gemutmaßt, dass die DM kurz vor dem Aus stünde. Dieser Gedanke wäre damals wahrscheinlich den meisten als direkt absurd vorgekommen. – Aber im Falle Griechenland und dem Euro soll das nicht absurd sein?

Anderes Besipiel: In den frühen 1970er-Jahren wurde New York zahlungsunfähig. Hat damals irgendjemand davon geredet, New York müsse aus dem US-Dollar-Raum ausgeschlossen werden? Oder dass dadurch der US-Dollar in seinem Fortbestand gefährdet würde? – Auch diese Fragen scheinen direkt absurd zu sein. Warum aber, so kann man fragen, soll dann der Euro wegen Griechenland vor dem Aus stehen?

Noch ein Beispiel: Aktuell ist auch der Staat Kalifornien in extrem großen Schwierigkeiten. Seltsamerweise interessiert das momentan niemanden. Ganz zu schweigen, dass irgendjemand darüber redet, ob vielleicht der US-Dollar wegen Kalifornien in ein Hyperinflation oder eine Währungsreform gerät.

Wenn man sich diese Vergleiche vergegenwärtigt, kann man die derzeitige Aufregung überhaupt nicht verstehen. Ja natürlich, es ist schlimm, wenn Staaten überschuldet sind und sich aus eigener Kraft nicht mehr oder nur schwer aus ihrer finanziellen Misere ziehen können. Nur: Warum tangiert das den Euro? Was, so frage ich, hat das eine mit dem anderen zu tun???

Wie gesagt: In ähnlich gelagerten Fällen, kommen die meisten nicht einmal im Traum auf die Idee, die finanziellen Schwierigkeiten eines Staates mit dessen Währung zu verknüpfen.

Währungsreform, also zahlungsunfähiger Staat?

Na vielleicht gilt es umgekehrt. Dass immer wenn es eine Währungsreform oder Hyperinflation stattfand, dass auch der Staat zahlungsunfähig war. Aber das gilt ja genauso wenig. Zur Hyperinflation in den 1920er-Jahren kam es nicht, weil der deutsche Staat bankrott war. Der Grund lag vielmehr darin, dass der deutsche Staat in Fogle der Ruhrgebieht-Beseztung durch die Franzosen zum monatelangen Generalstreik ausgerufen hat. Und die streikenden Arbeiter wurden einfach mit frisch gedruckten Banknoten über Wasser gehalten.

Übrigens hatten sich Frankreich, England und die USA während des Ersten Weltkrieges stärker verschudet als das damalige Deutsche Reich. Dennoch kam es in diesen Ländern zu keiner Hyperinflation oder Währungsreform.

Japan ist derzeit mit etwa 200% des BIP in der Kreide. In Japan herrschen seit vielen Jahren eher deflationäre Tendenzen. Keine Spur von Inflation. Und genausowenig spricht irgendjemand davon, dass es möglicherweise den Yen bald nicht mehr geben wird.

Steht der Euro vor einer Inflation?

Es ist richtig, dass die Wechselkurse des Euros bezüglich anderer Währungen stark gefallen ist. So ist der Euro/USD-Wechselkurs in den letzten Monaten ungefähr um 20 Prozent gefallen. Damit steht er aber etwa wieder da, wo er vor 4 Jahren stand. Eigentlich also auch nichts Dramatisches.

Wir haben also tatsächlich ein Abwertung des Euros gegenüber anderen Währungen. Man sagt hier: der Außenwert des Euro hat verloren.

Der Punkt ist nun, dass viele diesen Außenwertverlustes des Euro mit einer inneren Geldentwertung gleichsetzen. Viele meinen, dass die zurückgehenden Wechselkurse eine Inflation des Euros widerspiegeln. Haben wir also derzeit im Euro-Raum eine hohe Inflation?

Nein, haben wir nicht. Die Geldentwertung ist vielmehr so niedrig wie seit langem nicht mehr, insbesondere auch niedriger als in durchschnittlichen DM-Zeiten.

Die meisten Deutschen wissen heute gar nicht mehr, wie sich eine starke Inflation anfühlt. Meine Frau ist Kroatin und so habe ich Gelegenheit, mich regelmäßig mit Menschen zu unterhalten, die das Jugoslawien der 1980-er Jahre erlebt haben. Diese Leute können einem erzählen, wie siche eine Inflation anfühlt und wie anders die Lebenssituation in diesem Fall ist im Vergleich zu dem, was wir heute erleben.

wer in den 1980er Jahren den Jugoslawischen Dinar in die Finger bekam, sah zu, dass er ihn so schnell wie möglich wieder los bekam. Entweder, indem man in DM tauschte oder indem man sich irgendetwas kaufte. Denn man wusste damals, dass nur ein paar Monate später man viel weniger für seine Dinare bekam. So erzählte mir ein kraotischer Freund von einem Hauskauf in Ex-Jugoslawien. Aus irgendwelchen Gründen war vereinbart, dass der Verkäuferden vereinbarten Dinar-Betrag erst ein paar Monate später bekam. Das hatte bereits zur Folge, dass der Immobilienkäufter das Häuschen real etwa 30 Prozent günstiger bekam.

Sind wir momentan in einer Situation, in der eine Immobilie, sagen wir in München, ein paar Monate später 30 Prozent teurer ist? Nein, sind wir nicht.

Wie fühlt sich eine Inflation an? Sie fühlt sich so an, dass einem nichts zu teuer ist. Hauptsache das Geld ist weg. Mir wurde einmal die Geschichte erzählt über einen entfernten Verwandten von mir aus den 1920-er Jahren. Er kaufte sich damals die Möbel für ein zweites Schalfzimmer, obwohl er wunderbare Schlafzimmer- Möbel bereits hatte. Während der Hyperinflation, war es komplett egal, was man sich kaufte, Hauptsache man kaufte irgendetwas, auch wenn man es in der konkreten Situation gar nicht brauchte.

Leben wir momentan gerade in einer solchen Gefühlslage? Hauen die Leute ihre Euros hinaus, vollkommen egal, was sie dafür bekommen? Ist es momentan so, dass es eigentlich kein „zu teuer“ gibt, nur damit man sein Geld los hat? – Nein, so ist es derzeit nicht. Vielmehr üerlegen sich die Leute momentan sehr sorgfältig, wofür sie ihre Euros ausgeben. Oft hört man: „Das ist aber teuer geworden, da kaufe ich nicht“. – Naja, genau das ist das Gegenteil dessen, wie sich eine Hyperinflation anfühlt.

Was heißt das? Wir haben derzeit keine hohe Geldentwertung des Euros. Das ist schlicht und einfach nicht der Fall. Das Gerede davon, dass der Euro zu einer Weichwährung oder vor dem Aus steht, entbehrt jeglicher Grundlage. Diese Befürchtungen sind in den Köpfen der Leute, haben aber mit der Realität nichts zu tun.

Warum spinnen denn gerade alle?

Irgendwie seltsam, oder? Die Menschen bauen sich ein Angst-Szenario, von wegen dass der Euro zusammenbricht, dass es zu einer Hyperinflation im Euro-Raum kommen wird oder sogar zu einer Währungsreform. Und das einzige, wodurch sich diese Ängste schüren lassen, ist, dass Euro-Staaten in finaziellen Schwierigkeiten stecken. Nur selbst hier ist nicht unbedingt klar, was diese Schwierigkeiten mit dem Euro zu tun haben sollen.

Man kann sich also fragen: Warum überhaupt diese Hysterie? Was ist denn da überhuapt los? Warum spinnnen denn gerade alle?

Zuächst einmal ist klar, dass die Amerikaner schon immer gegen den Euro waren. Und zwar schlicht deswegen, weil der Euro die Machtposition des US-Dollars gefährdet. Man denke an die Diskussionen, dass Rohöl möglicherweise nicht mehr in USD, sondern in Euro abgerechnet wird. Für Amerika und den US-Dollar wäre das ein herber Schlag. Dass der Euro schlecht geredet wird, daran haben die Amerikaner ein großes Interesse.

Umgekehrt ist der Euro aus US-Sicht sicherlich inzwischen zu stark gegenüber dem US-Dollar gefallen. Das schwächt deutlich die Export-Möglichkeiten der USA in den Euro-Raum, während es für uns wie ein Konjunktur-Turboprogramm wirkt. Aus diesem Grund ist der besorgte Anruf von Obama zu verstehen, wir Europäer sollten doch bitte endlich etwas zur Stützung des Euros tun.

Viele können nicht glauben, dass die Finanzkrise schon vorbei ist, da kommt eine „Euro-Krise“ gerade recht

Es gibt, meiner Meinung aber noch einen weiteren, subtileren Grund für die derzeigie Hysterie. Wir haben im Herbst 2008 das größte Finanzdesaster sein über 70 Jahren erlebt. Das steht außer Zweifel. Wir standen nach der Lehman-Pleite wirklich vor einem Abgrund. Damals mutmaßten fast alle, dass wir in eine lang anhaltende Rezessions-Phase kommen würden. Die historische Vorlage lieferte die Große Depression in den 1930er-Jahren. Fast alle Ökonomie-Professoren (die vorher schon die Krise größtenteils NICHT vorhersagten) wussten jetzt ganz genau, dass die Krise sehr, sehr lange dauern würde.

In Deutschland warteten wir beispielsweise Monat für Monat auf einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Und Monat für Monat kam sie nicht. In ihrer Erklärungsnot verlegten die angeblichen Experten die Arbeitslosigkeit dann immer mehr in die Zukunft. Nach dem Motto: „Jetzt ist die Arbeitslosigkeit nicht wie erwartet extrem angestiegen, das liegt aber an dem und dem Sondereffekt. Dafür wird die Arbeitslosigkeit um so heftiger in drei Monaten komm.“ – Und das mussten wir uns Monat für Monat anhören.

Und was ist heute? Die Arbeitlosigkeit sinkt wieder, der Automobilindustrie geht es überraschend gut, fast alle DAX-Unternehmen stehen inzwischen wieder gut da. Die Krise war also doch um vieles schneller vorbei als gedacht.

Nicht nur die Experten waren zum Jahreswechsel 2009/2001 überrascht. Auch die meisten „normalen“ Leute warenüberrascht. Und was habe ich in einer solchen Situation von allen möglichen Seiten zu hören bekommen: „OK, im Moment sieht alles wieder besser aus. Aber… Sie werden sehen, das dicke Ende kommt noch…“

Wir haben eine der schwersten Krisen seit sehr langer Zeit erlebt. Da konnten es die meisten einfach nicht glauben, dass das Ganze so schnell wieder vorbei sein sollte. Ja, und da kam der großen Gemeinde der Pessimisten die Griechenland-Krise gerade recht: „Aha, ich wusste es doch, da muss noch irgendwas kommen. So schnell konnte diese Krise ja nicht vorbei sein.“

Und genau so wird jetzt argumentiert: Griechenland ist das zweite Lehman. Hierzu mal ein paar Ausschnitte aus einem SZ-Artikel vom 15. Mai (Seite 21):

„In der Wirtschaft herrst eine merkwürdige Stimmung. Die Staatsschuldenkrise produziert so katastrophale Schlagzeilen, als stünde die Welt vor dem Untergang. Gleichzeitig häufen sich die optimistischen Meldungen, die den Eindruck erwecken, es ahbe die üble Finanzkrsie nie gegeben … Die Firmenchefs sprechen bereits vonm Jahr eins nach der Krise …

Die Griechenland-Krise ist so gefährlich wie 2008 die Pleite der amerikanischen Lehman-Bank. Die sorgte dafür, dass ganze Branchen in eine Flaute stürzten. … viele Ökonomen [glauben], dass die Insovenz Griechenlands nicht zu vermeiden sein wird…“

An diesem SZ-Artikel sieht man sehr schön, was ich meine. Dei aktuelle Konjunkturerholung wird als wackelig dargestellt und es wird eine Parallele zwischen Lehman und Griechenland gezogen.

Man überlege sich aber einmal: Welche Branche genau sollte durch eine Insolvenz Griechenlands in die Flaute geraten? Ist beispielsweise irgendeine Brnache durch die Insolvenz Argentiniens in größere Mitleidenschaft gezogen worden?

Die Unterschiede zwischen Lehman und Griechenland sind enorm (worauf ich hier nicht eingehen möchte, weil ich sowieso schon zu viel geschrieben habe). Man könnte sich selbst auch mal folgende Frage stellen: Nur mal angenommen, Griechenland wäre in die Krise geraten VOR der Lehman-Pleite, würden wir dann das Ganze genauso dramatisch sehen wie wir es heute tun? Ich wette, wir würden es nicht.

Wir beurteilen die Griechenland-Krise heute aus unserer schlimmen Erfahrung des Herbst 2008 heraus. Die Angst vor einer Wiederholung treibt die aktuelle Hysterie und trübt den Blick vor den Realitäten. Die Leute können nicht glauben, dass es schon wieder wirtschaftlich nach oben geht, schneller als gedacht, dann ergötzt man sich wieder an einem Euro-Weltuntergangsszenario, das sich an Griechenland oder anderen schwächelnden Euro-Staaten festmacht. Wie logsich das ist, ist nur von sekundärer Bedeutung. Hauptsache, man hat wieder einen Gegenstand der Ansgt gefunden.

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